Tarifpolitik Urteil trifft Zeitarbeit noch härter

Das Bundesarbeitsgericht hat die Dachorganisation der christlichen Gewerkschaften CGZP für tarifunfähig erklärt und die Zeitarbeitsbranche damit in Panik versetzt. Nach Ansicht der IG Metall sind nach dem Urteil auch die neuen CGZP-Tarifverträge nicht zu halten.

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Zeitarbeiter könnten künftig mehr verdienen. Quelle: dpa

BERLIN. Das jüngste Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Tarifpolitik in der Zeitarbeitsbranche trifft die christlichen Gewerkschaften und ihre Vertragspartner auf Arbeitgeberseite womöglich noch härter als gedacht: Obwohl das Gericht formal nur die umstrittene Dachorganisation CGZP für tarifunfähig erklärt hat, könnte dies letztlich die Handlungsfähigkeit der christlichen Gewerkschaften in der Zeitarbeit insgesamt massiv einschränken. Unter dem Dach der CGZP agieren zurzeit die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD) und die Gewerkschaft DHV, zuständig für kaufmännische und Verwaltungsberufe.

"Es ist schlicht ein Irrglaube zu meinen, das Urteil sei für die jüngsten CGZP-Tarifverträge bedeutungslos, weil seit 2010 parallel zur CGZP auch einige Einzelgewerkschaften als Vertragspartei auftreten", sagte IG-Metall-Justiziar Thomas Klebe dem Handelsblatt. Maximal könnten die aktuellen Tarifverträge nun noch für die Zuständigkeitsbereiche der betreffenden Einzelgewerkschaften gültig sein, analysiert Klebe. Konkret hieße das: Da am CGZP-Tarif beispielsweise keine Chemie-Gewerkschaft beteiligt ist, müssten Zeitarbeiter zumindest bei Einsätzen in der Chemieindustrie denselben Lohn wie Stammkräfte erhalten. Denn laut Gesetz sind Abweichungen nur bei gültigem Zeitarbeitstarif zulässig.

Die IG Metall bestreitet selbst den unter dem Dach der CGZP agierenden Organisationen das Recht Tarifverträge abzuschließen, da sie keine ausreichende Mitgliederstärke hätten. Damit hat sich das Gericht allerdings jetzt nicht befasst.

Auch unabhängig davon hätte Klebes Einwand aber schon massive Folgen. Denn für Zeitarbeitsfirmen wäre es ein enormer Bürokratieaufwand, für alle Mitarbeiter je nach Kundenbetrieb immer wieder zu prüfen, ob gerade der Zeitarbeitstarif oder der Lohn für Stammkräfte gilt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der mit seinen acht Mitgliedsgewerkschaften die gesamte Wirtschaft erfasst, hätte damit einen uneinholbaren Vorteil gegenüber anderen Gewerkschaftsgruppen: Nur er könnte in der Zeitarbeit noch Tarifverträge anbieten, die keine solchen Bürokratieprobleme aufwerfen.

Ob die Lesart der IG Metall trägt, ist indes - wie derzeit alle Deutungen des Urteils - umstritten. Der Arbeitgeberverband AMP, Tarifpartner der christlichen Gewerkschaften, zeigt dafür kein Verständnis. "Das ist der durchsichtige Versuch der DGB-Seite, Unternehmen zu verunsichern und unsere Tarifverträge zu diskreditieren", sagte AMP-Hauptgeschäftsführer Thomas Hetz.

Anders als IG-Metall-Justiziar Klebe hatte etwa der Münsteraner Arbeitsrechtler Peter Schüren kürzlich noch festgestellt, die neuen CGZP-Tarife seien von dem Urteil "nicht betroffen" - eben weil auch die Einzelgewerkschaften mit unterschrieben hätten. Schüren gilt sonst als Kritiker der christlichen Gewerkschaften.

Klebe hat noch weitere Einwände auf der Hinterhand. So nähmen viele Arbeitsverträge von Zeitarbeitern vermutlich nach wie vor auf CGZP-Tarifverträge Bezug und nicht auf Verträge der CGZP-Einzelgewerkschaften. Auch in diesem Fall sei nach dem CGZP-Urteil davon auszugehen, dass keine wirksame Bezugnahme auf einen Zeitarbeitstarif vorliege.

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