Weltwirtschaft Die Politik ist das größte Konjunktur-Risiko

Notenbanken wie die Fed oder die EZB denken zunehmend global, nicht mehr national, weil sie politische Probleme mit lösen sollen. Das birgt ungeheure Gefahren – aber auch eine große Chance für mehr transatlantische Kooperation.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Von einer wachsenden Kluft zwischen US- und EU-Wirtschaft kann nicht mehr die Rede sein. Quelle: dpa

Das Verhaltensmuster der Finanzmarktakteure, das bereits seit Anfang des Jahres im Zeichen verbreiteter Unsicherheit steht, wird sich wohl nach den jüngsten Arbeitsmarktdaten in den USA nicht so leicht abschütteln lassen. Im Mai wurden weit weniger Stellen geschaffen als erwartet, es entstanden außerhalb der Landwirtschaft gerade mal 38.000 neue Arbeitsplätze. Das war der schwächste Zuwachs seit September 2010.

Die Zahlen dämpfen die Erwartungen, dass die US-Notenbank Fed Mitte Juni die Zinsen anheben könnte. Fed-Chefin Janet Yellen hatte angesichts der anziehenden Konjunktur noch vor wenigen Tagen eine baldige Anhebung in Aussicht gestellt. Nun aber beginnt erneut das altbekannte Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Märkten und der US-Zentralbank.

Investoren hatten in den ersten Monaten des Jahres deutlich gemacht, dass sie den Zustand der globalen Weltwirtschaft für zu schwach hielten, um eine Zinsanhebung in den USA zu rechtfertigen. Selbst der Internationale Währungsfonds hatte jüngst vor einer zunehmend verwundbaren Konjunktur gewarnt und betont, dass die globale Wirtschaft seit zu langer Zeit zu schwach ist und erklärt, dass der Zustand chronisch werden könnte, wenn nichts unternommen wird.

Zur Person

Die Fed hingegen will sich nicht vom Pfad abbringen lassen, endlich ihre ultralockere Geldpolitik zu "normalisieren". Wiederholt signalisierte die US-Notenbank in den vergangenen Wochen, dass sie bis Ende des Jahres - zwar vorsichtig, allerdings mehrfach - die Leitzinsen anheben würde. Dabei machte Fed-Chefin Yellen aber einschränkend auch klar, dass eine Zinsanhebung von den jüngsten Wirtschaftsdaten abhängig sei. Die schienen noch vor Kurzem robuster zu sein, geben nun aber wieder den eher skeptischen Märkten recht.

Tatsache ist, dass die US-Wirtschaft seit Jahren wächst. Sie schafft es aber nicht, ein Tempo zu entwickeln, das es ermöglichen würde die Nachwehen der Finanzkrise endlich abzuschütteln. Gleichzeitig berappelt sich auch Europas Wirtschaft trotz aller Schwierigkeiten. Von einer wachsenden Kluft zwischen US- und EU-Wirtschaft kann also keine Rede mehr sein. Wenn es Gründe zur Enttäuschung gibt, dann auf beiden Seiten des Atlantiks.

Eine nationale Angelegenheit wird global

Erschwerend  kommt für die US-Notenbank hinzu, dass sie sich bei ihren Entscheidungen ohnehin immer stärker nach globalen Entwicklungen richtet. Das war noch unter Yellens Vorgänger Ben Bernanke anders, als Zinspolitik vornehmlich als eine nationale Angelegenheit betrachtet wurde. Unter Yellen mutiert die Fed gerade offen zur globalen Notenbank.

Stimmen zur Zinswende der Fed

So werden in den Leitungsetagen der Fed mittlerweile auch politische Entwicklungen, wie zum Beispiel die britische Volksabstimmung über einen Verbleib des Vereinten Königreichs in der Europäischen Union, als geldpolitisch relevant gesehen. Selbst die Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf Europa sind besorgniserregend.

Selbstverständlich dürften die Notenbanker auch mit Sorge den US-Präsidentschaftswahlkampf betrachten, in dem die politische Debatte nach wie vor von schrillen, populistischen Tönen verzerrt wird. Ähnlich übrigens, wie in vielen EU-Mitgliedstaaten. Die Politik ist vielleicht zum größten Risiko für die Konjunktur geworden.

USA und Europa müssen zunehmend ähnliche Herausforderungen meistern. Während deren Zentralbanken Fed und EZB sich ihrer globalen Rolle und Verantwortungen immer bewusster werden, verlieren sich die nationalen öffentlichen Meinungen und deren Politiker zunehmend in Nabelschau. Das ist eine Gefahr. Sie macht das Meistern gemeinsamer Herausforderungen nur noch schwieriger und könnte für erneute Unsicherheit, schlimmer: vielleicht sogar für Panik an den Finanzmärkten sorgen.

Solange die leitenden Volkswirtschaften anfällig bleiben, sollte man nicht mit dem Feuer spielen. Diesmal hätten die Zentralbanken größere Schwierigkeiten, die Rolle der Feuerwehr zu übernehmen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%