Weltwirtschaft So entwickeln sich die wichtigsten Volkswirtschaften

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Frankreich

Nun hat auch EZB-Chef Mario Draghi den mangelnden Reformeifer in Frankreich kritisiert, doch dieser dürfte sich 2014 auf ein Minimum beschränken. Belehrungen aus Brüssel, Berlin oder Frankfurt könnten zudem dazu führen, dass bei den Kommunalwahlen im März und bei den Wahlen zum europäischen Parlament im Mai extreme Parteien am rechten und linken Rand profitieren.

Nach Einschätzung der EU-Kommission wird Frankreichs Wirtschaft 2014 zwar um 0,9 Prozent wachsen, die Neuverschuldung jedoch 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Im Jahr darauf rechnet Brüssel ebenfalls mit einer Defizitquote von 3,8 Prozent – wenn die derzeitige Politik beibehalten wird. Zur Erinnerung: Brüssel hatte Frankreich im Mai zwei Jahre mehr Zeit eingeräumt, um das Haushaltsdefizit wieder unter die für die Euro-Länder obligatorische Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu drücken.

Weitere Sparmaßnahmen im öffentlichen Haushalt und Steuererhöhungen haben jedoch einen politischen Preis. Das haben die jüngsten Unruhen in der Bretagne gezeigt. Eine Abkehr von der 35-Stunden-Woche und eine – gerade in der Tourismusmetropole Paris vielversprechende – Ausweitung der Öffnungszeiten im Handel auf den Sonntag wären zwar nach Einschätzung von Experten Maßnahmen, um das Wachstum anzukurbeln. Beides gilt allerdings als Anschlag auf „droits acquis“, also auf einmal errungene Rechte, die in Frankreich denselben Stellenwert wie die UN-Menschenrechte zu haben scheinen.

Frankreich

Wenig überraschend ist daher der unter französischen Unternehmern verbreitete Pessimismus. 82 Prozent der Befragten geben an, sie hätten kein Vertrauen in die französische Wirtschaft. 44 Prozent erwarten, dass 2014 ein schlechteres Jahr wird als 2013. Entsprechend niedrig ist die Investitionsbereitschaft. Nach einem Rückgang der Ausgaben um sieben Prozent in diesem Jahr werden Industrieunternehmen laut einer Untersuchung des staatlichen französischen Statistikamtes Insee 2014 ihre Investitionen um weitere zwei Prozent reduzieren. Während die Industrie in der Euro-Zone insgesamt nach der Krise allmählich wieder Fahrt aufnimmt, kann Frankreich nicht mithalten: Die Industrie dort schrumpft schneller als die in Spanien oder Griechenland und erwirtschaftet nur noch elf Prozent des BIPs. Steuergutschriften, mit denen die sozialistische Regierung die Last der hohen Arbeitskosten abfedern wollte, fördern eher den öffentlichen Dienst als private Unternehmen. Da die Höhe der Gutschriften sich nach der Zahl der Mitarbeiter bemisst, die weniger als das 2,5-Fache des Mindestlohns verdienen, gehen Mittelständler mit hoch qualifizierten – und gut bezahlten – Fachkräften meist leer aus. Kaum Entspannung gibt es deshalb auch für den Arbeitsmarkt. 46 Prozent der Kleinunternehmen planen 2014 keine Neueinstellungen. Dabei stellen diese – Landwirtschaft und Finanzinstitute ausgenommen – 96,8 Prozent aller Unternehmen und 52 Prozent der Arbeitsplätze.

Nach der Bekanntgabe der vorläufigen Arbeitslosenzahlen für Oktober jubelten Staatschef François Hollande und seine Regierung, die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt sei erreicht. Das stimmte allerdings nur, sofern das Kleingedruckte ignoriert wurde. Der Rückgang um 20 500 Arbeitssuchende im Vergleich zum Vormonat war vor allem auf die Vermittlung von Jugendlichen in sogenannte „Zukunftsverträge“ zurückzuführen. Dabei zahlt der Staat drei Viertel des Bruttolohns. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen und insbesondere derer im Alter von über 50 stieg dagegen weiter an. Davon sind inzwischen mehr als zwei Millionen Menschen betroffen. Brüssel, die Industrieländerorganisation OECD und der Internationale Währungsfonds (IWF) gehen in ihren Prognosen deshalb davon aus, dass die Arbeitslosigkeit in Frankreich auch 2014 weiter steigen wird. Es gäbe viel zu tun, aber die Regierung von Premier Hollande wartet lieber ab.

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