Tarifrunde Kommunen drohen Verdi mit Personalabbau

Der Deutsche Städtetag hat die Tarifforderungen der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst als unbezahlbar zurückgewiesen und Konsequenzen in Form von Personalabbau angedroht. "Angesichts der dramatischen Haushaltslage vieler Kommunen ist der Spielraum für weitere Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst verschwindend gering", sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus dem Handelsblatt.

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Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages: Stephan Articus. Quelle: ap Quelle: handelsblatt.com

BERLIN. Der öffentliche Dienst steuert angesichts von Konjunkturkrise und kommunaler Finanznot auf einen heftigen Tarifkonflikt zu. Kurz vor Beginn der Verhandlungen schlägt der Deutsche Städtetag Alarm und kündigt für den Fall weiterer kräftiger Personalkostensteigerungen harte Konsequenzen an: "Viele Städte wären gezwungen, weiter Personal abzubauen und öffentliche Dienstleistungen zurückzufahren", sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus dem Handelsblatt. "Höhere Löhne und Gehälter für die Beschäftigten auf Pump zu finanzieren ist keine Lösung, sondern schränkt die Handlungsfähigkeit der Kommunen weiter ein."

Die Verhandlungen für die insgesamt fast zwei Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen starten am Mittwoch in Potsdam. Die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Beamtenbund (DBB) wollen Einkommenssteigerungen im Volumen von insgesamt fünf Prozent durchsetzen. Nach Berechnungen des Städtetags würde schon eine Steigerung um ein Prozent die Kommunen mit etwa 740 Mio. Euro pro Jahr zusätzlich belasten. Insgesamt hat die Tarifforderung damit ein Volumen von knapp vier Mrd. Euro.

Die Gewerkschaften begründen ihr Ziel unter anderem damit, dass Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst in der Konjunkturkrise eine wichtige Konsumstütze seien. Sie sehen sich auch dadurch bestärkt, dass die schwarz-gelbe Koalition mit ähnlichen Argumenten zum Jahreswechsel eine Mehrwertsteuerbegünstigung für die Hotellerie eingeführt hat. "Sozial ist, was Kaufkraft schafft", begründet Verdi-Chef Frank Bsirske die Tarifforderung. Zudem dürften die Staatsbediensteten "nicht die Zeche bezahlen" für eine Krise, "an der sie keinerlei Verantwortung tragen", ergänzt DBB-Chef Peter Heesen.

Die Sicht der Stadtkämmerer ist indes eine andere. Schon jetzt trieben sinkende Steuereinnahmen bei gleichzeitig steigenden Sozialausgaben "viele Städte in immer höhere Verschuldung", warnte Articus. Nach Daten des Städtetags hat sich bei den Kommunen das Volumen der kurzfristigen Kassenkredite bereits in den ersten drei Quartalen des Jahres 2009 um 4,5 Mrd. Euro auf 33,8 Mrd. Euro erhöht. Dies sei ein "trauriges Rekordniveau".

Damit geraten die Bemühungen um eine Stabilisierung oder gar Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen immer stärker in Konflikt mit der Haushaltslage. "Die Städte wollen ihren Bürgerinnen und Bürgern in der Krise Dienstleistungen in guter Qualität sichern wie Kinderbetreuung, Schulen, Krankenhäuser und öffentlichen Nahverkehr", betonte Articus. Umso mehr sei angesichts der Haushaltslage vieler Kommunen "der Spielraum für weitere Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst verschwindend gering". Die Tarifforderung sei "definitiv nicht bezahlbar".

Dagegen sehen Verdi und DBB zudem einen großen "Nachholbedarf" bei den Gehältern im öffentlichen Dienst gegenüber der Privatwirtschaft. Zwar hatten sie für 2008 und 2009 sogar etwas höhere Tarifsteigerungen als in der Industrie erkämpft - für den Zwei-Jahres-Zeitraum insgesamt gut acht Prozent. Da aber eine Serie von Nullrunden vorausgegangen war, bleibt ein Rückstand bestehen.

Negative Folgen in Gestalt einer abnehmenden Attraktivität des Staates im Wettbewerb mit privaten Arbeitgebern seien speziell bei anspruchsvolleren Positionen bereits deutlich messbar, streicht Hans-Ulrich Benra heraus, Chef des Verbands der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden (VBOB). Dieser vertritt auch die Mitarbeiter der Bundesministerien. "Früher erhielt ein großes Ministerium in einem Bewerberjahrgang bis zu 3 000 Bewerbungen", sagt Benra. "Die sind mittlerweile auf unter 1 000 zurückgegangen." Immer öfter könnten wichtige Stellen nur noch schwer besetzt werden.

Die finanziellen Probleme der Kommunen werden in dem Konflikt allerdings wohl noch dominierender sein: Der Personalkostenanteil in ihren Etats ist mit über 25 Prozent fast dreimal so hoch wie beim Bund. Das birgt die Gefahr von Spannungen im Arbeitgeberlager, dessen gemeinsamer Verhandlungsführer Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ist. Hinzu kommt ein weiterer Faktor: Angesichts der bevorstehenden NRW-Landtagswahl könnte bei der Bundesregierung das Interesse an einer friedlichen Einigung mit den Gewerkschaften womöglich schneller wachsen, als den Kommunen lieb ist.

Dass im aktuellen Krisenumfeld die Bäume tarifpolitisch kaum in den Himmel wachsen, haben allerdings auch Verdi und DBB zumindest indirekt zugestanden: Schon nach ihrer Forderung sollen die fünf Prozent nicht voll in eine Anhebung der laufenden Gehälter fließen, sondern sich auf diverse Elemente verteilen. Das schafft mehr Verhandlungsmasse.

Eine Orientierungsmarke für die reguläre Gehaltserhöhung liegt den Tarifparteien bereits durch den separaten Länder-Tarifabschluss von vor einem Jahr vor: Für die Landesbediensteten, die eigene Tarifverträge haben, gibt es 2010 ein Plus von 1,2 Prozent. Zu den Punkten, die den kommunalen Arbeitgebern besonders wichtig sind, gehört ein Ausbau der leistungsbezogenen Gehaltsanteile. Dies sei "sinnvoll" im Interesse einer modernen Verwaltung, sagte Articus. "Mehr Leistung muss sich mehr lohnen."

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