Der Deutschlandplan der Top-Ökonomen Was jetzt nach der Wahl passieren muss

Deutschland steht nach der Bundestagswahl vor einem Berg von Problemen. Was soll die neue Bundesregierung tun, um die Staatsschulden einzudämmen, die Sozialsysteme zukunftsfest zu machen und neue Wachstumschancen zu erschließen? Die WirtschaftsWoche hat vier Top-Ökonomen zum Streitgespräch über den richtigen Kurs in der Wirtschaftspolitik gebeten.

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Streitgespräch zwischen den Top-Ökonomen Burda, Heise, Bofinger und Hüther (v. links) Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Meine Herren, die deutsche Wirtschaft scheint das Schlimmste überstanden zu haben. Doch für die neue Bundesregierung geht die Arbeit jetzt erst los. Die Staatsschuld explodiert, die Arbeitslosigkeit steigt – und am Horizont kündigt sich die demografische Zeitenwende an. Wird es uns gelingen, diesen Problemen durch Wachstum zu entkommen?

Burda: Kurzfristig halte ich das für nahezu unmöglich. Nehmen Sie den sich abzeichnenden Anstieg der Arbeitslosigkeit. Nach dem Auslaufen der Abwrackprämie kaufen die Leute weniger Autos. Auch die Kurzarbeit wird bald zu Ende gehen. Es müsste schon ein Wunder geschehen, damit wir nicht in Richtung fünf Millionen Arbeitslose laufen.

Heise: Da bin ich optimistischer. Der deutsche Arbeitsmarkt ist wesentlich stabiler als wir uns das vorgestellt haben – wir werden in diesem Jahr noch nicht einmal die Zahl von vier Millionen Arbeitslosen erreichen.

Hüther: Ich glaube, der Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend geändert. Die Löhne sind flexibler, und das Lohnniveau ist international wettbewerbsfähiger geworden. Vor allem die Zeitarbeit und die Arbeitszeitkonten haben den Unternehmen Luft zum Atmen verschafft. Wenn heute Unternehmen über Auslandsinvestitionen nachdenken, spielen die Lohnkosten immer weniger eine Rolle.

Bofinger: Und warum? Weil die Unternehmen gemerkt haben, dass es im Ausland mit der Qualität nicht stimmt...

Heise: ...auch richtig. Aber es ist doch erstaunlich, was derzeit auf dem Arbeitsmarkt passiert, und das liegt nicht nur am Kurzarbeitergeld. Die Unternehmen haben inzwischen offenbar eine andere Beschäftigungsplanung. Sie denken: Das ist eine Krise, die geht vorüber – und sie werden zurzeit genau darin bestätigt. Meine These ist: Die Reformen der vergangenen Jahre und die Bereitschaft von Gewerkschaften und Betriebsräten, in Unternehmen Kosten zu senken, haben den Arbeitgebern die Angst vor personellen Überkapazitäten genommen.

Das hört sich so an, als bräuchten wir keine Reformen am Arbeitsmarkt mehr.

Hüther: In vielen Branchen eröffnet der Flächentarifvertrag den Unternehmen große Spielräume für betriebliche Abweichungen, um Arbeitsplätze zu sichern. Deshalb können die Betriebe jetzt die Durststrecke durchstehen, ohne gleich massenweise Arbeitsplätze abzubauen.

Heise: Im Grunde ist die betriebliche Realität weiter als die Gesetzeslage. Regulierungen wie der Kündigungsschutz, das Günstigkeitsprinzip und die Allgemeinverbindlichkeit existieren zwar noch, doch auf der betrieblichen Ebene herrscht große Flexibilität.

Bofinger: Das ist doch kein Erfolg! Unser Wirtschaftswachstum fiel in den vergangenen zehn Jahren deutlich geringer aus als in anderen Industrieländern, weil wir wegen der Arbeitsmarktflexibilisierung nicht genügend Binnennachfrage hatten. Unser Konsum hat zehn Jahre lang stagniert. Das kräftige Exportwachstum hat das nicht aufgewogen.

Hüther: Der Sachverständigenrat, dem Sie angehören, hat in einem seiner Gutachten bestätigt, dass der vergangene Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt mehr Wirkung entfaltet hat als alle vorangegangenen Aufschwünge.

Bofinger: Der Aufschwung der Jahre 2005 bis 2007 hat für den Arbeitsmarkt nicht mehr gebracht als der Aufschwung 1998 bis 2000. Die Zahl der sozialversicherungpflichtigen Jobs ist nicht stärker gestiegen als damals. Der Rückgang bei der Arbeitslosigkeit ist eine Folge des geringeren Angebots an Arbeitskräften.

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