FDP Liberale retten Konservative

Guido Westerwelle wählte die amerikanische Inszenierung: Der Wahlsieger kommt zuletzt. Eigentlich wollte die FDP-Führung schon um 18.45 Uhr vor ihre jubelnden Anhänger treten. Dann aber wartete das Präsidium doch bis weit nach 19 Uhr, bis alle anderen Partvorsitzenden bereits öffentlich aufgetreten waren. Ein Kommentar von Henning Krumrey, Leiter des Berliner Hauptstadtbüros.

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Henning Krumrey, Leiter des Hauptstadtbüros der WirtschaftsWoche Quelle: Werner Schüring für WirtschaftsWoche

Im Thomas-Dehler-Haus hatte es nie so viel Jubel gegeben. Weil diesmal der Ansturm der Sympathisanten größer war als Fassungsvermögen der Parteizentrale der Liberalen, waren diese in ein größeres Gebäude umgezogen. In den oberen Stockwerken der „Römischen Höfe“ hatte sich das Präsidium der FDP zusammen gesetzt, um die Prognose und die erste Hochrechnung anzuschauen und die Sprachregelung festzulegen.

Doch große Überlegungen waren da gar nicht nötig. Die Meinungsforschungsinstitute waren diesmal zwar vorsichtiger, einen positiven Trend für die Liberalen hatten die Demoskopen aber immerhin schon am Nachmittag gemeldet. Das freilich steigerte eher noch die Anspannung im Raum. Als die erste Prognose über den Bildschirm flimmerte, ergriff der Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher hinter verschlossenen Türen das Wort. Er lobte den Wahlkampf der Partei – das Ergebnis sei vor allem das Verdienst des Vorsitzenden Guido Westerwelle. Die anderen Präsidiumsmitglieder applaudierten ihrem Chef.

"Erfolg der gesamten Partei"

Als der schließlich unten im Innersten der Römischen Höfe zu den Parteianhängern spricht, kann er die meisten Sätze gar nicht zu Ende bringen. „Wir müssen dafür sorgen, dass ein faireres Steuersystem, bessere Bildungschancen und die Bürgerrechte … - schon tosen wieder „Guido, Guido“-Rufe durch den Saal, oder die Liberalen singen „So sehen Sieger aus“.

Jetzt feiere man zwar das „beste Ergebnis, das die FDP seit Gründung der Bundesrepublik erzielt hat“, aber gleichzeitig bedeute dies „vor allen Dingen Verantwortung“, mahnt der Vorsitzende. Es sei ein Erfolg der gesamten Partei, „von den jungen Liberalen bis zu den Liberalen Senioren“.

Besonders lobt er seinen Büroleiter Martin Biesel, der seit mehr als einem Jahrzehnt nicht nur Westerwelle organisiert, sondern auch seine zahlreichen Bücher als Ideengeber und Ghostwriter mit verfasst hat. Und ganz im Sinne des fröhlichen, aber überlegten Helfers mahnt er die Partei, jetzt nicht durchzudrehen: „Wir freuen uns, aber wir bleiben auf dem Teppich. Wir heben nicht ab. Jetzt geht die Arbeit richtig los.“

Ein paar Sekunden Zittern

Mit Schrecken hatten die FDP-Anhänger das schwache Abschneiden der Union registriert und noch ein paar Sekunden gezittert. Nur kurz währte auch die Schadenfreude über den Absturz der Sozialdemokraten. Grenzenlos dagegen der Jubel, dass es die FDP ist, die die schwächelnde Union rettet. Schon bei den Wahlen 2002 und 2005 hatte es trotz Zuwächsen bei den Liberalen für Schwarz-Gelb nicht gereicht, weil CDU und CSU immer weiter absackten.

Mit Genugtuung registrierten die FDPler, dass die künftige eigene Fraktion wohl mehr als doppelt so groß sein wird wie die CSU-Landesgruppe. Denn traditionell beharkten sich die Liberalen und die Christsozialen in bürgerlichen Koalitionen am liebsten. Nun könnten die beiden Parteien zumindest beim Steuersystem zusammenwirken, denn beide Parteivorsitzenden – Guido Westerwelle und Horst Seehofer – haben angekündigt, einen Koalitionsvertrag nur zu unterschreiben, wenn darin deutliche Steuerentlastungen für Familien enthalten sind.

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