Wirtschaftsausblick „Amerika boomt, Europa hadert“

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„Italien, Frankreich und Griechenland machen Sorgen“

Wieso nicht?

Weil die Probleme der Euro-Zone zu vielseitig sind und nicht durch billiges Geld gelöst werden können. Es herrscht noch immer in vielen Ländern ein Reformstau; es wird gehadert und gebangt. Die Arbeitsmärkte sind zu starr, Branchen zu festgezurrt. Eine Lockerung hier sorgt für Wachstum und Perspektiven, nicht die Lockerung der Geldpolitik.

Welches ist das größte Euro-Sorgenkind?

Ich bin kein Freund von Superlativen. Ich kann nur sagen, dass ich mir vor allem um Italien, Frankreich und natürlich auch um Griechenland Sorgen mache.

Dann gehen wir die Länder einzeln durch. Was muss in Italien besser werden?

Die Produktivität. Das Problem besteht seit Jahren, wennn nicht sogar seit Jahrzehnten. Viele Unternehmen sind weit davon entfernt, ausgelastet zu sein, sie sind zudem technisch nicht auf dem neuesten Stand, weil Investitionen in moderne Anlagen versäumt wurden. Italien braucht eine Erneuerung der Produktionsstätten und sicher auch Innovationen. Das Schuldenproblem, das oft genannt wird, sehe ich als höchstens zweitrangig an. Der Staat ist hoch verschuldet, ja. Aber die meisten Gläubiger kommen aus dem Inland.

Konjunkturindikatoren

Woran krankt Frankreich?

An Reformmüdigkeit. Die Regierungen habe einfach nicht genug gemacht. Es herrscht kein wirtschaftsfreundliches Klima. Bestes Beispiel: Versuchen Sie einmal in Paris am Sonntag einkaufen zu gehen. Es ist eine Weltstadt voller Touristen – aber die Läden sind dicht! Es gibt wenig Wettbewerb, wenig Gründergeist – kurzum: es bewegt sich nichts.

Der französische Präsident Francois Hollande hat angekündigt, den Reformkurs mit neuer Kraft wieder aufnehmen zu wollen.

Puh, ich weiß nicht, ob das gelingt. Er hat viel versprochen, aber wenig gehalten bisher. Ich hoffe, ich werde eines Besseren belehrt und Frankreich erneuert sich unter Hollande. Aber bisher wirkt Hollande auf mich sozialistisch und uninspiriert.

Sozialistisch ist auch der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras. Wie bewerten Sie die Lage in Griechenland?

Unverändert schlecht. Das Land ist kaum wettbewerbsfähig. Aber: Niemand hat ein Interesse an einem Grexit, also dem Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Raum. Es war absehbar, dass Tsipras und die Euro-Zone nicht bei ihren Maximalforderungen geblieben sind und einen Deal gesucht haben, der Griechenland im Euro-Raum belässt und der beiden Seiten hilft, das Gesicht zu wahren.

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Die allgemeine Wahrnehmung ist aber doch: Griechenland ist eingeknickt.

Europa hatte von Anfang an die besseren Karten in der Hand, von daher musste Tsipras von seinen Forderungen abrücken und Bereitschaft signalisieren, Reformen umzusetzen. Griechenland hat in der Vergangenheit viele Fehler gemacht. Die geringen Zinsen, die die Griechen bei der Schuldenaufnahme nach dem Euro-Beitritt zahlen mussten, wurden nicht genutzt: Statt sich zu modernisieren, wurden die Gehälter, auch im Staatsdienst massiv angehoben, die Produktivität ist gefallen. Nun zahlen die Griechen den Preis. Und das noch lange Zeit. Es gibt kein gutes Szenario für Griechenland. Die Lage wird sich zeitnah nicht ändern, egal, ob die Wähtung Euro heißt oder Drachme. Die Frage ist nur, welches Szenario – Euro-Erhalt oder Grexit – schlimmer ist. Und da ist klar: Ein Ausstrieg wäre horrend. Griechenland würde kein Geld mehr bekommen, weder vom Markt noch von EZB oder IWF. Das Land wäre am Boden. Das weiß auch Alexis Tsipras.

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