Noch vor Amtsantritt hatte Trump die Verhängung von Strafzöllen in Höhe von 45 Prozent gegen chinesische Einfuhren angedroht. Schließlich haben sich die chinesischen Exporte in die USA seit dem Jahr 2000 von damals rund 100 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2015 in ihrem Wert verfünffacht. Das Defizit im US-Handel mit dem Reich der Mitte allein macht mittlerweile rund zwei Drittel des gesamten Leistungsbilanzdefizits der USA in Höhe von etwa 500 Mrd. US-Dollar aus.
Das – nach China – zweithöchste Defizit im Außenhandel verzeichnen die USA im Güteraustausch mit Deutschland. Hier hat sich das US-Defizit seit dem Jahr 2000 immerhin verdreifacht, auf nunmehr knapp 80 Milliarden US-Dollar. Diese Tatsache allein hätte schon ausgereicht, um Nervosität auf Seiten der deutschen Ausfuhrwirtschaft aufkommen zu lassen. Dazu kommen nun noch Trumps aktuelle Vorwürfe gegen die deutschen Autobauer, die zu den fleißigsten Exporteuren in die Vereinigten Staaten gehören. Kein Wunder, dass die Alarmglocken in Deutschland nun schrillen.
Dabei steht Deutschland nicht nur im Handel mit den USA, sondern auch auf breiter internationaler Ebene schon länger wegen seiner hohen Leistungsbilanzüberschüsse in der Kritik. Im Jahr 2016 dürfte der gesamte Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz erstmals bei rund 275 Milliarden Euro gelegen haben. Das entspricht 8,8 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung und stellt nicht nur im internationalen Vergleich, sondern auch mit Blick auf die letzten 40 Jahre in Deutschland ein Rekordergebnis dar.
Stehen die Deutschen wegen ihrer hohen Überschüsse im Außenhandel zu Recht in der Kritik? Im Wesentlichen beruht das Plus in der deutschen Leistungsbilanz tatsächlich auf der Exportstärke der deutschen Industrie. Sie ist der wichtigste Grund, warum die deutsche Wirtschaft erheblich mehr Waren exportiert, als sie importiert, und der resultierende Überschuss in der Handelsbilanz ist zu rund 90 Prozent für das Plus in der umfassenderen Leistungsbilanz verantwortlich.
Nun war aber 2016 eigentlich kein sehr gutes Exportjahr für die deutschen Unternehmen, vor allem weil der Welthandel derzeit eine Durststrecke durchläuft und zuletzt kaum noch zulegen konnte. Dass der deutsche Handelsbilanzsaldo sich in den letzten zwei Jahren trotzdem noch einmal ausgeweitet hat, lag vor allem am Sinkflug der Energiepreise. Denn Öl und Gas sind seit 2013 auf dem Weltmarkt wesentlich günstiger geworden, und so hat sich die Rechnung für die deutschen Energieimporte in den letzten Jahren fast halbiert. Bereinigt man die deutsche Handelsbilanz um diesen Preiseffekt, so verschwindet die viel kritisierte Ausweitung des Saldos fast vollständig.
Dieses Argument zählt jedoch offensichtlich nicht, wenn Deutschland mit seinem hohen Leistungsbilanzüberschuss aktuell wieder einmal am Pranger steht. Internationaler Währungsfonds, OECD und EU-Kommission fordern von der deutschen Regierung Fiskalprogramme, um die deutsche Binnenkonjunktur anzufeuern und so die Importnachfrage anzuregen. Das könnte, so die Kalkulation, vor allem den europäischen Handelspartnern helfen, ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern.
Ungeeignete Instrumente
Wäre es also angebracht, dem Drängen der internationalen Organisationen nachzugeben und ein Fiskalprogramm auf die Beine zu stellen, auf dass Deutschland einen Importsog entfaltet, der der internationalen Konjunktur auf die Sprünge hilft? Die Antwort lautet aus mehreren Gründen nein. Zum einen wäre der Mehrzahl der Handelspartner mit einer stärkeren Binnenkonjunktur in Deutschland kaum geholfen. Denn Deutschland exportiert und importiert vor allem Investitionsgüter, und die Nachfrage nach Maschinen dürfte von einem Fiskalprogramm vermutlich nur in geringem Maße profitieren. Zum anderen ist die deutsche Wirtschaft auch nicht in einer Phase der Unterauslastung, in der ein fiskalpolitischer Stimulus wirksam sein könnte und so vielleicht noch eine gewisse Berechtigung hätte.
Die Produktionskapazitäten in Deutschland sind derzeit – ähnlich übrigens wie diejenigen in den Vereinigten Staaten – weitgehend ausgelastet. Würde ein steuer- oder ausgabenpolitischer Stimulus die Nachfrage noch deutlich anheizen, könnte dies zu einem inflationären Schub führen, während den europäischen und transatlantischen Handelspartnern kaum geholfen wäre. Dieses Szenario kann sich eigentlich niemand wünschen, es würde vor allem den Euro-Raum und die Europäische Zentralbank in ein noch größeres Dilemma stürzen.
Auch Strafzölle – wie sie nun von US-Seite ins Spiel gebracht werden – stellen sicherlich kein geeignetes Instrument dar, um die Ungleichgewichte im internationalen Handel zu bekämpfen. Ronald Reagan, der in mancherlei Hinsicht ein Vorbild für den neuen US-Präsidenten zu sein scheint, hat dies Anfang der 80er Jahre schon einmal versucht. Damals sollte das exportstarke Japan getroffen werden, das der US-Autoindustrie das Leben schwer machte.
Letztlich führte die Wirtschaftspolitik Reagans jedoch nicht zu einer Verbesserung, sondern zu einer erheblichen Verschlechterung der US-Leistungsbilanz. Während sie zu Amtsantritt im Jahr 1981 noch ein leichtes Plus von 5 Milliarden US-Dollar aufwies, türmte sich kurz vor Ende seiner Regierungszeit im Jahr 1987 ein Defizit von mehr als 160 Milliarden Dollar oder 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Vor allem der starke Dollar und die mit Fiskalpaketen angefeuerte US-Binnenkonjunktur sorgten für einen Importsog, dem mit protektionistischen Mitteln nicht beizukommen war. Es sieht heute so aus, als könnte Trump in dieselbe Falle tappen. Zu bedenken ist nur, dass er im Gegensatz zu Reagan bereits mit einem Defizit in Höhe von etwa drei Prozent der Wirtschaftsleistung startet.