Parteitag Piratenpartei will mit Internet-Themen in den Bundestag

Freier Zugang zu Wissen und Kultur im Internet. Mit dieser Forderung zieht die neu gegründete Piratenpartei in den Bundestagswahlkampf. Thematisch will sich die Partei um Spitzenkandidat Jens Seipenbusch stark auf das Thema Internet fokussieren. Den etablierten Parteien warf Seipenbusch in diesem Segment Ignoranz vor.

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Jens Seipenbusch wurde zum Spitzenkandidaten der Piratenpartei gewählt. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

HB HAMBURG. Mit der Forderung nach einem freien Zugang zu Wissen und Kultur im Internet will die Piratenpartei im Herbst in den Bundestag einziehen. Auf einem Bundesparteitag in Hamburg wählten die Mitglieder am Wochenende den Physiker Jens Seipenbusch an die Spitze der Partei. Der 40-Jährige aus Münster, bisher stellvertretender Bundesvorsitzender, erhielt rund 56 Prozent der Stimmen und setzte sich damit gegen zwei Gegenkandidaten durch. Bei den Europawahlen im Juli hatte die junge Partei 0,9 Prozent der Stimmen erreicht. Bei der Wahl am 27. September will sie die Fünf-Prozent-Hürde überspringen.

Nach einem Zulauf in den vergangenen Monaten hat die Piratenpartei derzeit laut eigenen Angaben 3 300 Mitglieder in Deutschland. Im Wahlkampf wollen die Piraten für Bürgerrechte, Datenschutz und Informationsfreiheit eintreten. Über die einzelnen Details des Programms wurde am Sonntagnachmittag noch beraten.

Begeisterten Jubel erntete der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss, der den Piraten mit seinem Austritt aus der SPD vorübergehend den ersten Parlamentssitz beschert hat. Er warf den etablierten Parteien Ignoranz in Sachen Internet-Politik vor. "Da ist Potenzial für fünf Prozent", sagte Tauss zu den Chancen der Partei. Tauss, gegen den wegen Besitzes von kinderpornografischem Material ermittelt wird, betonte, Mitglied der Piraten bleiben zu wollen. Er strebe aber kein Amt und keinen Listenplatz für die Bundestagswahl im Herbst an.

Die Partei hat auch Ableger in anderen Ländern der Europäischen Union. Der Einzug ins Parlament sei zwar nicht besonders realistisch, aber auch nicht unmöglich, sagte der neue Vorsitzende Seipenbusch. Die Piraten in Schweden, die bei der Europawahl aus dem Stand auf 7,1 Prozent gekommen waren, hätten dies gezeigt. "Deswegen setzen wir uns das als ambitioniertes Ziel." Der bisherige Vorsitzende Dirk Hillbrecht hatte nicht mehr für diesen Posten kandidiert. Er will sich auf die Kandidatur für den Bundestag konzentrieren.

Über die Ausrichtung der Partei wurde heftig gestritten. Zwar erhielt der von Seipenbusch ausgearbeitete Vorschlag breite Unterstützung. Um die Einzelheiten, darunter beispielsweise die künftige Ausgestaltung des Urheberrechts, wurde aber teils erbittert gestritten. Auch die Forderung des Vorsitzenden, die Kernkompetenzen der Partei - also in erster Linie Internet-Themen - nicht zu überschreiten, wurde nicht von allen Mitgliedern geteilt.

Die Piratenpartei tritt im Grundsatz für informationelle Selbstbestimmung und freien Zugang zu Wissen und Kultur im Internet ein. Dabei geht es auch um Dinge wie kostenlose Downloads. Sie ist basisdemokratisch organisiert und erlaubt jedem Mitglied die Teilnahme am Bundesparteitag. Lange Debatten über Abstimmungsregeln, Satzungsänderungen und die Geschäftsordnung hatten immer wieder für Verzögerungen des Treffens gesorgt. Zudem verweigerten die Mitglieder ihrem bisherigen Vorstand in Finanzfragen die Entlastung, weil keine vollständige Buchführung vorlag. Die Entscheidung wurde vertagt.

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