Zum neuen Jahr Estland bekommt den Euro, Ungarn übernimmt EU-Vorsitz

Doppelte Freude in Estland: Das baltische Land, Musterknabe der Wirtschaftspolitik, hat zum neuen Jahr den Euro eingeführt. Außerdem: Ungarn übernimmt die EU- Ratspräsidentschaft, Deutschland zieht in den UN-Sicherheitsrat ein.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Estlands Premierminister Andrus Ansip: Freude über den Euro. Quelle: dpa

HB TALLINN/BRÜSSEL/BUDAPEST/NEW YORK. Estland hat als 17. Land den Euro eingeführt - mitten in der europäischen Schuldenkrise. Estland ist das dritte unter den neuen ost- und zentraleuropäischen Mitgliedern der Europäischen Union, das die Gemeinschaftswährung übernimmt. Zuvor hatten Slowenien und die Slowakei dieses Ziel erreicht. Die Währungsumstellung verlief ohne Schwierigkeiten, wie die Zentralbank am Samstag in der Hauptstadt Tallinn mitteilte.

Um Mitternacht wurde das baltische Land mit 1,3 Millionen Bürgern, das der Europäischen Union seit 2004 angehört, das 17. Euro-Land - als erste frühere Sowjetrepublik. In Tallinn wurde auch der Euro- Start mit einem Feuerwerk gefeiert. Endgültig grünes Licht für die Einführung der EU-Währung in Estland hatten die Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen im Juni in Brüssel gegeben. Insgesamt leben nun in der Eurozone 330 Millionen Menschen.

Kurz nach Mitternacht hob Ministerpräsident Andrus Ansip erstmals Euro-Banknoten an einem Geldautomaten ab. Umgeben von Journalisten zog er 20 Euro. "Dies ist eine kleine Summe für die Eurozone, aber ein großer Schritt für Estland", sagte Ansip. Die Euro-Einführung bestätige den Status Estlands als europäische Nation.

Estland erfüllt im Gegensatz zu seinen Nachbarn Lettland und Litauen die Beitrittsbedingungen mit einem annähernd ausgeglichenen Staatshaushalt und geringen öffentlichen Schulden. In seiner Neujahrsansprache zollte Präsident Toomas Hendrik Ilves seinen Bürgern daher Anerkennung, selbst in der Schuldenkrise Europas die Bedingungen zu erfüllen.

Ungeachtet der Turbulenzen an den Märkten für Staatsanleihen der hoch verschuldeten Euro-Staaten warb Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Gemeinschaftswährung. "Der Euro ist ja weit mehr als eine Währung", sagte sie in ihrer Neujahrsansprache. Der Euro sei die Grundlage für den Wohlstand im Land, betonte die CDU-Vorsitzende, die sich ausdrücklich zur europäischen Idee bekannte. "Das vereinte Europa ist der Garant für unseren Frieden und Freiheit."

EU-Währungskommissar Olli Rehn nannte den Euro-Beitritt Estlands schon am Freitag eine "gerechte Belohnung für ein Land, das sich einer soliden Haushaltspolitik verschrieben hat". Der Euro werde der estnischen Wirtschaft Stabilität und Wohlstand geben.

Direkt nach der Umstellung berichteten Händler von Störungen in Registrierkassen. Die estnische Krone soll bis Mitte Januar parallel in den Geschäften als Zahlungsmittel akzeptiert werden.

Unter dem kritischen Blick seiner Partner hat Ungarn als Nachfolger Belgiens für sechs Monate die EU- Ratspräsidentschaft übernommen. Zeitgleich trat das umstrittene neue ungarische Mediengesetz in Kraft, das Presse und Rundfunk einer engen Staatskontrolle unterwirft. In der EU und der ungarischen Opposition wird geargwöhnt, das Gesetz bereite einer Zensur den Weg.

Das Mediengesetz sieht die Schaffung eines Aufsichtsamtes vor, dessen Mitarbeiter der Regierungspartei angehören. Hält es eine Berichterstattung für fehlerhaft, drohen hohe Geldstrafen, die für manche Medien den Ruin bedeuten können. Alle ungarischen Oppositionsparteien wollen gegen das Gesetz klagen. Die rechtsradikale Jobbik beanstandete am Freitag, dass Journalisten gezwungen werden könnten, ihre Quellen offenzulegen. Die liberal- grüne Partei LMP monierte, dass die Medienbehörde nach Gutdünken TV- und Radiofrequenzen ohne Ausschreibung vergeben könne.

Die deutsche Bundesregierung, aber auch die Regierungen in Prag und Luxemburg sowie alle maßgeblichen Menschenrechtsorganisationen und Fachverbände kritisieren das Gesetz. Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte Ungarn, die EU-Normen einzuhalten. Die Bundesregierung erwarte, dass Ungarn das Gesetz überarbeitet, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer (FDP).

Sozialdemokraten und Liberale im Europaparlament brachten die Idee ins Spiel, Ungarn notfalls die Ratspräsidentschaft zu entziehen, sollte das Gesetz nicht entschärft werden. Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff sagte WDR 5, das Mediengesetz verstoße gegen europäische Werte. Dagegen warnte der außenpolitische Sprecher der CSU im Europaparlament, Bernd Posselt, vor vorschnellen Urteilen.

Die Demokratie in Ungarn sei nicht gefährdet, sagte er WDR 5. Staatsbehörden zur Medienkontrolle gebe es in ähnlicher Form auch in anderen Ländern.

Ungarns Regierungschef Orban wies alle Vorwürfe zurück. Er nannte es "bedauerlich", dass die internationale Kritik "nichts Konkretes" enthalte, sondern "nur Befürchtungen und Drohungen". Entsprechende Gesetze gebe es schon in anderen EU-Staaten. Orbans Regierung hat eine starke Position, weil seine rechtspopulistische Partei FIDESZ im Parlament über eine Zweidrittelmehrheit verfügt.

Orban hält die krisenerfahrenen Ungarn für besonders geeignet, angesichts der vielen Probleme der Europäischen Union (EU) jetzt eine führende Rolle zu übernehmen. "Die Ungarn sind (...) ein erprobtes und bewährtes Volk, das viele Krisen meistern konnte, weshalb ich Ihnen sagen kann, dass es eine gute Sache für Europa ist, in diesen Zeiten einen ungarischen Vorsitz zu haben", sagte Orban in einem Interview, das am Samstag auf der Homepage des Europäischen Rats erschienen ist.

Ungarn ist seit 2004 EU-Mitglied und übernahm erstmals die Ratspräsidentschaft. Erklärte Schwerpunkte Budapests für die EU- Arbeit sind eine gemeinsame Donau-Strategie sowie ein europaweiter Plan zum Umgang mit Roma. Ferner stehen die Förderung der kulturellen Vielfalt sowie die EU-Erweiterung auf der ungarischen Agenda. Dabei will sich Budapest vor allem für die EU-Aufnahme Kroatiens stark machen. Als Höhepunkt ist im Mai in Schloss Gödöllö bei Budapest ein Ostpartnerschafts-Gipfel geplant, zu dem auch US-Außenministerin Hillary Clinton angekündigt ist.

Deutschland ist die nächsten zwei Jahre im UN-Sicherheitsrat. Ohne große Zeremonie sollten am Freitag die Fahnen der fünf ausscheidenden Länder, darunter Österreich, aus dem Eingangsbereich des mächtigsten UN-Gremiums entfernt und durch die Flaggen der fünf Nachrücker ersetzt werden. Wegen des Jahreswechsels und eines UN-Feiertags am Montag wird der neue Sicherheitsrat mit Deutschlands UN-Botschafter Peter Wittig am Tisch aber erst am Dienstag zusammentreten.

Deutschland war im Oktober in den Sicherheitsrat gewählt worden. Das Gremium, quasi der Aufsichtsrat der Weltorganisation, besteht aus 15 Nationen, von denen zehn nichtständige Mitglieder für zwei Jahre sind. Das wichtige Vetorecht hat Berlin allerdings nicht. Nur die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich können als ständige Mitglieder mit ihrer Stimme jeden Vorstoß zu Fall bringen.

Deutschland übernimmt im Juli turnusgemäß die Präsidentschaft des Sicherheitsrates. Der Monat gilt als besonders arbeitsreich, weil vor der inoffiziellen Sommerpause im August oft noch Themen zum Abschluss gebracht werden sollen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%