Abkommen zwischen EU und USA Verheugen und Portman sollen Transatlantischen Wirtschaftsrat leiten

Bei ihrem Gipfel Ende April wollen die EU und die USA Handelshemmnisse abbauen. Eine gute Idee – doch die Schwierigkeit liegt im Detail.

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Die Gespräche liegen über ein Jahrzehnt zurück, doch Pascal Lamy sind sie deutlich im Gedächtnis geblieben. Vier Jahre hindurch verhandelte der heutige Generaldirektor der World Trade Organisation (WTO) in seiner damaligen Funktion als EU-Handelskommissar mit den USA über gemeinsame Standards für Sportboote. „Wir stritten über die Farbe der Signalraketen und über die Größe der Rettungswesten“, erinnert er sich. „Am Schluss gelang uns doch noch ein Durchbruch“, fügt er hinzu, und sein Tonfall verrät, wie absurd hoch er den Aufwand findet – gemessen am Resultat. Große Mühen mit kleinem Ergebnis – dieses Szenario könnte sich einmal mehr wiederholen, wenn EU und USA bei ihrem Gipfel am kommenden Montag beschließen, Hürden zwischen den beiden größten Handelsblöcken der Welt abzubauen. Die bisherigen Versuche zeigen: Transatlantische Deregulierung ist ein äußerst mühsames Geschäft, wenn es ins Detail geht. Dabei haben die beiden größten Handelsblöcke der Welt, die im Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von 600 Milliarden Euro austauschen, im Prinzip ein großes Interesse daran, nichttarifäre Handelshemmnisse zu beseitigen und sich auf einheitliche Spielregeln zu einigen. Würden die Regeln auf beiden Seiten des Atlantiks harmonisiert, wäre das ein Konjunkturprogramm für beide. „Der Ertrag wäre enorm“, haben Daniel Hamilton und Joseph Quinlan von der Johns Hopkins University in Washington berechnet: „Es wäre gleichbedeutend mit einem zusätzlichen Jahresgehalt für jeden Amerikaner und Europäer.“ In Schlüsselbranchen wie der Automobilindustrie würden die Kosten erheblich sinken. Branchenverbände schätzen, dass Lkws und Pkws um sieben Prozent billiger würden, wenn sie für einen großen transatlantischen Markt gebaut würden. Bundeskanzlerin Angela Merkel will dieses Potenzial freisetzen und nutzt dazu die EU-Ratspräsidentschaft zu einer neuen transatlantischen Wirtschaftsinitiative. „Binnenmarktähnliche Strukturen sollten unser Ziel sein“, lautet ihre Botschaft an US-Präsident George W. Bush. Das Abkommen, das der WirtschaftsWoche vorliegt, soll die Zusammenarbeit in vier Bereichen stärken: Schutz des geistigen Eigentums, Innovation, Finanzmärkte und Sicherheitsstandards im Handel. Da das Abkommen politisch, aber nicht juristisch verbindlich ist, wird ein Transatlantischer Wirtschaftsrat gegründet, der die Initiative in Schwung halten soll. EU-Industriekommissar Günter Verheugen und Robert Portman, Leiter des Office of Management and Budget, werden nach Informationen aus deutschen Diplomatenkreisen das Gremium leiten, das zweimal im Jahr über die Fortschritte berichten soll. Dem Wirtschaftsrat sollen nach Informationen aus dem Kanzleramt auch Parlamentsvertreter von beiden Seiten des Atlantiks angehören, um die Legislative miteinzubinden. Eine komplette Einbeziehung des Parlamentes, auf die Europaparlamentarier wie Elmar Brok (CDU) anfangs gehofft hatten, soll es aber nicht geben. Die Vereinbarung enthält positive Ansätze, etwa das Versprechen, das Basel II-Abkommen für Eigenkapitalvorschriften abgestimmt umzusetzen. Dazu kommen aber auch kuriose Vorhaben, etwa bei der Regulierung von Kosmetik zusammenzuarbeiten, um die Zahl der Tierversuche zu reduzieren. Die Gefahr ist denn auch groß, dass die aktuelle Initiative – wie frühere Versuche auch – ohne substanzielle Ergebnisse enden wird. „Der Prozess hat seit 1995 wenig gebracht“, resümiert der Unternehmensverband Business Europe. Das gestehen auch EU und USA ein, wenn sie sich in dem Papier jetzt erneut vornehmen, „neue, effizientere Prozesse für die sektorielle Regulierungskonvergenz“ entwickeln zu wollen. Genau dies erwies sich in den vergangenen Jahren als extrem schwierig – zum Beispiel in der Automobilbranche. Unter dem Vorsitz des damaligen DaimlerChrysler-Chefs Jürgen Schrempp versuchte der Transatlantic Business Dialogue, ein Zusammenschluss von Großunternehmen aus EU und USA, Ende der Neunzigerjahre eine Liste von Harmonisierungsvorschlägen abzuarbeiten. Am Schluss konnten sich beide Seiten auf identische Vorschriften in zwei Gebieten einigen: bei Türklinken und -scharnieren. Weil trotz dieser Gespräche beide Handelsblöcke autistisch vor sich hinwerkeln, entwickelten beide unterschiedliche Dummys für Seitenaufpralle. „Weil keiner an den anderen denkt, läuft das durch Zufall in die andere Richtung“, sagt ein Unternehmensvertreter. Die Unternehmen kostet die Doppelentwicklung Millionen.

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