Wirtschaft im Weitwinkel

Warum Helikoptergeld mehr schadet als hilft

Zunehmend wird diskutiert, ob Helikoptergeld eine reale Handlungsoption der Europäischen Zentralbank (EZB) wird. Hoffentlich nicht, denn langfristig wäre die Wirkung gleich Null.

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EZB Frankfurt Quelle: dpa

Was bitte ist Helikoptergeld? Ganz einfach: Geld, das vom Himmel regnet. Gemeint ist damit die Idee, dass die Zentralbank ihr Geld direkt an die Bürger verschenkt. Hört sich wie ein Aprilscherz an, ist aber durchaus ernst gemeint. Die Idee hierzu geht zurück auf den US-Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman. 1969 diskutierte Friedmann was wohl geschähe, wenn eine Zentralbank das von ihr gedruckte Geld in einen Helikopter laden und über den Menschen abwerfen würde. Friedman war überzeugt, dass die Bürger das Geld für zusätzlichen Konsum nutzen würden. Es würden also die Konjunktur und die Inflation ankurbeln.

Bis heute hat keine Zentralbank ausprobiert, ob diese Idee auch in der Wirklichkeit funktioniert. Doch das kann sich ändern. Denn nach all den geldpolitischen „Innovationen“, die wir zuletzt gesehen haben, wird inzwischen auch darüber diskutiert, ob nicht das Helikoptergeld eine reale Option für die Europäische Zentralbank (EZB) sei.  

Im Grunde handelt es sich beim Helikoptergeld lediglich um eine radikalere Variante der Geldpolitik, die die EZB mit dem aktuellen Staatsanleihen-Kaufprogramm ohnehin bereits betreibt. Zusätzliches Geld soll die Liquidität im Wirtschaftssystem erhöhen. Es soll ausgegeben werden und so die Nachfrage antreiben und nachfolgend die Inflation in Richtung zwei Prozent bringen.

Der Unterschied zwischen Helikoptergeld und dem laufenden Anleihekaufprogramm ist, dass man mit Helikoptergeld das Bankensystem umgeht. Mit den Anleihekäufen wird im ersten Schritt lediglich die Liquidität im Bankensystem erhöht. Die erwünschten Folgewirkungen haben bisher auf sich warten lassen. Selbst im Verbund mit Null-Zinsen hat die Zusatzliquidität die Kreditvergabe nicht massiv stimuliert, es entstand nicht merklich mehr gesamtwirtschaftliche Nachfrage, nicht mehr Wachstum, und die Inflationsrate ist auch nicht angestiegen. Über die Erhöhung der Bankenliquidität hinaus ist wenig passiert. Die „Transmissionsmechanismen“, die darauf folgen sollten, haben nicht gegriffen. Dies liegt aber hauptsächlich an der sehr zurückhaltenden Kreditnachfrage der Unternehmen und nicht am Kreditangebot der Banken.

Geld zum Bürger

Die Enttäuschung über die schwache Wirkung des Staatsanleihen-Kaufprogramms dürfte der Grund dafür sein, dass jetzt das Helikoptergeld diskutiert wird. Denn hier landet die zusätzliche Liquidität direkt bei den Bürgern anstatt erst einmal bei den Banken. Und sie kann dann auch nicht bei den Banken hängen bleiben – oder doch?

Was Analysten für das Anlagejahr 2016 erwarten
Deutsche Bank Quelle: REUTERS
Deka BankDie Fondsspezialisten der Sparkassen erwarten, dass der Goldpreis im kommenden Jahr deutlich unter die kritische Marke von 1000 Dollar fallen wird. S&P 500: 2000 Punkte Nikkei: 17000 Punkte Gold: 960 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre: 1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,9 Prozent Quelle: dpa
PostbankIm Gegensatz zur Deka Bank ist die Postbank beim Goldpreis etwas optimistischer. Ein möglicher Impuls kommt von der Schmucknachfrage, da die Konjunktur in Indien zuletzt deutlich besser lief als erwartet. S&P 500: 2250 Punkte Nikkei: 21750 Punkte Gold: 1100 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10 Jahre: 1,0 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,75 Prozent Quelle: dpa
Berenberg BankDeutschlands älteste Privatbank ist im Vergleich zur Konkurrenz vergleichsweise optimistisch, was den Euro angeht. S&P 500: 2200 Punkte Gold: 1150 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1,15 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre Rendite: 1,1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,8 Prozent Quelle: obs
SantanderS&P 500: 2250 Punkte Gold: 1050 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10-jährige: 0,9 Prozent US-Treasury Rendite 10-jährige: 2,75 Prozent Quelle: AP
Credit Suisse Quelle: REUTERS
Commerzbank Quelle: dpa

Im ungünstigsten Fall würden die Bürger das in ihrem Vorgarten oder auf ihrem persönlichen Bankkonto vorgefundene neue Geld achselzuckend ignorieren, also unter dem Kopfkissen oder auf dem Bankkonto liegen lassen. Dann wäre die Wirkung wieder lediglich eine Erhöhung der Liquidität, und sonst nichts. Im günstigeren Fall würden sie es dankend annehmen und sofort ausgeben. Aber da es sich um ein einmaliges Geschenk handelt, bedeutet das nicht wirklich eine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Die Anbieter von Gütern oder Dienstleistungen, die in den Genuss der Ausgaben kommen, haben keinen Grund, ihre Produktion zu erhöhen und keinen Grund, höhere Preise zu verlangen. Denn nach dem einmaligen Ausgabenschub ist ja alles schon wieder vorbei.

Politik, die auf Dauer nicht gut geht

Um überhaupt eine Chance auf Wirksamkeit zu haben, müsste das Helikoptergeld dauerhaft niederregnen. Dann wäre vorstellbar, dass Konsumenten ihre Einkommenssituation günstiger als vorher einschätzen und dauerhaft ihre Konsumausgaben erhöhen. Die Produzenten könnten darauf teils mit einer Erhöhung ihrer Produktion, teils mit Preiserhöhungen reagieren – also durchaus im Sinne der ursprünglichen Absicht.

Wahrscheinlicher ist aber ein anderer Ausgang. Nämlich der, dass die Bürger endlich restlos davon überzeugt würden, dass der Zentralbank die geldpolitischen Mittel ausgehen und es sich bei dem Geldregen um ein verzweifeltes letztes Mittel handelt. Nicht nur ökonomisch Gebildeten dürfte bewusst sein, dass Wachstumspolitik mittels regelmäßiger Geldgeschenke, also mittels Vermehrung des Geldes, auf Dauer nicht gut gehen kann. Die Inflationserwartungen könnten also sehr schnell und sehr stark ansteigen – ohne dass dies mit irgendeiner realen Wachstumswirkung verbunden wäre. Der Verlust des Vertrauens in die Werthaltigkeit des Geldes könnte zu einer Flucht in vermeintlich sichere Anlageformen führen – von ausländischen Währungen über Edelmetalle oder Immobilien bis zu alternativen Währungen wie Bitcoins ist hier fast alles vorstellbar. Die Inflation würde steigen – aber wohl kaum nur bis „nahe bei zwei Prozent“. Und spätestens dann würde man sich daran erinnern, dass das Ziel der Europäischen Zentralbank nicht „Inflation“, sondern „Geldwertstabilität“ heißt.

Das Risiko ist sehr hoch, dass auch das Instrument des Helikopter-Geldes kaum wirkt oder schnell an Wirkung verliert. Im Gegenteil, die einzig bleibende Wirkung könnte ein massiver Vertrauensverlust in den Euro und die Institutionen des Euroraums sein.

Müssen wir nun dennoch damit rechnen, dass das Helikoptergeld kommt? Völlig ausschließen sollte man es nicht. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass die EZB bereit ist sehr extreme Geldpolitische Instrumente einzusetzen, um ihre Ziele zu erreichen.

Praktisch wird es aber auf jedenfalls sehr schwierig werden, dass die Zentralbank Geld direkt an die Bürger verteilen, ohne dass es dabei zu groben Ungerechtigkeiten und zahllosen rechtlichen Problemen käme. Wenn die Geldverteilung nicht über die Banken abgewickelt werden soll, dann bestünde der einzige einigermaßen ordnungsgemäße Weg darin, das Geld dem Staat zu schenken. Dieser würde es dann über das Steuersystem oder als Sozialleistungen an die Bürger weitergeben. Jedoch wäre dies direkte Staatsfinanzierung, was der EZB bislang verboten ist.

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