CSU-Parteitag Selbstbewusste Jein-Partei

Die CSU hat den Turnaround geschafft und sich aus der Krise gearbeitet. In 70 Tagen wird sich zeigen, ob die Partei mit ihrer neuen Jein-Strategie beim Wähler punkten kann.

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CSU-Chef Horst Seehofer Quelle: dpa

Der CSU geht es wieder gut. Ein Dreivierteljahr nach der herben Wahlschlappe hat sich die bayrische Volkspartei wieder berappelt. Horst Seehofer kann mit dem heute zu Ende gehenden Parteitag zufrieden sein.

Unangefochten steht der Mann an der Spitze der Partei, die ihn noch 2007 verstoßen hatte. Zwar schnitt Seehofer bei seiner Wiederwahl zum Parteivorsitzenden etwas schlechter ab als beim letzten Mal, aber mit 88 Prozent der Stimmen erreichte er dennoch ein ordentliches Ergebnis.

Seehofer, der im vergangenen Oktober den glücklosen Parteichef Erwin Huber abgelöst hatte, ist für die CSU derzeit alternativlos. Es ist sein Verdienst, dass die dereinst so gedemütigte Partei wieder neues Selbst bewusstsein gewonnen hat. Das gute Ergebnis bei der Europawahl, die mediale Aufmerksamkeit der vergangenen Monate, das wieder erstarkte bundespolitische Gewicht- all das haben sie „dem Horst“ zu verdanken. Mit dessen knallharter „Bayern-first“-Strategie erhoffen sich die CSU-ler eine Rückkehr ins 50-plus-x-Paradies.

CSU öffnet sich neuen Themen

Diesem Ziel diente auch der Wahlaufruf, den die CSU verabschiedete. „Mir san mir“, lautet die Botschaft, die von Nürnberg ausgehen soll und vor allem nach innen gerichtet ist. Mit weitergehenden, im Wahlprogramm der Union nicht enthaltenen Forderungen – etwa in der Europa- und Steuerpolitik – demonstriert die CSU ihr neues Selbstbewusstsein.

Wie zu erwarten übten sich CDU und CSU trotz aller Querelen in den vergangenen Monaten 70 Tage vor der Bundestagswahl im Schulterschluss. Und die CSU kann es für sich als Punktsieg verbuchen, dass Angela Merkel bei ihrem Auftritt auf dem Parteitag Steuersenkung en „in den nächsten zwei, drei Jahren“ in Aussicht stellte. Genau das hatte die kleine Schwester monatelang von der großen Schwester hartnäckig aber bislang erfolglos gefordert. Seehofer hat die Partei umgekrempelt. Er hat einige junge Leute zwischen 30 und 40 Jahren in die vorderste Reihe geschickt, die spürbar frischen Wind bringen. Superstar Karl-Theodor zu Guttenberg und Gesundheitsminister Markus Söder sind nur zwei von ihnen. Der CSU-Chef öffnete die Partei so auch für neue Themen, etwa für eine modernere Familienpolitik oder eine stärkere Betonung der Umweltpolitik.

Wofür steht die CSU?

Mit dem neuen Kurs wagt Seehofers etwas. Er will außerdem die Partei nach allen Seiten öffnen: Ihr neue Strukturen geben, mehr Mitsprache undMitbestimmung an der Basis, mehr Beteiligung von gesellschaftlichen Gruppen oder Bürgerinitiativen auch außerhalb der Partei. Die neue Offenheit ist Risiko und Chance zugleich. Wer über 50 Prozent kommen will, muss sich eine gewissen Geschmeidigkeit und Flexibilität erhalten. Doch wie viel Offenheit kann sich die CSU auf Dauer leisten? Kann eine Partei für und gegen Europa sein? Für und gegen Firmenrettungen mit Steuergeldern? Für und gegen Ökologie? Für und gegen Gentechnik?

Ob die Wähler die neue Offenheit goutieren oder als Beliebigkeit und Profillosigkeit verteufeln, wird sich in gut zwei Monaten zeigen. Beim Thema Europa muss die CSU schon in den nächsten Wochen Farbe bekennen. Spätestens aber nach der Bundestagswahl wird Seehofer auch auf die anderen Fragen eindeutigere Antworten geben müssen: Wofür genau steht die CSU? Wie hält es die Partei, die jahrzehntelang auch für Laptop und nicht nur für Lederhose stand, mit ihren Wurzeln?

Auf die entscheidenden Fragen wird die CSU nicht dauerhaft mit „Jein“ antworten können.

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