Die Erholung, die sich derzeit in fast allen Weltregionen beobachten lässt, kommt für viele Beobachter überraschend. Denn im vergangenen Jahr sorgten die unerwarteten Ergebnisse bei der Brexit-Abstimmung in Großbritannien und den US-Präsidentschaftswahlen für erhebliche Verunsicherung. Und auch in diesem Jahr stehen vor allem in Europa weitere wichtige politische Entscheidungen an, denen durchaus mit Sorge entgegengesehen wird.
Wissenswertes zum internationalen Handel
Die Frage, ob Handel gut oder schlecht ist, gilt in der Volkswirtschaftslehre längst als geklärt. Eine weit überwiegende Mehrheit von Ökonomen vertritt die Meinung, dass internationale Arbeitsteilung nützlich ist und den Wohlstand steigert. Indes unter einer wichtigen Voraussetzung: Die Regeln müssen fair sein, damit das Kräfteverhältnis zwischen den Handelspartnern nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Das kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden - nachfolgend eine Übersicht.
Einfache Handelsverträge etwa zwischen zwei Ländern sind die unkomplizierteste Form von Handelsabkommen. Im Gegensatz etwa zu multilateralen Vereinbarungen sind nur zwei Parteien an den Verhandlungen beteiligt, was eine Einigung deutlich vereinfacht. Zudem geht es bei solchen Verträgen meistens nur um Handelsströme, insbesondere die Höhe von Zöllen. Andere Fragen wie Umweltstandards werden meist ausgeklammert. Das führt jedoch zum größten Nachteil solcher Abkommen: Von ihnen kann nicht erwartet werden, dass sie zwei Wirtschaftsräume umfassend miteinander verbinden, weil viele Fragen ungeklärt bleiben.
Wollen zwei oder mehr Länder über den Tausch von Waren und Dienstleistungen hinausgehen und ihre wirtschaftlichen Beziehungen umfassend regeln, werden die benötigten Abkommen umfangreicher und komplexer. Beispiele sind das zwischen der EU und den USA angedachte TTIP, das asiatisch-pazifische Abkommen TPP oder das asiatische Freihandelsprojekt RCEP. Derartige Abkommen regeln nicht nur Handelsfragen oder Zölle. Vielmehr geht es auch um Fragen des Verbraucherschutzes, der Umweltverträglichkeit von Waren und Diensten, den Schutz von Unternehmensinvestitionen oder die Angleichung von Produktstandards. Die Länder versprechen sich davon einen noch reibungsloseren Handel und mehr Wohlstand.
Eine Steigerung zu TTIP & Co. sind feste Verbünde aus mehreren souveränen Staaten. Als Paradebeispiel gilt die Europäische Union (EU), die nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine - wenn auch unvollendete - politische Union ist. Die Beziehungen der Länder sind über den EU-Vertrag geregelt. Der gemeinsame Binnenmarkt der EU verfügt über weitgehende Bewegungsfreiheit von Gütern, Dienstleistungen, Arbeitnehmern und Kapital. Auch sind viele rechtliche Fragen stark angeglichen, was Kritikern mitunter zu weit geht. Großbritannien bemängelte die Vereinheitlichung schon lange, beschloss den Austritt aber vor allem wegen des Zustroms ausländischer Arbeitskräfte. Wie kompliziert ein Abschied aus einem Wirtschaftsverbund ist, wird der Brexit zeigen.
Die WTO ist quasi eine Dachorganisation für den Welthandel. Ihr gehören 164 Mitgliedsländer an, darunter die Staaten der Europäischen Union, die USA und China. Die WTO als Handelsverbund zu bezeichnen, ginge viel zu weit. Vielmehr soll die Organisation die allgemeinen Regeln für den Handel überwachen und weiterentwickeln. Der Einfluss der WTO auf ihre Mitglieder ist indes begrenzt und basiert vor allem auf Kooperation. Eigene Sanktionsmittel im Falle des Regelbruchs hat die WTO im Grunde nicht.
Mit der Globalisierung galt der Protektionismus eigentlich als überwunden. Er ist das Gegenteil von Freihandel, weil dabei versucht wird, sich nach außen abzuschotten. Dazu dienen hohe Einfuhrzölle und -verbote, verbunden mit der Subventionierung eigener Exporte. Protektionismus kennt nach ökonomischer Lehre keine Gewinner, weil meist Vergeltungsmaßnahmen ergriffen werden. Ergebnis ist ein kleineres und teureres Güterangebot, das den Wohlstand verringert. Dennoch will US-Präsident Donald Trump der amerikanischen Industrie zu neuem Glanz verhelfen, indem er sie vor ausländischer Konkurrenz schützt. Kritiker wenden ein, dass nicht nur die Globalisierung, sondern auch die fortschreitende Technisierung für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich sei.
Ganz oben auf der Liste der Unwägbarkeiten stehen die Parlamentswahl in den Niederlanden und die Präsidentschaftswahl in Frankreich. In beiden Ländern erreichen europafeindliche Kräfte derzeit hohe Zustimmungswerte. Das Risiko, dass diese Kräfte die Regierung übernehmen, ist nicht von der Hand zu weisen. Auch in Italien könnte es 2017 zu Neuwahlen kommen und auch dort genießt eine europakritische Bewegung („5 Sterne“) hohe Popularität. Und schließlich wird im September auch in Deutschland gewählt. Hierzulande ist jedoch das Risiko eines Vormarschs der Anti-EU-Populisten am geringsten.
Alle diese Unsicherheiten haben jedoch bislang keinerlei Auswirkung auf die globale Konjunktur. Im Gegenteil: Seit etwa einem halben Jahr signalisieren die weltweiten Frühindikatoren einschließlich wichtiger Rohstoffpreise, dass sich eine Erholung abzeichnet. So haben sich die Preise für Nicht-Eisen-Metalle und Öl erheblich gefestigt. Gerade die Preise für Metalle stehen traditionell in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der weltweiten Industrieproduktion.
Die wichtigsten Beiträge zur globalen Konjunkturerholung kommen in diesem Jahr aus Nord- und Südamerika. Allein die erwartete Wachstumsbeschleunigung in den USA trägt knapp ein Drittel zur globalen Konjunkturverbesserung bei. Auch der Wachstumsbeitrag Lateinamerikas, das im vergangenen Jahr noch in einer tiefen Rezession steckte, dürfte 2017 größer sein. Für Brasilien erwarten wir ein Ende des wirtschaftlichen Schrumpfungsprozesses und für Argentinien eine Rückkehr zu positiven Wachstumsraten.
Europa und China gehören dagegen nicht zu den Weltregionen, in denen in diesem Jahr mit einer Wachstumsbeschleunigung zu rechnen ist. Die Wachstumsverlangsamung im Reich der Mitte bleibt wohl auch in diesem und im nächsten Jahr ein Bremsschuh der globalen Konjunktur. Aus der Gruppe der Schwellenländer dürfte sich jedoch die Stabilisierung der russischen Wirtschaft sehr positiv bemerkbar machen.
Aufhellung des konjunkturellen Ausblicks
Eine expansivere Ausrichtung der Fiskalpolitik spielt in vielen Ländern derzeit eine wichtige Rolle für die Aufhellung des konjunkturellen Ausblicks. So sind in den Vereinigten Staaten die zu erwartenden Fiskalimpulse ein wichtiges Argument für die optimistischeren Konjunkturprognosen. In Europa verhindert eine etwas expansivere Ausrichtung der Finanzpolitik in den meisten Ländern lediglich, dass sich das Wachstum in diesem Jahr noch stärker abschwächt. Und auch in China würden die Wachstumsraten wohl noch deutlich stärker zurückgehen, wenn die Regierung nicht bereits seit Monaten auf einen expansiveren Ausgabenkurs umgeschaltet hätte.
Die Erholung der Rohstoffpreise spielt für viele Schwellenländer eine wichtige stabilisierende Rolle. Russland profitiert von dem gestiegenen Ölpreis ebenso wie viele andere ölexportierende Länder. Auch die großen Volkswirtschaften Lateinamerikas weisen eine hohe Abhängigkeit von den globalen Rohstoffpreisen auf. Für sie haben die wieder gestiegenen Preise für Agrarrohstoffe eine sehr wichtige Bedeutung.
Die globalen Konjunkturaussichten bessern sich derzeit also. Doch mit einer parallelen Beschleunigung des Preisauftriebs ist jedoch nicht zu rechnen. Lediglich ölpreisbedingt sind in den Industrieländern in diesem Jahr wieder merklich höhere Inflationsraten zu erwarten als 2015 und 2016. Diese erreichen jedoch in der Regel noch nicht die vielzitierten Warnmarken der Zentralbanken. Im Durchschnitt wird die Teuerungsrate der Industrieländer 2017 bei 1,8 Prozent liegen.
Konjunkturindikatoren
Der vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) herausgegebene Index beruht auf der Befragung von 350 Analysten und Finanzmarktexperten. Sie geben dabei ihre Einschätzung über die künftige Wirtschaftsentwicklung ab. Der Index zur mittelfristigen Konjunkturentwicklung ergibt sich aus der Differenz der positiven und negativen Erwartungen über die künftige Wirtschaftsentwicklung. Er wird zur Monatsmitte erhoben.
Der international beachtete Index basiert auf einer Befragung von etwa 7000 Unternehmen aus Bau, Einzelhandel und Industrie. In einem Fragebogen beurteilen sie ihre gegenwärtige Geschäftslage sowie die Erwartungen für die Zukunft. Beide werden im Geschäftsklima zusammengefasst. Der Index ergibt sich aus dem Saldo der Antworten „gut“ und „schlecht“.
Wird von der britischen Forschergruppe Markit erhoben. Er beruht für Deutschland auf Umfragen unter Einkaufsmanagern von 500 repräsentativ ausgewählten deutschen Industrieunternehmen. Bestandteile des Index sind Auftragseingänge, Preise und Beschäftigung. Der Index hat einen relativ kurzen Vorlauf gegenüber der Produktion.
Umfasst den Bargeldumlauf und die Sichteineinlagen, wie zum Beispiel Sparbücher. Da die in M1 enthaltenen Bestandteile direkt für Transaktionen zur Verfügung stehen, deutet ein Anstieg darauf hin, dass die Kaufbereitschaft der Konsumenten und Unternehmen steigt. Der Indikator hat einen Vorlauf von zwei bis drei Quartalen.
Der BDI ist ein Preisindex für die Verschiffungskosten wichtiger Rohstoffe wie Stahl, Eisenerz, Kohle und Getreide auf Standardrouten. Er wird durch das Angebot an frei stehendem Schiffsladeraum und die Hafenkapazitäten beeinflusst. Da Rohstoffe als Vorprodukte am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, ist der BDI ein guter Frühindikator für die Weltkonjunktur.
Der Index des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK prognostiziert die Veränderung der monatlichen privaten Konsumausgaben. Hierfür werden 2000 repräsentativ ausgewählte Personen nach ihren Einkommens- und Konjunkturerwartungen befragt.
Weitere Inflationstreiber sind derzeit kaum auszumachen. Auch von der Lohnseite kommt in den wichtigen Ländern derzeit kein Druck auf die Preise. Die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten sind vielerorts zwar mittlerweile recht gut ausgelastet, doch in kaum einem Land ist eine Überauslastung zu erkennen, die zu einer Lohn-Preis-Spirale führen könnte. Selbst in den USA liegt die Produktionslücke derzeit nur ganz leicht im Plus Mit einem deutlich anziehenden, knappheitsbedingtem Lohndruck ist also auch dort in diesem Jahr nicht zu rechnen.
In den Schwellenländern bewegt sich die durchschnittliche Inflationsrate zwar mit rund fünf Prozent deutlich über dem Wert in den Industrieländern. Doch ist hier bereits seit einigen Jahren eher ein Abwärtstrend als ein Anstieg bei den Teuerungsraten zu beobachten