Globalisierung Spielregeln des Kapitalismus

Wer sind die Gewinner und Verlierer der Globalisierung? Einer der wichtigsten Vordenker auf diesem Gebiet ist der US-Nobelpreisträger Paul A. Samuelson.

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Paul A. Samuelson Quelle: Laif

Diese Fragen bewegten die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums in Davos in diesem Jahr stärker als je zuvor: Sind Globalisierung und Freihandel vielleicht zu schnell vorangetrieben worden? Und brauchen wir wieder mehr Regulierung?

Einer der wichtigsten Ökonomen, die sich mit diesem Thema wissenschaftlich beschäftigt haben, ist Paul Anthony Samuelson. Der hochbetagte Wissenschaftler ist für viele gar der Ökonom des 20. Jahrhunderts. Sein 1948 erschienenes Lehrbuch „Economics“ gehört zu den Standardwerken der modernen Ökonomie. Samuelson hat vor allem in der Außenhandelstheorie bahnbrechende Arbeiten geleistet. So entwickelte er zusammen mit Wolfgang Stolper 1941 das Samuelson-Stolper-Theorem, das die Verteilungswirkung des Freihandels untersucht. Danach profitiert in einem Land derjenige Produktionsfaktor vom Freihandel, der reichlich vorhanden ist und in der Produktion stark nachgefragt wird. Dagegen geht die Entlohnung des knappen und weniger intensiv eingesetzten Faktors zurück. Ein Beispiel dafür ist die Öffnung Chinas. Die verstärkte Nachfrage nach reichlich vorhandenen gering qualifizierten Arbeitskräften hat dort deren Löhne steigen lassen. In Deutschland dagegen hat die Konzentration auf kapitalintensiv hergestellte Güter die Entlohnung des Faktors Kapital und damit die Gewinne überdurchschnittlich erhöht.

Wurde zu schnell globalisiert?

In der Globalisierungsdebatte sorgte Samuelson für großes Aufsehen mit seinem Versuch, das berühmte Ricardo-Theorem zu relativieren. Wissenschaftlicher Konsens war bis dahin die 1817 vom britischen Ökonomen David Ricardo entwickelte These, dass internationaler Handel für alle beteiligten Länder von Vorteil sei. Seine Theorie der komparativen Kostenvorteile besagt, dass zwei Länder, die eine unterschiedliche Ausstattung mit Arbeit und Kapital besitzen, durch Handel ihren Wohlstand erhöhen können. Die Länder sollten sich auf das Gut spezialisieren, das sie im Vergleich zu anderen Gütern kostengünstiger produzieren können. Andere Güter sollten sie importieren. Selbst für Länder, die bei allen Produkten einen absoluten Kostenvorteil haben, lohnt sich laut Ricardo der Güteraustausch.

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Für Samuelson bringt die Globalisierung nicht zwangsläufig mehr Wohlstand für alle. So sei denkbar, dass das Einkommen in den USA durch Handel mit aufstrebenden Ländern wie China und Indien sinken könne. Er kratzt damit allerdings keineswegs an den Grundfesten der Ökonomie. Denn Ricardos Modell berücksichtigt weder Arbeitslosigkeit noch technischen Fortschritt. Laut Samuelson könne der Handel mit China für die USA nachteilig sein, wenn China seine Produktivität bei der Herstellung bestimmter Güter steigere und es in den USA keinen technischen Fortschritt bei der Produktion gebe. Die Gewinne aus dem Handel reichen dann eventuell nicht aus, um Einkommenseinbußen durch wegfallende Jobs zu kompensieren.

Samuelson wurde 1915 als Sohn eines Drogisten in Gary, Indiana, geboren. Bereits mit 16 Jahren schrieb er sich an der Universität von Chicago ein, erwarb in fünf Jahren sowohl den Bachelor- als auch den Masterabschluss. Mit 26 Jahren promovierte er an der Elite-Universität Harvard. In den folgenden Jahrzehnten baute er die ökonomische Fakultät des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston zu einer der besten in Amerika aus. 1970 erhielt der Keynesianer für die Weiterentwicklung der statischen und dynamischen Wirtschaftstheorie den Nobelpreis. Bei statischen Analysen beziehen sich alle Variablen auf denselben Zeitpunkt, etwa bei der Ermittlung eines Gleichgewichtspreises. Die dynamische Analyse integriert hingegen zeitliche Anpassungsprozesse.

Samuelson hat sechs Kinder und lebt mit seiner Familie in Belmont, Massachusetts. Bis heute hat der mittlerweile 93-Jährige ein Büro im MIT.

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