"Nicht demokratisch legitimiert" Euro-Skeptiker weiten Klage gegen Euro-Rettung aus

Noch vor wenigen Wochen waren die fünf Professoren mit ihrem Versuch gescheitert, das vom Bundestag und vom Bundesrat beschlossenen Hilfspaket für Griechenland per einstweilige Verfügung zu stoppen. Nun weiten die Euro-Skeptiker ihre Klage aus und nehmen den ganzen Euro-Rettungsschirm ins Visier.

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Wurden die EU-Verträge bei der Euro-Rettung verletzt? Quelle: dpa

DÜSSELDORF. Die Professorengruppe um den Euro-Skeptiker Joachim Starbatty weitet ihre Verfassungsbeschwerde gegen die Finanzhilfen Deutschlands auf den EU-Rettungsschirm für Griechenland aus. In der Klageschrift, die dem Handelsblatt vorliegt, haben sie mehrere Verstöße gegen das Grundgesetz und die EU-Verträge identifiziert. Unter anderem heißt es, die Finanzhilfen seien "nicht demokratisch legitimiert" und eine "klare Verletzung des vertraglichen und verfassungsgebotenen Stabilitätskonzepts".

Neben Starbatty beteiligen sich der Ex-Thyssen-Vorstand Dieter Spethmann, Hamburgs Ex-Wirtschaftssenator Wilhelm Nölling sowie die Professoren Karl Albrecht Schachtschneider und Wilhelm Hankel an der Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Heute stellen sie die Klageschrift offiziell vor - und geben sich siegessicher in ihrem Schlusswort: "Das Bundesverfassungsgericht wird, wenn es nach dem Recht entscheidet, der Verfassungsklage den Erfolg nicht versagen."

Im Mai hatte Karlsruhe ihren Eilantrag gegen die Auszahlung deutscher Notkredite abgewiesen. Die Richter begründeten damals ihre Entscheidung damit, dass ein Verschieben der deutschen Hilfen bis zum endgültigen Urteil das Rettungspaket insgesamt gefährden könne. "Das Bundesverfassungsgericht hat keine hinreichenden Anhaltspunkte, die zu der Annahme zwingen, dass die währungs- und finanzpolitische Einschätzung der Bundesregierung fehlerhaft ist", hieß es in der Entscheidung.

Sollte eine einstweilige Anordnung ergehen, die Übernahme der Gewährleistung des Bundes für die Notkredite von bis zu 22,4 Milliarden Euro sich später aber als verfassungsrechtlich zulässig erweisen, warnten die Richter, "drohen der Allgemeinheit schwere Nachteile".

Die gleiche Professorengruppe hat bereits 1998 als Euro-Kritiker für Aufsehen gesorgt. Damals jedoch wies das Bundesverfassungsgericht die Klage von Hankel, Nölling, Starbatty und Schachtschneider gegen die Einführung des Euros einstimmig ab. Die entscheidende Aussage der Karlsruher Richter lautete: "Die Mitwirkung Deutschlands an der Währungsunion ist im Maastricht-Vertrag vorgesehen" und sei darüber hinaus auch nach der Verfassung grundsätzlich gestattet. Mit diesem Urteil war der Weg für den Euro in Deutschland frei. Staatsrechtler Schachtschneider freilich sprach damals von einem "opportunistischen Urteil" und einem "schwarzen Tag für das Recht".

Wegen der akuten wirtschaftlichen und finanziellen Schwäche von Euro-Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal sehen die Euro-Gegner jetzt die Chance für eine Revanche. Da die Europäische Union beschlossen hat, Griechenland bei einem drohenden Staatsbankrott beizustehen, werde das in den Europäischen Verträgen festgeschriebene "Bail-out-Verbot" verletzt. Der Artikel 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union besagt, dass die EU und auch die einzelnen Mitgliedstaaten nicht für die Schulden anderer Mitgliedstaaten haften sollen. Umstritten ist jedoch, ob daraus ein allgemeines Verbot von Kredithilfen abgeleitet werden kann.

Bereits im Februar dieses Jahres hatte der ehemalige hessische Landesbank-Präsident Hankel im Handelsblatt-Interview die Klage gegen den Euro-Rettungsschirm angekündigt. "Das rechtliche Verbot für eine finanzielle Stützung Griechenlands ist eindeutig. Am Bail-out-Verbot gibt es keine Zweifel, und auch die Europäische Zentralbank darf nicht zu einer Art Bad Bank gemacht werden, indem sie Schrottanleihen ankaufen muss. Trotzdem wollen die Regierungen das Recht brechen", begründete Hankel das Vorgehen der Professoren.

Der Fall Griechenland, so Hankel, habe exemplarisch gezeigt, dass alle damaligen Bedenken gegen die Einführung des Euros gerechtfertigt gewesen seien. Eine einheitliche Zinspolitik der EZB für völlig unterschiedliche Volkswirtschaften könne nicht funktionieren.

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