WEF in Davos Die fünf großen Baustellen der Weltwirtschaft

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4.    Tech-Konzerne tragen mehr Verantwortung

Gespräche mit hochkarätigen Managern großer IT-Konzerne sind immer so eine Sache. Gegen die Kommunikationsarbeit von Facebook, Google und Co war die Öffentlichkeitsarbeit des Kreml selbst zu Sowjet-Zeiten recht transparent. Und so findet auch das Treffen mit einer hochrangigen Vertreterin eines sehr großen amerikanischen IT-Konzerns nur unter der Bedingung statt, dass man später aus diesem Gespräch nicht zitiere. Die Frau sagt dann dennoch nur sehr vorsichtiges, davon bleibt aber ein Satz in Erinnerung: „Die Diskussionen für uns Tech-Konzerne sind politischer geworden. Wir haben lange Zeit damit Probleme gehabt, aber wir müssen uns dem stellen.“

In den vergangenen Jahren war es ja meist so: Wenn alte Industrie und Silicon Valley aufeinander trafen, dann war den IT-Jungs aus Amerika die Bewunderung der Manager aus der so genannten Old Economy sicher. Was wollte man sich nicht alles von ihnen zum Vorbild nehmen! Irgendwann band man sich sogar keine Krawatten mehr um (was dieses Jahr in Davos wieder nahezu jeder macht) oder zog Sportschuhe an (was in Davos niemand mehr macht). Die IT-Menschen wurden uneingeschränkt bejubelt, sie galten als Zukunft. Gerne ließ man ihnen durchgehen, dass manches Geschäftsmodell wackelig wirkte und sie eigentlich oft auch eher wenig zu sagen hatten. Das hat sich geändert.

Fake-News, Job-Verlust-Ängste durch Künstliche Intelligenz und die gigantische Vermögensumverteilung von unten nach oben, die die Digitalisierung bisher mit sich brachte, haben den Scheinwerfer der Wirtschaftswelt auf die Verantwortung der Tech-Riesen gelenkt. Wenn nun jemand wie Googles Finanzchefin Ruth Porat auf die Frage nach der Verantwortung sagt: „Google hat von Beginn an Wert darauf gelegt, Technologie für alle zugänglich zu machen“, dann erntet sie ob der platten Eigenwerbung sofort Widerspruch. „Die Technologie-Branche muss jetzt beweisen, dass sie mit den erzielten Gewinnen auch Fortschritt für alle entwickeln kann“, antwortete Sorrell.

5.    China greift nach einer Führungsrolle

Ausgerechnet der chinesische Staatspräsident Xi Jinping wird in Davos zum Botschafter in der Disziplin des freien Handels. Xi nutzt die Gelegenheit und genießt sie sichtlich. Geradezu herzlich nähert er sich Davos-Gastgeber Klaus Schwab. Lachfältchen umspielen das Gesicht, als der mächtigste Kommunist der Welt vor 300 Kapitalisten tritt, um die Freiheit des unbegrenzten Geschäftemachens zu verteidigen.

Xi spricht fast eine Stunde, den Namen Trump erwähnt er kein einziges Mal. Und doch ist er allgegenwärtig. Wenn Xi sagt: "Wir sehen enormen wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt, aber auch Konflikte, Armut und Arbeitslosigkeit. Es ist jedoch falsch, der wirtschaftlichen Globalisierung dafür die Schuld zu geben." Und dann folgt die Botschaft, die alle als virtuelle Postkarte an den neuen US-Präsidenten verstehen: "Protektionismus ist, als ob man sich in einen dunklen Raum einschließt. Man ist dann zwar geschützt vor Wind und Regen, aber auch isoliert von Luft und Licht." Chinesische Diplomatenprosa, aber ziemlich unverblümt. Zudem verspricht Xi: besseren Marktzugang für westliche Unternehmen, fairen Umgang mit Investoren, das Globalisierungsblaue vom Himmel.

Donald Trump macht in Sachen Anti-Freihandels-Kurs Ernst. Vor allem das deutsche Exportwunder rückt in seinen Fokus. Deutschland sollte sich entschieden wehren, sagt der Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz.
von Sven Prange

Dieses Glaubensbekenntnis zur Kraft der Freiheit scheint angesichts seines autoritären Kurses im Innern und seiner eigenen "China first"-Politik gegenüber ausländischen Investoren durchaus fadenscheinig, doch das will in Davos keiner hören. Beseelt hängen die Teilnehmer an seinen Lippen, applaudieren, schwärmen bis in den Abend von dieser großartigen Rede. Ein bisschen Hoffnung, irgendwo.

"Durch die Wahl von Donald Trump hat sich die Evolution der Weltordnung beschleunigt", sagt Nouriel Roubini, Ökonom aus New York. "Es war klar, dass irgendwann auch der chinesische Präsident nach Davos fahren würde. Wäre Clinton gewählt worden, wäre er erst im kommenden Jahr oder auch später zum Weltwirtschaftsforum gereist."

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