Herr Behravesh, ist der Einbruch des Ölpreises Fluch oder Segen?
Nariman Behravesh: Das kommt natürlich drauf an, aus welcher Perspektive Sie den Absturz des Rohölpreises sehen. Es gibt Gewinner und Verlierer. Russland, Venezuela oder der Iran zählen ganz klar zu Letzteren. Alle Industrienation hingegen profitieren immens. Der niedrige Ölpreis wirkt hier stark wachstumsfördernd.
Deutschland ist so eine Industrienation.
Ja, Deutschland profitiert ungemein von den niedrigen Ölpreisen. Fast alle Branchen, die Automobilindustrie, die Zulieferer, der Maschinenbau, die Fluglinien werden bessere Geschäfte machen. Hinzu kommt nun auch, dass der Franken – die Schweizer Wirtschaft ist einer der wenigen Konkurrenten des deutschen Mittelstandes – enorm aufgewertet hat und somit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz leidet. Auch der Fall des Euros gegenüber dem US-Dollar hilft beim Absatz auf dem großen US-Markt. Deutschland gehört bislang zu den Glückspilzen 2015.
Zur Person
Nariman Behravesh ist Chefvolkswirt des US-amerikanischen Wirtschaftsforschungsinstituts IHS. Der Ökonom leitet ein Team von 400 Experten und zählt laut Bloomberg zu den besten seines Fachs. Behravesh lebt in New York.
Wie sieht Ihre Wachstumsprognose für Deutschland für dieses Jahr aus?
Deutschland wird – so schätzen wir bei IHS – um 1,6 Prozent wachsen. Neben den oben genannten Gründen glauben wir, dass auch der Binnenkonsum weiter steigen wird. Schließlich sorgt der niedrige Ölpreis dafür, dass die Leute weniger an der Tankstelle und fürs Heizen zahlen müssen und mehr Geld im Portemonnaie haben.
Dafür, dass Sie so euphorisch waren und Deutschland als Glückspilz bezeichnet haben, hören sich 1,6 Prozent Wachstum nun nicht gerade berauschend an.
Das liegt weniger an Deutschland, als an seinen Nachbarn. Die Euro-Zone wächst in diesem Jahr um 1,4 Prozent. Deutschland macht die meisten Geschäfte mit den Ländern der Währungsunion. Solange die nicht boomen, und dafür sehe ich trotz der EZB-Geldpolitik keine Anzeichen, wird auch das deutsche Wachstum nicht explodieren.
Die EZB hat Ende Januar eine geldpolitische Lockerung beschlossen (das so genannte Quantitative Easing, kurz: QE) und wird künftig monatlich für 60 Milliarden Euro Anleihen kaufen. Ein richtiger Schritt?
Die USA haben QE gemacht, Großbritannien und Japan ebenfalls. Es ist nur folgerichtig, dass nun auch Europa folgt – zumal es in allen drei Ländern geholfen hat. Der Ankauf von Staatsanleihen wird auch in Europa für Wachstum sorgen. Ich halte es also für einen richtigen und notwenigen Schritt. Denn vergessen Sie nicht: Wir haben eine negative Preisentwicklung in einigen Ländern in Südeuropa. Die EZB kann nicht zulassen, dass dieser Trend weitergeht und wir eine Deflation erleben werden. Die Notenbank verhindert also das Schlimmste. Man sollte aber durch QE auch keinen Wachstumsschub erwarten.
„Italien, Frankreich und Griechenland machen Sorgen“
Wieso nicht?
Weil die Probleme der Euro-Zone zu vielseitig sind und nicht durch billiges Geld gelöst werden können. Es herrscht noch immer in vielen Ländern ein Reformstau; es wird gehadert und gebangt. Die Arbeitsmärkte sind zu starr, Branchen zu festgezurrt. Eine Lockerung hier sorgt für Wachstum und Perspektiven, nicht die Lockerung der Geldpolitik.
Welches ist das größte Euro-Sorgenkind?
Ich bin kein Freund von Superlativen. Ich kann nur sagen, dass ich mir vor allem um Italien, Frankreich und natürlich auch um Griechenland Sorgen mache.
Dann gehen wir die Länder einzeln durch. Was muss in Italien besser werden?
Die Produktivität. Das Problem besteht seit Jahren, wennn nicht sogar seit Jahrzehnten. Viele Unternehmen sind weit davon entfernt, ausgelastet zu sein, sie sind zudem technisch nicht auf dem neuesten Stand, weil Investitionen in moderne Anlagen versäumt wurden. Italien braucht eine Erneuerung der Produktionsstätten und sicher auch Innovationen. Das Schuldenproblem, das oft genannt wird, sehe ich als höchstens zweitrangig an. Der Staat ist hoch verschuldet, ja. Aber die meisten Gläubiger kommen aus dem Inland.
Konjunkturindikatoren
Der vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) herausgegebene Index beruht auf der Befragung von 350 Analysten und Finanzmarktexperten. Sie geben dabei ihre Einschätzung über die künftige Wirtschaftsentwicklung ab. Der Index zur mittelfristigen Konjunkturentwicklung ergibt sich aus der Differenz der positiven und negativen Erwartungen über die künftige Wirtschaftsentwicklung. Er wird zur Monatsmitte erhoben.
Der international beachtete Index basiert auf einer Befragung von etwa 7000 Unternehmen aus Bau, Einzelhandel und Industrie. In einem Fragebogen beurteilen sie ihre gegenwärtige Geschäftslage sowie die Erwartungen für die Zukunft. Beide werden im Geschäftsklima zusammengefasst. Der Index ergibt sich aus dem Saldo der Antworten „gut“ und „schlecht“.
Wird von der britischen Forschergruppe Markit erhoben. Er beruht für Deutschland auf Umfragen unter Einkaufsmanagern von 500 repräsentativ ausgewählten deutschen Industrieunternehmen. Bestandteile des Index sind Auftragseingänge, Preise und Beschäftigung. Der Index hat einen relativ kurzen Vorlauf gegenüber der Produktion.
Umfasst den Bargeldumlauf und die Sichteineinlagen, wie zum Beispiel Sparbücher. Da die in M1 enthaltenen Bestandteile direkt für Transaktionen zur Verfügung stehen, deutet ein Anstieg darauf hin, dass die Kaufbereitschaft der Konsumenten und Unternehmen steigt. Der Indikator hat einen Vorlauf von zwei bis drei Quartalen.
Der BDI ist ein Preisindex für die Verschiffungskosten wichtiger Rohstoffe wie Stahl, Eisenerz, Kohle und Getreide auf Standardrouten. Er wird durch das Angebot an frei stehendem Schiffsladeraum und die Hafenkapazitäten beeinflusst. Da Rohstoffe als Vorprodukte am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, ist der BDI ein guter Frühindikator für die Weltkonjunktur.
Der Index des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK prognostiziert die Veränderung der monatlichen privaten Konsumausgaben. Hierfür werden 2000 repräsentativ ausgewählte Personen nach ihren Einkommens- und Konjunkturerwartungen befragt.
Woran krankt Frankreich?
An Reformmüdigkeit. Die Regierungen habe einfach nicht genug gemacht. Es herrscht kein wirtschaftsfreundliches Klima. Bestes Beispiel: Versuchen Sie einmal in Paris am Sonntag einkaufen zu gehen. Es ist eine Weltstadt voller Touristen – aber die Läden sind dicht! Es gibt wenig Wettbewerb, wenig Gründergeist – kurzum: es bewegt sich nichts.
Der französische Präsident Francois Hollande hat angekündigt, den Reformkurs mit neuer Kraft wieder aufnehmen zu wollen.
Puh, ich weiß nicht, ob das gelingt. Er hat viel versprochen, aber wenig gehalten bisher. Ich hoffe, ich werde eines Besseren belehrt und Frankreich erneuert sich unter Hollande. Aber bisher wirkt Hollande auf mich sozialistisch und uninspiriert.
Sozialistisch ist auch der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras. Wie bewerten Sie die Lage in Griechenland?
Unverändert schlecht. Das Land ist kaum wettbewerbsfähig. Aber: Niemand hat ein Interesse an einem Grexit, also dem Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Raum. Es war absehbar, dass Tsipras und die Euro-Zone nicht bei ihren Maximalforderungen geblieben sind und einen Deal gesucht haben, der Griechenland im Euro-Raum belässt und der beiden Seiten hilft, das Gesicht zu wahren.
Die zehn wettbewerbsfähigsten Länder der Welt
Unter den Top 10 der wettbewerbsfähigsten Ländern befinden sich gleich drei skandinavische Staaten. Den Anfang macht Norwegen auf Rang 10. Damit verliert das Land im Vergleich zum Vorjahr vier Plätze. Nahezu unschlagbar ist Norwegen in den Punkten gesellschaftliche Rahmenbedingung, Produktivität und Effizienz, sowie politischer Stabilität. Doch die Steuerlast und die Einkommen sind sehr hoch. Das macht es für Unternehmen in dem Land schwer, konkurrenzfähige Preise zu bieten.
Neu vertreten unter den zehn wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt ist Dänemark. Die Skandinavier klettern um drei Plätze nach oben. Das Land weist die geringste soziale Ungleichheit auf (Rang eins beim Gini-Index), kennt das Wort Korruption praktisch nicht (Rang eins) und hat einen äußerst flexiblen Arbeitsmarkt (Rang zwei). Auf der Negativseite steht die hohe Besteuerung von Konsumgütern (Rang 49) und dem Einkommen (Rang 59) .
Auch die Vereinigten Arabischen Emirate verteidigen ihren Platz in den Top 10. Von Platz 16 im Jahr 2012 ging es 2013 und 2014 hoch auf Rang acht. Die Emirate gelten als der Knotenpunkt für Tourismus, Handel und Luftfahrt. Im Ranking punkten die Arabischen Emirate besonders mit den Unternehmenssteuern (Platz eins im weltweiten Vergleich), den Umsatzsteuern (Platz eins), der Einkommenssteuer (Platz eins), den Sozialversicherungsbeiträgen, der Bürokratie und dem Altersdurchschnitt der Gesellschaft. Auch beim Image, der Erfahrung und der Bereitschaft, ausländische Fachkräfte anzuheuern, kann das Land punkten. Mau sieht es dagegen mit der Beschäftigungsrate von Frauen aus.
Kanada festigt den siebten Platz. Das Land gilt wegen seiner Facharbeiter, der politischen Stabilität, dem hohen Bildungslevel, der guten Infrastruktur und dem unternehmerfreundlichen Umfeld als besonders attraktiv für Unternehmen.
Gleich drei Ränge nach oben geht es für Deutschland. Der positive Trend setzt sich damit fort. Berlin belegte im Jahr 2007 noch Rang 16. Besonders gut steht Deutschland unter anderem bei der Jugendarbeitslosigkeit (weltweit Rang fünf), Export (weltweit Rang drei) und der Diversifizierung der Wirtschaftstätigkeit (Rang zwei) da. Auch bei Ausbildung und Lehre (Platz eins), Fortbildungen (Platz zwei), Produktivität der Arbeitskräfte und kleinen und mittelständischen Unternehmen (jeweils Platz eins) macht Deutschland keiner etwas vor. Bei Sozialversicherungsbeiträgen (Rang 54), Arbeitsstunden (Rang 53) oder dem Ausbau von Highspeed-Breitband (Rang 53) kann Deutschland noch etwas lernen.
Schweden kommt in dem internationalen Vergleichsranking als zweitbeste europäische Nation auf einen guten fünften Platz. 2013 hatte es zwar noch für Rang vier gereicht, dennoch ist das nordische Land optimal für den globalen Wettbewerb aufgestellt - ganz anders als etwa 2007, als das Land nur Platz 19 belegte. Besonders in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung, Management und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist das skandinavische Land unschlagbar. Auch die Produktivität der Firmen und das Finanz-Know-How sind weltspitze.
Um einen Platz nach unten geht es für die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong. 2012 hatte es die chinesische Metropole noch auf Platz eins geschafft. Unternehmen aus aller Welt schätzen Hongkong besonders wegen der attraktiven und wettbewerbsfähigen Besteuerung der Unternehmen, dem wirksamen Rechtssystem, der unternehmerfreundlichen Umgebung, der verlässlichen Infrastruktur und der dynamischen Wirtschaftsentwicklung. Ganz gut steht Hongkong auch bei der Höhe der Steuersätze für die Bürger, dem Bank- und Finanzsektor sowie den Direktinvestitionen da.
Vom fünften auf den dritte Platz geht in diesem Jahr für Singapur. Das asiatische Land wird von Unternehmen wegen seiner kompetenten Regierung, der verlässlichen Infrastruktur, dem wirksamen Rechtssystem und dem stabilen politischen System sowie seiner Unternehmerfreundlichkeit geschätzt.
Der zweite Platz geht - wie im Vorjahr - an die Schweiz. Der kleine Alpenstaat mit seinen nur rund acht Millionen Einwohnern punktet besonders mit sehr gut ausgebildeten Fachkräften und hohen wissenschaftlichen Standards. Unternehmen aus aller Welt schätzen die politische Stabilität in der Schweiz genauso wie die gut ausgebildeten Arbeitskräfte vor Ort, die hohe Bildung, die herrschenden Steuersätze und die verlässliche Infrastruktur.
Die wirtschaftlich stärkste und wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Zu diesem Ergebnis kommt das IMD World Competitiveness Center in seiner aktuellen Vergleichsstudie. Demnach punktet die US-Amerikaner mit einer dynamische Wirtschaft, qualifizierten Arbeitskräften, den guten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, sowie den starken Fokus auf Forschung und Entwicklung.
Die allgemeine Wahrnehmung ist aber doch: Griechenland ist eingeknickt.
Europa hatte von Anfang an die besseren Karten in der Hand, von daher musste Tsipras von seinen Forderungen abrücken und Bereitschaft signalisieren, Reformen umzusetzen. Griechenland hat in der Vergangenheit viele Fehler gemacht. Die geringen Zinsen, die die Griechen bei der Schuldenaufnahme nach dem Euro-Beitritt zahlen mussten, wurden nicht genutzt: Statt sich zu modernisieren, wurden die Gehälter, auch im Staatsdienst massiv angehoben, die Produktivität ist gefallen. Nun zahlen die Griechen den Preis. Und das noch lange Zeit. Es gibt kein gutes Szenario für Griechenland. Die Lage wird sich zeitnah nicht ändern, egal, ob die Wähtung Euro heißt oder Drachme. Die Frage ist nur, welches Szenario – Euro-Erhalt oder Grexit – schlimmer ist. Und da ist klar: Ein Ausstrieg wäre horrend. Griechenland würde kein Geld mehr bekommen, weder vom Markt noch von EZB oder IWF. Das Land wäre am Boden. Das weiß auch Alexis Tsipras.
„Fracking ist und bleibt attraktiv“
Zurück zum Ölpreis. Sie haben klar benannt, wer die Verlierer sind – Russland, Venezuela – und wer die Gewinner, etwa Deutschland. Auf welcher Seite würden Sie die USA einordnen?
In den Vereinigten Staaten gibt es Gewinner und Verlierer des niedrigen Ölpreises. Die großen Rohstoffkonzerne leiden sicher, haben aber nur einen Anteil von zwei Prozent an der Wirtschaftsleistung. Zu 70 Prozent sind die USA vom Konsum abhängig – und der dürfte kräftig wachsen. Aufgrund des niedrigen Ölpreises haben die Bürger mehr Geld in der Tasche und werden shoppen. Es ist also eindeutig, dass die Vorteile die Nachteile deutlich überwiegen...
Meilensteine der Ölpreisentwicklung
Die ersten gewinnbringenden Erdölbohrungen finden Mitte des 19. Jahrhunderts statt. In dieser Zeit entstehen auch die ersten Raffinerien. Bis 1864 steigt der Ölpreis auf den Höchststand von 8,06 Dollar pro Barrel (159 Liter); inflationsbereinigt müssen damals im Jahresdurchschnitt 128,17 US-Dollar gezahlt werden. In den folgenden Jahrzehnten bleibt der Preis auf einem vergleichsweise niedrigen Level, fällt mitunter sogar, bedingt etwa durch den Erfolg der elektrischen Glühlampe, durch die Öl im privaten Haushalt nicht mehr zur Beleuchtung nötig ist.
Mit dem Erfolg des Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts steigt die Öl-Nachfrage rasant; speziell in den USA, wo der Ford Modell T zum Massenprodukt wird. 1929 fahren insgesamt 23 Millionen Kraftfahrzeuge auf den Straßen. Der Verbrauch liegt 1929 in den Staaten bei 2,58 Millionen Fass pro Tag, 85 Prozent davon für Benzin und Heizöl. Die Preise bleiben allerdings weiter unter fünf Dollar pro Fass (nicht inflationsbereinigt), da auch mehr gefördert wird.
In den 30er Jahren kommt die Große Depression, die Unternehmenszusammenbrüche, Massenarbeitslosigkeit, Deflation und einen massiven Rückgang des Handels durch protektionistische Maßnahmen zur Folge hat. Während der Weltwirtschaftskrise verringert sich die Nachfrage nach Erdöl und der Preis sinkt auf ein historisches Tief. 1931 müssen bloß noch 0,65 Dollar pro Barrel gezahlt werden (inflationsbereinigt etwa zehn US-Dollar). So billig sollte das schwarze Gold nie wieder sei.
Nachdem sich die Weltkonjunktur erholt hat, steigt der Preise für Öl wieder, bleibt aber konstant unter fünf Dollar pro Barrel. Für die Jahre zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Ölkrise im Herbst 1973 spricht man deshalb vom „goldenen Zeitalter“ des billigen Öls.
In den 70er und 80er Jahren kommt der Ölpreis in Bewegung. Als die Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) nach dem Krieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarn im Herbst 1973 die Fördermengen drosselt, um politischen Druck auszuüben, vervierfacht sich der Weltölpreis binnen kürzester Zeit. Zum Ende des Jahres 1974 kostet ein Barrel über elf Dollar (inflationsbereinigt fast 55 US-Dollar). Dies bekommen auch Otto-Normal-Bürger zu spüren: In Deutschland bleiben sonntags die Autobahnen leer, in den USA bilden sich Schlangen vor den Tankstellen.
Während der zweiten Ölkrise in den Jahren 1979/1980 zieht der Ölpreis nach einem kurzfristigen Rückgang weiter an. Ausgelöst wird dies im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Islamischen Revolution. Nach dem Angriff Iraks auf Iran und dem Beginn des Ersten Golfkrieg explodieren die Preise regelrecht. Auf dem Höhepunkt im April 1980 kostet ein Barrel 39,50 Dollar (inflationsbereinigt 116 Dollar).
Die 80er und 90er Jahre sind – abgesehen von dem kurzzeitigen Anstieg verursacht durch den Zweiten Golfkrieg – eine Phase niedriger Ölpreise. Die Industriestaaten befinden sich in einer Rezession und suchten aufgrund vorhergehenden Ölkrisen mit besonders hohen Preisen nach alternativen Energiequellen. Weltweit gibt es Überkapazitäten. Während der Asienkrise 1997/1998 sinkt die Nachfrage weiter. Ende des Jahres 1998 werden 10,65 Dollar pro Barrel verlangt.
Nach Überwindung der Krise wachsen die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell. Selbst die Anschläge auf das World Trade Center 2001 sorgen nur für einen kurzen Rücksetzer. Anfang 2008 steigt der Ölpreis erstmals über 100 US-Dollar je Barrel, Mitte des Jahres sogar fast auf 150 Dollar. Ein Grund für den Preisanstieg wist der Boom des rohstoffhungrigen China, mittlerweile zweitgrößter Verbraucher der Welt.
Die globale Finanzkrise und eine schwächelnde Konjunktur sorgen für einen Rückgang der Nachfrage. Gleichzeitig bleibt das Angebot durch die massive Förderung in den USA (Fracking) hoch. Die Folge: Der Ölpreis bricht ein. Ab Sommer 2014 rutscht der Preis für Brentöl innerhalb weniger Monate um rund 50 Prozent auf 50 Dollar. Erst im Februar 2015 erholte sich der Ölpreis leicht und schwankt um die 60 Dollar je Barrel.
Im Mai 2015 hatten sich die Ölpreise zwischenzeitlich erholt. Die Sorte Brent erreichte mit einem Preis von 68 US-Dollar je Barrel ein Jahreshoch. Von da aus ging es bis September des Jahres wieder steil bergab auf 43 Dollar. Nach einer Stabilisierung zwischen September und November nahm der Ölpreis seine wieder Talfahrt auf. Am 15. Januar hat der Ölpreis die 30-Dollar-Marke unterschritten.
... und die USA kräftig wachsen werden?
Ja, die USA sind in einer robusten Verfassung. Der Arbeitsmarkt hat sich zuletzt so positiv entwickelt wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die Erholung ist flächendeckend angekommen. Und so sorgen mehr Jobs für mehr Konsum – und mehr Konsum ist gleich mehr Wachstum. Wir glauben, dass die USA um drei bis 3,5 Prozent wachsen werden.
Wird auch die Fracking-Industrie in den USA weiter wachsen – oder ist der Boom durch den niedrigen Ölpreis bereits vorbei?
Fracking in den USA wird weiter wachsen. Im Moment ist das Tempo ein bisschen raus. Aber es ist nicht so, dass die Unternehmen kein Geld verdienen. Im Gegenteil. Unsere Energieexperten sagen, dass die magische Grenze bei 49 US-Dollar pro Barrell liegt. Sobald der Ölpreis über dieser Marke liegt, wird in den USA mit Fracking Geld verdient. Die Technologie wird zudem durch einen zweiten Aspekt weiter attraktiv bleiben. Es ist viel günstiger, in Fracking zu investieren als in andere Ölfördermethoden, etwa in Offshore-Anlagen.
Was bedeutet das für den Ölpreis? Wie wird er sich in den kommenden Monaten entwickeln?
Der Ölpreis wird langsam steigen, aber nicht so dramatisch wie einige hoffen. Die Untergrenze beim Rohöl sehen wir bei 48 US-Dollar pro Barrel. Von diesem Niveau aus wird sich der Ölpreis - wie in den vergangenen Wochen - langsam entwickeln und in den kommenden Monaten im Durchschnitt bei 62 US-Dollar liegen.
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