Serie „Bodycheck“ Mit seiner Stimme fängt Trittin keine Stimmen

Geballte Fäuste, stechende Zeigefinger, das Spiel mit der Stimme – auf welche Gestik setzen Spitzenpolitiker und wie wirkt sie? Ein Körpersprachen-Experte analysiert die Kandidaten. Heute: Das grüne Spitzen-Duo.

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Ein gegensätzliches Duo: Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin.

Düsseldorf Wenn man das Bild eines wahlkämpfenden Politikers vor Augen hat, dann ist das häufig dieses: Mit wildem Fuchteln von Hand und Arm stellt er sein Aggressionspotenzial unter Beweis. Der eine Spitzenkandidat der Grünen, Jürgen Trittin, ist so einer. Immer wieder schlägt er mit einem oder sogar beiden Armen virtuelle Feinde tot. Dabei macht dieses Verhalten am Rednerpult auf mich den Eindruck, als hätte ihm das jemand beigebracht. Denn seine Schläge passen eigenartigerweise nicht synchron zu den Worten, wirken also nicht authentisch. Im übrigen ist es auch keineswegs zeitgemäß, so viel Aggression zu zeigen.

Die Präsenz, die Jürgen Trittin bei seinen Live-Auftritten hat, allein schon durch seine Statur, erleben nur die wenigsten Wähler. Deshalb beschränkt sich diese Analyse auch auf den Eindruck, den jene Zuschauer gewinnen, die Trittin via TV bei seinen Reden im Bundestag oder in Interview-Situationen erleben. Wen wir aber hauptsächlich durch die Medien kennen, den können wir nur durch Körpersprache und Stimme einschätzen. Und selbst dann, wenn wir intensiv Wahlprogramme lesen und vergleichen, wird unser Unterbewusstsein immer noch ein gewichtiges Wörtchen mitreden.

Heute wird von Politikern erwartet, dass sie uns zuverlässig und mit kühlem Kopf durch die größten Krisen führen können. Der cholerisch aufbrausende Politiker-Typ à la Chruschtschow, der bei einer UN-Rede einen dritten Schuh dabei hatte und mit diesem wütend aufs Rednerpult schlug, ist heute nicht mehr gefragt. Vielmehr ist es das Ziel, Vertrauen zu gewinnen. Inhaltlich gelingt dies Trittin sicher bei seiner Wählerschaft. Doch Körpersprache wirkt unbewusst, wirkt tiefer. Und wer mit seinem Finger auf die Zuhörer einsticht oder mit der Faust auf sie schlägt, regt Abwehrmechanismen an.

Auffällig bei Trittin ist, dass er den Oberkörper oft eigenartig weit nach hinten lehnt. Und, dass selbst in emotional-aggressiven Phasen oft eine Hand für längere Zeit in seiner Hosentasche verschwindet. Das ist nicht gerade der Weg, Sympathien – und dadurch Vertrauen – zu gewinnen. Versteckte Hände wirken immer negativ.


„Göring-Eckardt ist nicht spannend genug“

Der Grüne nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er dem Gegner Inhalte vorwirft und wird dabei schon Mal beleidigend werden kann, gegen die Kanzlerin etwa oder den CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, den er einen „Ochsenfrosch“ nannte. Auch Journalisten dürfen sich auf Konfrontation einstellen, wenn sie kritisch nachfragen.

Er geht also konsequent den Weg des Kämpfers, der keine Rücksicht auf Befindlichkeiten nimmt. Der damit seine Partei im Rücken glaubt. Der seine Reden im Bundestag schreit. Er legt sehr viel Druck in seiner Stimme.
Dabei kann Trittin auch anders. Manchmal stimmt er eher mildere Töne an, wird langsamer. Gönnt seinen Zuhörern die so wichtigen Sprechpausen. Obwohl die dann immer noch zu kurz sind. Dafür presst er dann seine Lippen fest aufeinander. Und schließt die Augen, was schon Mal arrogant wirkt. Wenn er ruhiger spricht kommt, der nasalierende, leicht müde Klang seiner Stimme zum Vorschein. Fazit: Mit seiner Stimme wird er keine Stimmen fangen.

Jürgen Trittin kann auch schlagkräftig sein und mit viel Wissen auf jede Situation reagieren. Dennoch entsteht beim grünen Spitzenkandidaten schnell der Eindruck, wäre er in der politischen Verantwortung, würde sich der Ton verschärfen. Wer diesen Eindruck hinterlässt, wird nur längst überzeugte Parteianhänger als Wähler gewinnen.

Ganz anders präsentiert sich die zweite im Bunde: Katrin Göring-Eckhardt. Im Vergleich zu ihr kann Jürgen Trittin zumindest für sich behaupten, der Auffälligere und Polarisierendere zu sein. Denn Göring-Eckardt fällt zwar durch kräftige Farbakzente in der Kleidung auf, wirkt jedoch farblos am Rednerpult oder in Interviews.

Auf wirkungsvolle Pausen wartet der Zuhörer bei ihr vergebens. Betonung und Gestik sind ebenfalls so schwach, dass sie kaum auffallen. Ihre Reden sind häufig vorgelesen – und klingen genau so. Da sie dabei tatsächlich viel aufs Blatt schaut – man kann durchaus lernen, kurz zu lesen, dann aber wieder viel Blickkontakt zum Publikum zu haben – entsteht wenig Verbindung zu den Zuhörern.

Fazit: Dass Trittin häufiger in den Medien auftaucht, liegt nicht nur an seiner größeren Bekanntheit. Er ist schlagfertig, seine Reden sind kämpferisch – was allerdings auch viele Zuschauer abschreckt. Göring-Eckardt dagegen ist einfach nicht spannend genug, um gleichberechtigt neben Trittin zu wirken.

Michael Moesslang ist Trainer für Präsentation und Körpersprache.

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