Gasstreit Ostseepipeline könnte Ukraine in die Knie zwingen

Mit den geplanten Gasleitungen Nord Stream und Opal will der russische Konzern Gazprom nicht nur Geld in Westeuropa verdienen. Die Pipelines eignen sich auch als Werkzeuge für die russische Außenpolitik: Mit dem Bypass könnte Moskau seinen widerspenstigen Nachbarn Ukraine empfindlich unter Druck setzen.

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Gasleitung Opal: Ideales Quelle: AP

Für eine bloße Anschlussleitung wird die Gaspipeline Opal mit ihren 140 Zentimetern Durchmesser ein ungewöhnlich mächtiges Bauwerk. Opal soll ab 2012 russisches Erdgas aus der geplanten Ostsee-Pipeline Nord Stream weiter zu Kunden in Deutschland transportieren.

Womöglich machen aber noch andere Ziele eine solch dicke Röhre erforderlich. Das Projekt trägt unverkennbare Merkmale russischer Energie-Außenpolitik: Der staatlich kontrollierte russische Exportmonopolist Gazprom versetzt sich mit seinen Investments Nord Stream und Opal in die Lage, Gebühren kassierende und politisch unliebsame Transitländer in Osteuropa zu umgehen. Opal könnte mit ihrer hohen Durchleitungskapazität  nicht nur Ostdeutschland, sondern auch Tschechien und via Deutschland wahrscheinlich auch Teile Frankreichs versorgen, die bisher über die Ukraine beliefert werden.

Seit Jahren befinden sich die politischen Beziehungen zwischen Russland und der ehemaligen Sowjetrepublik Ukraine in desolatem Zustand. Mit dem pünktlich zum Jahreswechsel wieder aufgeflammten Streit um russische Gaslieferungen haben sie einen neuen Tiefpunkt erreicht.

Direkter Weg zu Gas-Kunden in Westeuropa

Wie schön wäre es für Moskau, lukrative Märkte in der EU nicht mehr durch die noch zu Zeiten sowjetischer Eintracht gelegten Großleitungen "Brüderlichkeit", "Union" und "Nordlichter" in der Ukraine beliefern zu müssen? Wie verlockend wäre es, die Ukraine durch Lieferstopps unter Druck setzen zu können, ohne zugleich nervöse EU-Kunden am Ende der Transitröhren in Panik zu versetzen?

"Beim Bau von Opal als Anbindung an Nord Stream geht es nicht um zusätzliche Kapazitäten, sondern um den politisch motivierten Ersatz vorhandener Leitungen", ist Thomas Kleefuß überzeugt, Mitglied der Geschäftsführung beim größten Gasnetzbetreiber Tschechiens, RWE Transgas Net. Auch Tschechien wird bisher über die Ukraine versorgt.

Neuer Streit zwischen Russland und Ukraine vorprogrammiert

An möglichen Motiven Russlands, die Ukraine in unterschiedlicher Dosierung jederzeit in unter Druck setzen zu können, herrscht kein Mangel: Das Land bezahlt seine Gasrechnungen nicht pünktlich, häuft  immer wieder hohe Schulden bei Russland an, widersetzt sich hartnäckig russischen Preiserhöhungen und droht, selbst höhere Gebühren für die Durchleitung nach Westen zu verlangen. Russland wirft der Ukraine auch vor, sie bestehle für Westeuropa bestimmtes Transitgas.

Außerdem schlug sich der ukrainische Staatspräsident, Viktor Juschtschenko, der sein Land in die Nato- und in die EU führen will, im russisch-georgischen Sommerkrieg um das abtrünnige Südossetien auf die Seite der Georgier. Juschtschenko und andere dem Westen zugeneigte Ukrainer befürchten seitdem, Russland werde mit ihnen ähnlich verfahren wie mit Georgien. Denn die russische Regierunt begründete ihr Zuschlagen in Südossetien damit, sie müsse russische Staatsbürger vor den georgischen Angriffen schützen.

Und Russen leben auch auf der ukrainischen Halbinsel Krim – sie stellen fast 60 Prozent der Bevölkerung. In Russland selbst ist die Sichtweise verbreitet, die Krim gehöre historisch ohnehin zu Russland. Die Schwarzmeer-Halbinsel wurde erst 1954 der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik zugesprochen.

Anlass zur Eskalation könnte zudem die russische Schwarzmeerflotte geben, die seit Zarenzeiten im Krim-Hafen Sewastopol stationiert ist: Die ukrainische Regierung verlangt von Russland, seine Kriegsschiffe bis 2017 aus dem Hafen abzuziehen. Moskau zeigt jedoch wenig Ehrgeiz, seinen strategisch wichtigen Militärstützpunkt aufzugeben. Nord Stream und Opal dürften fertig sein, bevor es zur Kraftprobe um Sewastopol kommt.

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