Das muss nicht das Helikopter-Geld sein, dessen Konzept und Wirkung doch eher theoretisch erscheinen. Praktikable Alternativen zu dieser Theorie sind aber möglicherweise umsetzbar, wenn die Notenbanken den Weg durch den Kreditkanal der Banken weiter als verstopft ansehen. Beispielsweise könnte eine Notenbank direkt Fiskalmaßnahmen, Steuersenkungen und reformbedingte Haushaltslücken finanzieren oder Anleihen, die speziellen Wachstumsmaßnahmen gewidmet sind, im Rahmen ihres QE-Programms am Sekundärmarkt kaufen. Hierbei muss sichergestellt werden, dass die Maßnahmen im Einklang mit geltendem Recht stehen und die Verschuldungsquoten beachtet werden. Institutionelle Hürden dürften jedoch keine wirklichen Hindernisse sein. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Phantasie und Bereitschaft der Notenbank sehr groß ist.
Geldpolitik der EZB: Entlastungen durch Niedrigzinsen
Verbraucher sparen bei Darlehen, ob für den neuen Fernseher oder für die eigenen vier Wände. Hausbauer können sich zu historisch günstigen Konditionen Geld leihen. Nach Angaben des Bankenverbandes BdB sind Hypothekendarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung derzeit zu Effektivzinsen von durchschnittlich etwa 1,4 Prozent zu haben. 2007 lagen sie noch bei mehr als fünf Prozent.
Billiger ist es auch geworden, das eigene Konto zu überziehen. Vor fünf Jahren lagen die Dispozinsen nach Angaben der Finanzberatung FMH im Schnitt noch bei 11,26 Prozent. Mittlerweile sind es demnach durchschnittlich 9,51 Prozent.
Seit Jahren ist günstiges Notenbankgeld der zentrale Treibstoff für die Börsen. Aktionäre können von steigenden Kursen profitieren. Zuletzt wagten sich die eher börsenscheuen Deutschen wieder stärker an den Aktienmarkt. Knapp 9,01 Millionen Menschen besaßen nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts im vergangenen Jahr Aktien und/oder Anteile an Aktienfonds - das ist der höchste Stand seit 2012.
Mit der Ausgabe von Anleihen finanziert die öffentliche Hand - neben Steuereinkünften - einen Großteil ihrer Ausgaben. Am Montag fiel die sogenannte Umlaufrendite, die ein durchschnittliches Maß für die „Verzinsung“ von Staatspapieren mit einer Laufzeit von drei bis 30 Jahren ist, in Deutschland erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik in den negativen Bereich. Der Bund „verdient“ in einer solchen Situation somit an seiner eigenen Schuldenaufnahme, anstatt den Gläubigern - den Käufern der Anleihen - einen Zins zu zahlen.
Stand: 7. Juni 2016
In den kommenden Monaten wird sich voraussichtlich die Notenbankpolitik insgesamt verändern. Das Instrument der Zinssenkungen wird zunehmend in den Hintergrund rücken und vielleicht mittelfristig sogar auf dem Prüfstand gestellt werden, denn die negativen Folgen der Niedrigzinspolitik sind zu offensichtlich. Stattdessen könnten außergewöhnliche Maßnahmen deutlich ausgeweitet werden. Für die Notenbanken ist sehr wichtig, dass sie den Nimbus der Fähigkeit nicht verlieren, die sich ihnen stellenden Probleme anzupacken und zu lösen. Angesichts der sinkenden Wirksamkeit der aktuell angewandten Maßnahmen und des schwindenden Vertrauens darin, werden unweigerlich neue Instrumente folgen.
Somit setzt sich der monetäre Lockerungskurs weiter fort, wenn auch mit anderen Mitteln. Ein grundsätzliches Problem bleibt aber: Die Notenbankpolitik kann fundamentale Ursachen der weltweiten Konjunkturschwäche wie ein Verlangsamen oder sogar Abstoppen des Globalisierungstrends nicht beeinflussen. Die Verwerfungen, Ungleichgewichte und Bewertungsverzerrungen, die sich mit der Geldpolitik zurzeit aufbauen, werden uns zweifellos noch einige Zeit beschäftigen. Denn die alte Börsenweisheit „Es gibt keinen free lunch“ dürfte auch hier gelten.