Skurriles Investment Burger statt Dividenden

Jeder bekommt gern Geschenke – vor allem in Japan. Unternehmen machen sich das zu Nutze und schenken ihren Anleger regelmäßig Burger, Reissäcke oder auch Kleidung. Profianleger sind davon gar nicht begeistert.

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In Japan sind Sachgeschenke für Aktionäre im Trend. Dazu gehören auch Essensgutscheine und Reissäcke. Quelle: dpa

Tokio Viele Aktienanleger erhalten Dividenden. Hiroto Kiritani erhält Melonen. Und Ramen-Nudeln, Hamburger von McDonald's, die Kleider am Leibe - eigentlich alles, was ihm japanische Unternehmen kostenlos zuschicken, nur weil er deren Aktien hält.

Der 65-jährige Kiritani ist im großen Stil in einer obskuren Ecke der japanischen Investmentwelt unterwegs: „Yutai“, was grob übersetzt „Gastfreundlichkeit“ bedeutet.

Yutai sind Geschenke, die eine zunehmende Anzahl japanischer Firmen aus Höflichkeit an ihre Anteilseigner schicken - eine Art Dankeschön für den Besitz ihrer Aktien. Zwar gibt es auch in anderen Ländern gelegentlich Zuwendungen für die Aktionäre, doch in Japan hat die Praxis ihr ultimatives Stadium erreicht und eine ganze Heimindustrie um Yutai hervorgebracht.

Kiritani ist das überraschende Gesicht dieser Gratisgeschenke geworden. Der ehemalige Profispieler einer japanischen Variante von Schach musste dabei zusehen, wie seine Aktieninvestments im Zuge der Finanzkrise 2008 einbrachen. Doch anstatt zu verkaufen hielt er an den Anlagen so weit wie möglich fest und kam mithilfe der Yutai über die Runden.

„Von Yutai zu leben hat mich gerettet“, sagt Kiritani. Noch besser sei es natürlich, dass sich seine Investments mittlerweile wieder erholt haben. „Wertpapierfirmen sagen, man solle seine Verluste beschränken, wenn die Aktien fallen, aber ich sage, man sollte es aussitzen.“

Yutai kommen in vielen Formen von Reissäcken bis hin zu kostenlosen Hotelaufenthalten. Bei Oriental Land, dem Betreiber von Tokio Disneyland, gibt es beispielsweise einen gratis Tagesausflug in den Erlebnispark. Das IT-Unternehmen Densan System bietet derweil verschiedene Optionen von Ramen-Nudeln über Melonen bis hin zu Schinken an.

Die Praxis ist in einer Kultur verwurzelt, in der saisonale Präsente Bestandteil des Lebens sind. Yutai gibt es normalerweise im Hochsommer und zum Jahresende, wenn die Japaner Familienmitglieder, Freunde und Geschäftspartner beschenken.

Heutzutage wenden sich immer mehr japanische Firmen solchen Yutai zu, um Anleger zu umwerben. Bis August haben Nomura Investor Relations Co. zufolge etwa 1146 Aktiengesellschaften solche Zuwendungen angeboten, was rund 30 Prozent der öffentlichen Unternehmen entspricht. Im Jahr 1992, als Nomura erstmals Yutai recherchierte, waren es nur 251 gewesen.


Vermögensverwalter sind skeptisch

Vermögensverwalter, insbesondere jene außerhalb Japans, sind von den Yutai nicht so begeistert. Denn dabei erhalten alle Aktionäre meist dieselbe Zuwendung, unabhängig vom Umfang ihrer Beteiligung. Außerdem muss man generell in Japan sein, um die Geschenke einzusammeln. Das bedeutet, dass in erster Linie lokale Privatinvestoren von den Yutai profitieren.

Wenn ein Anleger keine Lust auf Melone hat, kann er sein Gratisgeschenk auch zu Geld machen. Firmen wie Yutai-Market nutzen den Markt ungewollter Zuwendungspräsente und kaufen diese mit Rabatt von Vermögensverwaltern und anderen auf. Yutai- Markets verkauft sie dann auf der Ticket Online Webseite weiter.

Japaner sind „die einzigen, die sich über Yutai freuen“, sagt Kiyoshi Ishigane, Chefstratege bei Mitsubishi UFJ Asset Management. „Für Gesellschaften bedeutet das nur mehr Arbeit. Bargeld oder höhere Dividenden wären besser.“

Das sollte Kiritani lieber nicht zu Ohren kommen. Während seines Interviews in einem Café in der Vorstadt Tokios, wo er ein Joghurtgetränk umsonst bekommt, kann er seine Begeisterung für Yutai kaum zügeln. Seine Bekleidung von Kopf bis Fuß verdankt er seinen Aktienanlagen: ein brauner Pulli von Jeans Mate, braune Hosen von Himaraya und eine Uhr von NEC Capital Solutions.

Kiritani hat nach eigenen Angaben in etwa 500 Yutai-Aktien investiert. Zu seinen aktuellen Beteiligungen gehören auch die Restaurantbetreiber Colowide und Diamond Dining, die ihm Essensgutscheine schicken. Colowide-Aktien sind im vergangenen Jahr um 60 Prozent hochgeschossen, während sich der Diamond-Dining-Kurs mehr als verdoppelte.

„Wenn man Aktien mit Yutai kauft, sind die Erträge gut, denn es gibt Dividenden und auch Zuwendungen“, erklärt Kiritani. Ein gewiefter Yutai-Stockpicker kann seiner Einschätzung nach auf eine Gesamtrendite - durch Dividenden und Geschenkwert - von fünf Prozent kommen. Auf Spareinlagen bei einer Bank bekommt man dagegen fast gar nichts.

Kiritani will an seiner Yutai-Strategie festhalten, auch wenn sich seine Aktieninvestments vom Schock der Finanzkrise wieder erholt haben. „Jeder bekommt gerne Geschenke“, sagt er.

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