Düsseldorf Von den Kanzlerkandidaten hat er einer am schwersten. Aus der Opposition heraus ist es leicht, die Abteilung Attacke anzuschmeißen. Aber als Regierungsmitglied? Trotzdem muss es Rainer Brüderle gelingen, das Profil der FDP schärfen – ohne es sich mit der Union zu verscherzen.
Stützen kann sich der Liberale auf seine Erfahrung: Er mischt seit Jahrzehnten in der Politik mit, ist der älteste der aktuellen Spitzenkandidaten. Einer, der gewohnt ist, mit der Unsicherheit, ob es die FDP schafft, umzugehen. Wie schlägt er sich bei seinen Auftritten im TV? Da das der Zugang ist, den die meisten Wähler zu den Spitzenpolitikern haben, stützt sich auch diese Analyse auf die Bilder, die via TV oder im Internet zu sehen sind.
Im Sommerinterview des ZDF wird Brüderle sofort mit seinen Unfall, der ihn zwingt mit Krücken zu gehen, und der #Aufschrei-Dabatte konfrontiert. Er bemüht sich, dass man ihm die Aussagen glaubt, dass das am Wahlkampf nichts ändere. Und doch bemerkt man dieses Bemühen. Mit seinen Antworten betont er auch noch, was ihm der Journalist Thomas Walde zu unterstellen versucht: Er beginnt seine Antworten mit „keine Angst“ oder „nicht gehemmt“. Dazu kommt, dass seine Stimme scheinbar angeschlagen ist. Sie wirkt heiser und überstrapaziert. Stimmlich kann er sich so kaum durchsetzen.
Dabei ist er ein durchaus professioneller Redner. Im Bundestag oder auf dem Parteitag spricht er gut betont, setzt Gestik ein und baut seine Reden rhetorisch sauber auf. Er setzt sogar häufig wirkungsvolle Stilmittel wie Anapher, Trias und Climax ein und nutzt schöne und deutlich akzentuierte dramaturgische Wechsel zwischen Angriff und Vertrautheit. Er wirkt nicht so aggressiv, wie viele Politiker glauben wirken zu müssen. Es wirkt eher nach Wut und Unverständnis. Und doch fehlt da etwas.
Er wankt ständig hin und her. Steht er zu dem, was er sagt?
Brüderle ist souverän – nur dass einige kleine Signale ihn schwächen. Er wankt ständig hin und her, da sein Stand nicht fest ist. Steht er zu dem, was er sagt? Auch sein Blick bleibt nie wirklich an jemandem hängen. Er wechselt sehr schnell und oft von ganz links nach ganz rechts. Ein wirklicher Kontakt entsteht so nicht. Seine Sprechpausen sind gut gesetzt, aber zu kurz, um wirklich die erwünschte Wirkung zu erzielen. Ein guter Redner, dem diese Kleinigkeiten jedoch die große Wirkung verwehren.
Der Spitzenkandidat der FDP greift gerne dem SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück an und auch am Grünen Jürgen Trittin lässt er wenig Gutes. Amüsant finde ich den Unterschied, wie er das tut. Während er Steinbrück direkt anspricht und auch entsprechende Worte findet („Peer Steinbrück, der gelegentlich als ‚diplomatische Neutronenbombe‘ bezeichnet wurde“), ihn dabei wenigstens kurz ansieht, redet er über Trittin, als wolle er ihn gar nicht wahrnehmen. Er lässt ihn links liegen, obwohl dieser im Bundestag in der ersten Reihe sitzt.
Brüderle greift auf der Sachebene an und wird nicht direkt beleidigend. Dabei wird er richtig engagiert und laut. Um dann sofort wieder ruhig in einen vertraulichen Ton zu wechseln, sobald eine neues Thema beginnt. Ein schöner Kontrast.
Gut kann Brüderle mit Mimik – auch wenn das Lächeln zu kurz kommt. Ab und zu kommt es mal ansatzweise durch, wenn er sich freut über seine positiven Aussagen oder wenn der Applaus besonders groß ist.
Beim Spitzenkandidaten Brüderle entsteht der Eindruck, dass ein handwerklich solider Politiker der alten Schule seine Hausaufgaben macht.
Fazit: Souverän, professionell, wirkungsvoll: Brüderle ist ein guter Redner, dem Kleinigkeiten die große Wirkung verwehren. Zum Beispiel das Lächeln, das zu kurz kommt. Und da ist noch etwas: Er polarisiert zu wenig, um positives Image aufzubauen.
Michael Moesslang ist Trainer für Präsentation und Körpersprache.
