In den letzten zwei Jahren war die Entwicklung in den meisten großen Schwellenländern alles andere als erfreulich. Die Krisenlage in Brasilien, Russland und Südafrika hat stark an deren Nimbus als „Wachstumsmärkte“ genagt. Auch China, das lange der Treiber des globalen Wachstums war, konnte sich des Trends hin zu ständig niedrigeren gesamtwirtschaftlichen Zuwachsraten nicht erwehren. Peking war nun schon mehrfach gezwungen, das jährliche Wachstumsziel nach unten zu korrigieren.
Daran wird sich wohl auch in den nächsten Jahren nicht viel ändern. Positive Ausnahme in den letzten beiden Jahren war lediglich Indien. Seit dem Regierungswechsel 2014 geht Ministerpräsident Modi beherzt neue Reformen an. Mit Erfolg: Indiens Wachstum ist inzwischen deutlich höher als das von China.
Inzwischen gibt es aber auch in anderen Ländern positive Signale: Sofern keine neuen Krisenherde aufflammen, könnte die wirtschaftliche Krise insbesondere in Brasilien und Russland, bald dem Ende entgegen gehen. 2018 kann dann durchaus ein Jahr werden mit recht guten gesamtwirtschaftlichen Zuwachsraten für diese Länder.
Bewährungsprobe für Brasiliens Politik
In Brasilien werden die Präsidentschaftswahlen im Oktober 2018 entscheiden, ob der Reformkurs des derzeitigen Amtsinhabers Michel Temer Bestand haben wird. Bis dahin wird alles, was wirtschaftspolitisch getan wird, nur „provisorischen“ Charakter haben. Dennoch: Der jetzige Reformweg führt in die richtige Richtung. Die Industrieproduktion und die Investitionstätigkeit zeigen bereits wieder aufwärts – die Anlageinvestitionen sind im zweiten Quartal 2016 erstmals seit zehn Quartalen wieder gestiegen.
Dies ist ein wichtiges Signal dafür, dass die Konjunktur nach sechs negativen Quartalen beim Bruttoinlandsprodukt bald „drehen“ und das Jahr 2017 zumindest keine negativen Wachstumsraten mehr ausweisen wird. Voraussetzung ist jedoch, dass das Investitionsklima weiter gestärkt wird. Dann kann sich auch der Konsum normalisieren. Noch zeigt der Trend bei der Arbeitslosenquote nach oben! Die Reformen werden darüber entscheiden, ob Direktinvestoren aus dem Ausland wieder mehr Interesse an Brasilien finden. Die überfällige Umgestaltung des komplexen Steuersystems sowie der Ausbau der Infrastrukturen würden hier positiv wirken.
Es besteht aber das Risiko, dass die Konjunkturwende verschleppt wird. Denn unpopuläre Maßnahmen wie etwa Kürzungen bei den Sozialausgaben sind zur Konsolidierung des Staatshaushaltes nötig. Der Bevölkerung könnte das zu weit gehen. Dann droht sich das politische Klima wieder zu verhärten.
Aufwärtsanzeichen in Russland
Russland profitiert mehr als alle anderen BRICS-Länder von steigenden Ölpreisen. Die bisherige Erholung reicht aber noch nicht aus, um die dortige Wirtschaftskrise zu überwinden. Erschwerend kommt für den Kreml hinzu, dass der staatliche „Stabilitätsfond“ zuletzt stark in Anspruch genommen worden ist. Wird das Ausmaß der Entnahmen nicht bald gedrosselt, könnte er möglicherweise schon im Laufe des kommenden Jahres ausgeschöpft sein. Deshalb muss die Regierung vorerst auch an ihren Budgetkürzungen festhalten. Auch das Konsumklima dürfte wohl wegen der Realeinkommenseinbußen im privaten Sektor negativ bleiben. Dennoch: Die Rezession wird im ersten Halbjahr 2017 überwunden sein. Das Wachstumstempo in Russland wird aber zunächst begrenzt bleiben. Wir sehen es bei weniger als einem Prozent.
Indien in Zahlen
Indien gehört mit einem BIP von 1,877 Milliarden US-Dollar neben Russland und China zu den drei größten und am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. Das Pro-Kopf-Einkommen lag 2013/2014 laut Auswärtigem Amt bei 1.229 US-Dollar.
Die Wirtschaft ist weitgehend liberalisiert und das Wachstum seit Jahren auf recht hohem Niveau. 2014 waren es 6,8 Prozent. Der Export stieg im Jahr 2012 um 20 Prozent.
Die Bundesrepublik ist mit einem Volumen von 16,1 Milliarden Euro der wichtigste Handelspartner Indiens innerhalb der EU. Der deutsche Handelsüberschuss lag 2012/13 bei 3,4 Milliarden Euro. Der Warenwert der Exporte nach Deutschland lag bei gut 9 Milliarden.
Eine Milliarde Euro Kredit kamen im Jahr 2013 allein aus Deutschland. Vorgesehen sind sie für Investitionen in erneuerbare Energien und andere nachhaltige Projekte der Energieeffizienz.
Laut Auswärtigem Amt sind ca. 3.000 Deutsche in Indien ansässig, arbeiten in der Wirtschaft, im Bildungswesen, in Kultur und Missionen. Deutlich mehr Inder zieht es nach Deutschland; rund 45.000 leben in der BRD.
1,2 Milliarden Menschen leben in Indien. Die Gesellschaft ist dabei höchst gegensätzlich: fortschrittsorientiert und traditionell, arm und reich.
820 Millionen Inder leben in Armut. Davon gelten laut Weltbank fast 35 Prozent als absolut arm. Armuts- und Wirtschaftswachstum scheinen in Indien Hand in Hand zu gehen. In keinem anderen Land leben mehr Menschen in absoluter Armut, es sind mehr als in ganz Afrika. Sozialprogramme der Regierung greifen nur bedingt.
Mit 3.287.000 Quadratkilometern ist Indien flächenmäßig rund neunmal so groß wie Deutschland.
China erlahmt und Indien erblüht
In China dagegen dürfte im nächsten Jahr der leichte Abwärtstrend beim Potenzialwachstum anhalten. Die demografische Entwicklung (leicht schrumpfende Erwerbsbevölkerung) und die nachlassende Produktivität werden das Wirtschaftswachstum weiter dämpfen, so dass der Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes wohl deutlich unter der für dieses Jahr erwarteten Rate von 6,6 Prozent liegen wird.
Demgegenüber sind wir für Indien wegen der bereits erwähnten Reformprozesse optimistisch. Dort dürfte sich das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr bei knapp 7,5 Prozent und somit auf einem recht hohen Niveau stabilisieren. Wir erwarten zwar nicht, dass bis April 2017 die kürzlich beschlossene Einführung der landesweit einheitlichen Mehrwertsteuer vollwirksam in die Praxis umgesetzt sein wird. Von dieser sind auf jeden Fall in den Folgejahren deutlich positive Wachstumsimpulse zu erwarten, die im günstigen Fall auf bis zu einem Prozentpunkt geschätzt werden können.