Wirtschaftswissenschaft Robert Mundell - Der Pate unter den Ökonomen

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Wunderwaffe Geldpolitik

EZB Quelle: dpa

Bei flexiblen Wechselkursen, wie sie heute üblich sind, kehrt sich das Bild um: Die Fiskalpolitik verliert ihre Kraft. Wenn der Staat mehr Geld ausgibt, muss er sich verschulden. Die Nachfrage nach Krediten und damit auch die Zinsen steigen. Renditehungriges Kapital fließt ins Land, treibt den Wechselkurs nach oben und verschlechtert die Exportchancen der Unternehmen. Für die Ankurbelung der Wirtschaft ist nichts gewonnen – aber die Staatskassen sind leer.

Eine Wunderwaffe kann laut Mundell bei flexiblen Wechselkursen hingegen die Geldpolitik sein. Druckt die Zentralbank mehr Geld, drückt das erhöhte Liquiditätsangebot den Zins. Der niedrige Zins macht auch kreditfinanzierte Investitionen mit geringeren Renditen attraktiv, das belebt die Wirtschaft. Darüber hinaus fließt Kapital ab, die Währung wertet ab, der Export wird zusätzlich angekurbelt. Genau diesen Weg beschreiten gerade heute die großen Notenbanken Fed, EZB und Bank of Japan. Mundell hat allerdings lange ignoriert, dass eine ausufernde Geldpolitik langfristig Inflation erzeugt und so das Wachstum gefährdet. Das sah er erst später ein.

Nach mehreren kürzeren Lehraufträgen arbeitete Mundell von 1966 bis 1971 als Professor in Chicago, wo damals Koryphäen des Fachs wie Milton Friedman, Gary Becker und Ronald Coase forschten. Mundell war bei seinen Studenten für seinen ungewöhnlichen Lehrstil bekannt. Er beschrieb mit leiser Stimme ein Problem, für dessen Lösung er dann die jungen Ökonomen Modelle basteln ließ. Die Studenten hatten Spaß an seinen Vorlesungen, die alles andere als Frontalunterricht waren, genossen seine pädagogischen Fähigkeiten aber eher mit Vorsicht. „Lass dir von Bob einen Einfall geben, aber schreib deine Abschlussarbeit lieber bei einem anderen“, so lautete ein einschlägiger Ratschlag auf dem Campus.

Input für Reagan

In den Achtzigerjahren beriet Mundell den damaligen Präsidenten Ronald Reagan und empfahl ihm einen Cocktail aus straffer Geldpolitik, um die Inflation zu kontrollieren, und sinkenden Steuern. Mit seinem Kollegen an der Universität Chicago, Arthur Laffer, entwarf er die Laffer-Kurve, die heute in kaum einem VWL-Lehrbuch fehlt. Danach sinken die Steuereinnahmen, wenn der Steuersatz zu hoch gewählt ist. Obwohl Mundell den entscheidenen Einfall hat, trägt die berühmte Kurve nicht seinen Namen. Mundell kann damit leben. „Mir gehören genügend Modelle“, sagt er.

Der Spitzensteuersatz in den USA sank unter Reagan von 70 auf 28 Prozent. Die Wirtschaft wuchs, und dennoch ist das Konzept bis heute umstritten. Die Reaganomics bildeten ein Gegengewicht zum vorherrschenden Keynesianismus. Anders als bei Keynes erklärt Mundell Wachstum und Vollbeschäftigung von der Angebotsseite aus. Der Staat solle nicht durch Investitionen künstlich und kostspielig die Nachfrage stärken, sondern das Angebot selbst schaffe die Nachfrage, der Staat solle sich zurückhalten. Das beste Mittel seien niedrige persönliche Steuersätze.

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