WEF in Davos Die fünf großen Baustellen der Weltwirtschaft

Seite 2/3

2.    Die Deal-Ökonomie ersetzt den Multilateralismus

Donald Trump, der heute ins Weiße Haus zieht, hat den Ton der Woche gesetzt: Er werde aus den Handelsabkommen Nafta und TPP austeigen und sofort Zölle auf Importe verhängen. Sollte dagegen ein Land vor der Welthandelsorganisation WTO klagen, würden die USA die WTO verlassen und verstärkt bilaterale Abkommen mit anderen Ländern schließen. Einer ähnlichen Logik folgt Großbritannien unter Theresa May: „Wir haben nun die Freiheit, Handelsverträge mit unseren Freunden zu schließen. Unsere Partner im Commonwealth haben das zugesagt, große Nationen wie China oder die Golf-Staaten Interesse signalisiert“, sagte May am Donnerstag.

Die Welt zittert, Amerika feiert: Donald Trump schürt in der amerikanischen Wirtschaft einen Optimismus, der auch viele Bürger ansteckt. Das Land berauscht sich selbst - und übersieht das absehbar dramatische Ende.
von Tim Rahmann

Die Logik dahinter ist recht einfach: Statt auf einheitliche Normen zu setzen, die Berechenbarkeit und gleiche Regeln für möglichst alle Länder auf der Welt vorgeben, machen sich zwei der größten Volkswirtschaften der Welt – nebenbei: der größte und drittgrößte Handelspartner Deutschlands – auf den Weg in Richtung einer Dealwirtschaft: Kommst Du mir entgegen, handele ich mit Dir. „Reine Willkür“, nannte das ein europäischer Vertreter in Davos. Aber Willkür, die durchaus für den ein oder anderen auch in Europa attraktiv zu sein scheint.

Aus der italienischen Delegation heißt es: „Womöglich liegen auch Chancen darin, wenn die einzelnen Länder in Fragen des Handels wieder bilateral verhandeln – dann hat ein Land wie Deutschland nicht mehr die Chance, alle zu einer Politik zu zwingen, die vor allem ihnen nützt.“ Und die Chefin der spanischen Großbank Santander, Ana Botin, sagt: „Es wäre wichtig, dass wir uns wieder darauf besinnen, dass jedes Land etwas anderes kann und darin Europas Stärke liegt: Wenn alle nur Autos exportieren, gibt es niemanden mehr, der Autos kauft. Und das müssen wir für die gesamte Politik in Europa berücksichtigen.“

3.    Wächst die Ungleichheit – oder das Gefühl, sie wachse?

Für die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, ist die Sache klar: „Ich habe schon 2013 vor den Gefahren wachsender Ungleichheit gewarnt, damals hat mir keiner zugehört“, sagte sie am Mittwoch. Nun sei die Ungleichheit weiter gewachsen – und die Quittung bekämen Regierungen und Wirtschaftsführer weltweit. Auch der Chef der Credit Suisse, Tidjane Thiam, sagt: „Es ist uns nicht gelungen, alle an den Vorteilen der Globalisierung teilhaben zu lassen.“ Es gebe bis in die Mittelschicht Verlierer, um deren Anschluss an die Wohlstandsentwicklung man sich kümmern müsse.

Protektionismus wird wieder salonfähig. Wer das verhindern will, muss die Globalisierung neu austarieren.
von Miriam Meckel

Nur, wie? Nicht wenige in Davos glauben mittlerweile: der Trend zur Ungleichheit ist systemimmanent. „In den vergangenen fünf Jahren haben die größten amerikanischen Konzerne nahezu sämtliche Gewinne an Aktionäre ausgeschüttet anstatt in neue Entwicklung zu investieren“, bemängelt Martin Sorrell, Chef des weltgrößten Werbenetzwerks WPP. „Ohne neuen Fortschritt wird es aber auch kein Wohlstandswachstum für alle geben. Da denken die großen Konzerne zu kurzfristig.“

Ausgerechnet der amerikanische Ökonom Larry Summers, der eher den Demokraten in den USA nahesteht, bestreitet allerdings einen Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Populismus: „Die Menschen wollen wieder eine stärkere Betonung des Nationalen.“ Ungleichheit störe sie kaum. Im Gegenteil: Die meisten Protestwähler in den Industriestaaten hätten eher das Gefühl, „den Armen wird zu viel geholfen.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%