Wettbewerbsfähigkeit "Deutschland droht in die Falle zu tappen"

Der Competitiveness-Index zeigt: Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sinkt dramatisch. Arturo Bris vom IMD erklärt, woran das liegt, und warum wir Gefahr laufen, in die Selbstzufriedenheitsfalle zu tappen.

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Deutschland weit abgeschlagen: Wettbewerbsranking der Länder. Quelle: Fotolia

Professor Bris, im jüngsten IMD-Ranking zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist Deutschland um zwei Plätze auf Rang zwölf abgerutscht und somit nicht mehr in den Top-Ten vertreten. Was ist der Grund dafür?
Der Rückschlag für Deutschland hat drei Ursachen. Zum einen haben kleinere Länder wie Irland und die Niederlande einen großen Sprung nach vorn gemacht und sich vor Deutschland geschoben. Zum anderen hat Deutschland einen Teil seiner Stärke im internationalen Handel verloren. Das Exportwachstum hat deutlich nachgelassen. In der Kategorie Internationaler Handel ist Deutschland von Platz fünf auf Platz neun abgerutscht. Zudem hat sich der Standort in den Augen der Manager, deren Einschätzungen in unser Ranking eingehen, in wichtigen Punkten verschlechtert. Deutschland hat bei der politischen Stabilität und bei der persönlichen Sicherheit sowie dem Schutz privater Eigentumsrechte fünf bis sieben Positionen eingebüßt. Die Wirtschaft scheint mehr und mehr das Vertrauen in die Regierung zu verlieren.

Arturo Bris vom IMD zum Competitiveness-Report Quelle: The IMD World Competitiveness Center, Switzerland, www.imd.org/wcc


Andere Regierungen in Europa haben die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in den vergangenen Jahren verbessert. Die Bundesregierung dagegen hat den Mindestlohn und die Rente mit 63 eingeführt und Reformen aus der Zeit von Ex-Kanzler Gerhard Schröder zurückgedreht.
Die Erfahrung zeigt, dass Regierungen selbstzufrieden werden, wenn die Wirtschaft gut läuft. Dann negieren sie, dass es Reformbedarf gibt und schieben die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf die lange Bank. Später rächt sich das, die Länder fallen im internationalen Wettbewerb zurück. Deutschland droht in diese Falle zu tappen. Noch geht es dem Land wirtschaftlich gut, doch das dürfte nicht ewig so bleiben. Wohin man auch schaut, ob nach Südostasien oder nach Osteuropa, überall haben die Regierungen in einen Dauer-Reform-Modus geschaltet. Nur die Bundesregierung nicht. Deutschland droht zurückzufallen.
Wo hat Deutschland den höchsten Reformbedarf?
Die Belastung mit Steuern und Sozialversicherungsabgaben ist in Deutschland zu hoch. Bei den Sozialversicherungsabgaben belegt Deutschland Platz 56 von 61 Ländern. Nicht viel besser sieht es bei der Belastung mit der Einkommensteuer (Platz 54) und den Gewinnsteuern der Unternehmen (Platz 52) aus. Vor allem die osteuropäischen Länder setzen Deutschland bei den Steuern unter Druck. So müssen beispielsweise IT-Fachkräfte in Estland und Ungarn keine Einkommensteuer zahlen. Das lockt Unternehmen und Spezialisten an.

World Competitiveness Scoreboard


Deutschland muss die Steuer also senken?
Die zunehmende Mobilität von Arbeit und Kapital zwingt die Regierungen weltweit, Steuern und Abgaben zu verringern, um attraktiv zu bleiben. Dem Druck kann sich Deutschland nicht entziehen. Allerdings besteht die Gefahr, dass der Steuerwettbewerb zur Erosion der staatlichen Einnahmen führt. Daher sollten sich die Regierungen um eine internationale Harmonisierung der Steuern bemühen…
…um am Ende bei höheren Steuern für alle zu landen?
Man muss aufpassen, dass das nicht passiert. Höhere Steuern gefährden die Wettbewerbsfähigkeit. Die Schwierigkeit besteht darin, die Steuern so zu bemessen, dass die Wirtschaft gedeiht ohne die Finanzierung der staatlichen Aufgaben zu vernachlässigen.

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