China Weltwirtschaftsforum: Sehnsucht nach dem Aufschwung

Auf dem Weltwirtschaftsforum im ostchinesischen Dalian versuchen 1300 Experten aus aller Welt, Szenarien für die Zeit nach der Krise zu entwerfen. Hinter den Kulissen des Treffens hat das Management alle Hände voll damit zu tun, den Betrieb in dem riesigen Kongresszentrum am Laufen zu halten.

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Eine Garde von Polizistinnen bewacht das Kongresszentrum von Dalian im Osten Chinas. Quelle: Reuters Quelle: handelsblatt.com

DALIAN. Noch herrscht die große Ruhe vor dem Sturm. Die junge Jiajing Wang wischt den Tresen an der Kaffeebar, vor dem Saal "Davos" wird der rote Teppichboden gesaugt. Keine Fluse soll den Gang der Weltwirtschaft behindern. Denn gleich geht es los, dann werden hier Manager, Banker und Politiker aus vielen Ländern über die Flure schreiten, um beim Weltwirtschaftsforum im ostchinesischen Dalian die Zukunft nach der Krise zu entwerfen.

Geoffrey Ryan ist jedoch noch mit den kleinen Krisen des Alltags beschäftigt. Es fehlt an Milch, der Orangensaft ist nicht kühl und irgendjemand hat die Servietten krumm gefaltet. Leise und schnell gibt er dem Personal letzte Anweisungen. Der Manager vom Hotel Intercontinental Dalian ist schließlich für die Versorgung der 1300 Gäste verantwortlich.

"Hier arbeiten Schüler und Schülerinnen aus Dalian", sagt er mit Blick auf die Bedienungen im Blauhemd ringsum. Rund 200 Jugendliche schenken drei Tage lang für die Welt AG aus, räumen Teller und Gläser ab. Es sei eben nicht leicht, in Chinas Provinz mal eben so viel Personal für eine so große Veranstaltung zu finden, sagt Ryan. Aus dem Hotel kann er auch kaum Personal abziehen, denn "wir sind natürlich ausgebucht." Aus ganz China habe er zudem rund 100 Köche einfliegen müssen, seufzt er. Was macht man nicht alles im Kampf gegen die Krise.

Das sommerliche Weltwirtschaftsforum - ein Ableger des berühmten Davos-Treffens - findet zum dritten Mal in China satt. Die boomende Hafenstadt Dalian hat dafür einen riesigen Palast aus Glas und Beton gebaut. Doch während sich dort die Elite der Welt trifft, ist das Glitzergebäude in Strandnähe für Chinas Massen weiträumig abgesperrt. "Ich weiß auch nicht, was die da machen", sagte eine Frau, die mit ihrer Freundin über die Strandpromenade schlendert. "Aber Wen Jiabao war auch da."

Chinas Premier hatte das Dalian-Treffen am Donnerstagabend sogar mit einer langen Rede eröffnet. Dass er eigentlich eine Kurzfassung seiner Regierungserklärung vom März vortrug, merkte im überwiegend ausländischen Publikum kaum jemand. Zu tief, zu stark ist momentan die Sehnsucht nach Aufschwung - das wurde in Dalian sehr deutlich. Und so traf Wen Jiabao mit seinen Worten in die Herzen der Gäste - kein Protektionismus, mehr Umweltschutz, kein Ende der Konjunkturprogramme, mehr High-Tech-Wirtschaft.

Zwischen Kaffeebar und Seminarräumen machte sich danach schnell so etwas wie Aufbruchstimmung breit. "Es ist die erste Konferenz seit zwölf Monaten, an der ich teilnehmen, wo es nicht darum geht, den Schuldigen für die Krise zu finden", lobte so Ben Verwaayen, Chef des Telekomausrüsters Alcatel-Lucent. Vielleicht lag dies auch daran, dass die meisten Großbanken vorsorglich gar nicht erst gekommen waren.

Natürlich gab es auch in Dalian warnende Stimmen, allen voran vom China-Experten Stephen Roach, die das Ende der Krise noch lange nicht sehen. Dennoch es sei gut, dass das Forum nach vorn blicke, lobt jedoch Roland Sackers, Finanzvorstand des in Deutschland gegründeten Biotech-Unternehmens Qiagen. "Wir können hier zudem wichtige neue Kontakte knüpfen und unsere Produkte bekannter machen."

Zur Bekanntheit unter Chinas Massen verhalf das Dalian-Treffen aber einem Gast aus der Politik - dem neuen US-Botschafter in der Volksrepublik Jon M. Huntsman. Sein kurzer Auftritt löste unter den chinesischen Medien wahre Begeisterung aus. Denn was die meisten im Saal zuvor nicht wussten: Huntsman ist ein alter China-Watcher und spricht fließend Mandarin. Auf dem Podium ließ der smarte und braun gebrannte Politiker, Typ Wolfgang Joop, so immer wieder einen chinesischen Satz einfließen. Da gingen unter den Chinesen im Saal die Daumen nach oben.

Nach dem Ende der Diskussionsrunde umlagert die chinesische Presse dann auch Huntsman wie einen Rockstar. "Bitte noch mal auf Chinesisch", bettelte eine junge Journalistin um einen O-Ton. An der Kaffeebar sitzen sich derweil die Top-Manager, um die Erkenntnisse von Dalian zu besprechen. Die Welt habe sich bereits sehr grundlegend geändert und China spiele eine ganz neue Rolle, lautet die einhellige Meinung. "Nur der Orangensaft ist immer noch warm", grummelt ein Amerikaner und winkt einem der jungen Blauhemden zu.

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