Krippenausbau Kommunen bieten Regierung Lösung im Kita-Streit an

Kristina Köhler hat in ihrer ersten Bundestagsrede als Familienministerin Warnungen in den Wind geschlagen, der Ausbau der Kinderbetreuung bleibe weit hinter dem Bedarf zurück - und muss dafür gleich herbe Kritik einstecken. Die Kommunen wiesen die Kritik zurück und mahnten die Ministerin zu mehr Ernsthaftigkeit bei dem Thema. Zugleich machten sie einen Vorschlag, wie der Kita-Streit beigelegt werden könnte.

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Köhler zeigt Flagge und kassiert harsche Kritik. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

DÜSSELDORF. Im Streit um den für 2013 geplanten Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kleinkinder gehen die Kommunen mit einem Kompromissangebot in die Offensive. "Ich kann mir auch einen Stufenplan zum Ausbau des Betreuungsangebots für unter Dreijährige vorstellen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, am Donnerstag im Gespräch mit Handelsblatt Online. "Ab 2013 könnten, wie geplant, 35 Prozent der Kinder von Kindertagesstätten oder Tagesmüttern betreut werden, 2014 dann 40 Prozent. Und in den kommenden Jahren könnte man weiter aufstocken, sofern es die Finanzsituation der Kommunen zulässt."

Zugleich forderte Landsberg die neue Familienministerin Kristina Köhler (CDU) auf, ihre Bedarfszahlen zur Kinderbetreuung "gewissenhaft" zu prüfen. "Frau Köhler macht es sich zu einfach, wenn sie unsere Befürchtungen in den Wind schlägt", sagte er. Es gehe hier nicht um Panikmache. Worauf die Kommunen hinwiesen, sei ja nicht aus der Luft gegriffen. "Sowohl Ergebnisse einer Forsa-Umfrage als auch Zahlen des Statistischen Bundesamtes legen nahe, dass der Bedarf an Betreuungsplätzen für Kleinkinder 2013 oberhalb von 35 Prozent liegen wird", erläuterte Landsberg. Deshalb erwarte er von der Ministerin, ernsthaft zu prüfen, ob ihre Zahl nicht korrigiert werden müsse.

Laut Kinderförderungsgesetz haben Eltern vom 1. August 2013 an einen Rechtsanspruch auf Betreuung, sobald ihr Kind ein Jahr alt ist. In der Begründung des Gesetzes heißt es der Zeitung zufolge, 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren sollten dann von Kindertagesstätten oder Tagesmüttern betreut werden. Bei einer Forsa-Umfrage gaben kürzlich aber 66 Prozent der jungen Frauen an, dass sie eine Krippe oder Tagesmutter einsetzen wollen. Von den jungen Akademikerinnen rechneten sogar 78 Prozent mit einem Krippenplatz.

Experten hatten ebenfalls kritisiert, dass der Krippenausbau in Deutschland zu langsam voran gehe. Das Deutsche Jugendinstituts (DJI) in München geht ebenfalls davon aus, dass der Bedarf an Betreuungsplätzen für Kleinkinder 2013 oberhalb von 35 Prozent liegen wird. Spätestens mit Einführung des Rechtsanspruchs hätten alle Verantwortlichen wissen müssen, dass am Ende unter dem Strich auch andere Bedarfsgrößen stehen können, sagte Institutsleiter Thomas Rauschenbach.

"Wenn der Bund jetzt nicht handelt, befürchte ich, dass wir in eine Falle laufen", warnte Landsberg. "Den ab August 2013 geltenden Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung können wir unter den gegenwärtigen Umständen nicht erfüllen", betonte er und fügte hinzu: "Das ist keine Panikmache, sondern eine realistische Einschätzung gesellschaftlicher Wirklichkeit."

Köhler hatte zuvor im Bundestag Warnungen der Kommunen, wonach der Ausbau der Kinderbetreuung weit hinter dem Bedarf zurückbleibe, als überzogen zurückgewiesen. "Die Panik, die hier geschürt wird, ist übertrieben", sagte die CDU-Politikerin in der Haushaltsdebatte. Zu Jahresbeginn hatte der Deutsche Städte- und Gemeindebund schon einmal gewarnt, dass der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für unter Dreijährige ab 2013 nicht zu halten sei, weil dann etwa eine halbe Million Plätze fehlen dürften.

Köhler äußerte sich hingegen zuversichtlich, dass in drei Jahren das Ausbauziel erreicht und auch der tatsächliche Bedarf gedeckt wird. Eine Forsa-Umfrage, wonach 66 Prozent der Eltern einen Krippenplatz für ihre Kleinkinder wünschen, nannte sie nicht stichhaltig. Der Bund hat bei seinem Ausbaubeschluss auf 750 000 Plätze nämlich nur 35 Prozent Bedarf in der Altersgruppe unterstellt.

Probleme befürchtet Köhler indessen beim Zivildienst. Die anstehende Verkürzung der Dienstzeit der rund 90 000 jungen Männer um drei Monate ziehe "größere Umbrüche" nach sich, sagte die Ministerin. Umgerechnet fielen damit 270 000 Dienstmonate weg. Wie der Verknappung begegnet werden kann, werde sie "sehr bald" nach Gesprächen mit dem Koalitionspartner FDP berichten.

Nach den Plänen der schwarz-gelben Bundesregierung soll die Wehrpflicht ab 1. Januar 2011 von neun auf sechs Monate verkürzt werden. Parallel zur Wehrpflicht muss auch der Zivildienst auf sechs Monate verkürzt werden.

In ihrer ersten Bundestagsrede als Ministerin verteidigte Köhler ihre Entscheidung, erstmals Mittel zur Bekämpfung linker und islamistischer Gewalt bereitzustellen. Die insgesamt zwei Mio. Euro würden zusätzlich aufgebracht zu den 24 Mio. Euro pro Jahr, die in Programme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus fließen. Das Geld komme aus nicht verbrauchten Mitteln des Haushaltsjahres 2009, sagte sie.

Köhler wies Kritik der Opposition zurück, sie führe einen "ideologisch verblendeten Kampf" gegen Linksextremismus, obwohl das Problem Rechtsextremismus dringlicher sei. Sie wolle gegen alle Feinde der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorgehen. "Es gibt keine guten Extremisten", sagte sie.

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