Studie zu Unterforderung Ein Arbeitstag Langeweile pro Woche

Fragt man Chefs, was sie über die Mitarbeiter denken, bescheinigen sie diesen Unterforderung. Bis zu acht Stunden pro Woche seien ihre Leute schlicht gelangweilt. Nur Luschen im Betrieb – kann das wirklich stimmen?

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Dauerhafte Langeweile kann genauso schädlich sein wie dauerhafter Stress. Quelle: Getty Images

Bonn Sind Chefs nicht merkwürdige Wesen? Arbeiten sich tagein, tagaus in ihrer Firma ab (Stress ist schließlich das neue Statussymbol), mit dem Ergebnis permanenter Unzufriedenheit: Unzufriedenheit mit den Mitarbeitern. Während die sich dauernd erschöpft, übermüdet, krank oder ausgebrannt fühlen, kommt eine aktuelle Studie des Personalvermittlers Robert Half zu einem überraschenden Ergebnis.

Statt Hektik und Überforderung herrsche in deutschen Büros phasenweise pure Langeweile. Laut 56 Prozent der befragten 500 Manager sind die Angestellten bis zu acht Stunden pro Woche – also einen vollen Arbeitstag – von ihren Aufgaben im Job gelangweilt. Der Studie (Arbeitsmarkt 2017) zufolge glauben lediglich 40 Prozent der Vorgesetzten, dass sich ihre Mitarbeiter nie langweilen.

„Dass über die Hälfte der befragten Manager Langeweile in den Reihen ihrer Angestellten vermutet, hat uns überrascht“, sagt Thomas Hoffmann von Robert Half, „zumal einige der angeführten Ursachen mit vergleichsweise wenig Aufwand behoben werden könnten. Routinearbeiten etwa könnten im Team regelmäßig neu verteilt oder mit externer Unterstützung abgearbeitet werden. Neue Herausforderungen können Manager schaffen, indem sie Mitarbeitern sukzessive mehr Verantwortung übertragen und sie ermutigen, selbst Lösungen zu finden.“

Es liegt es also vielmehr an schlechten Strukturen und mangelndem Delegationsvermögen der Vorgesetzten als an der Unfähigkeit der Mitarbeiter. Sie kennen sicher den Spruch von Giovanni Trapattoni: „Ein guter Trainer kann eine Mannschaft um zehn Prozent verbessern, ein schlechter macht sie 50 Prozent schlechter.“

Ein Aufgabenprofil, das nicht fordert und keine Anreize setzt, zählen die Führungskräfte zu den Hauptursachen für Langeweile (30 Prozent). Genau so viele sehen in schlecht organisierten oder zu häufig angesetzten Meetings einen Grund (30 Prozent). Dicht darauf folgt mangelnde Vielfalt/Abwechslung innerhalb der Funktion – ein Problem, das offenbar ebenfalls weit verbreitet ist. Konkret hatte Robert Half gefragt:

Welche der folgenden Gründe sind Ihrer Meinung nach die Hauptursachen für die Langeweile Ihrer Mitarbeiter?

Sie fühlen sich von ihren Aufgaben nicht gefordert30 Prozent
Zu viele oder schlecht organisierte Meetings30 Prozent
Mangelnde Vielfalt/Abwechslung innerhalb der Funktion28 Prozent
Die Arbeit an sich ist nicht interessant22 Prozent
Sie leiden unter zu vielen strikten Richtlinien und Prozeduren20 Prozent
Sie haben keine Freude am Austausch mit ihren Kollegen20 Prozent
Schlechtes/ineffizientes Management19 Prozent
Es gibt nicht genug zu tun17 Prozent
Sie verstehen die Bedeutung ihres Beitrags zur Profitabilität des Unternehmens nicht8 Prozent


Was gelangweilte Mitarbeiter tun können

Auch wenn viele Chefs und Manager gelegentlich daran zweifeln: „Die meisten Menschen wollen an ihrem Arbeitsplatz etwas leisten“, schreibt der Unternehmer und Berater Marc Schmidt in seinem durchaus empfehlenswerten Buch „Nur noch ein Mal ärgern. Das Anti-Frust-Programm für Unternehmer und Chefs“, das gerade bei Gabal erschienen ist. Die Zahl der Mitarbeiter, die in einem Unternehmen in der festen Absicht anheuern, sich einen faulen Lenz zu machen und schauen, dass sie möglichst viel Arbeit auf andere abwälzen, um ihrem Chef täglich auf die Nerven zu gehen, dürfte gering sein. Schmidt: „Fast jeder Mitarbeiter startet erwartungsfroh und voller Hoffnung in einen neuen Job.“

Reinhard K. Sprenger, einer der erfolgreichsten Management-Berater Deutschlands, sagt, man müsse Mitarbeiter nicht motivieren. Es genüge vollkommen, sie nicht zu demotivieren. „Ein guter Anfang ist daher, als Chef den Leistungswillen seiner Leute nicht zu zerstören“, rät Marc Schmidt.

Mehr Abwechslung im Job liegt allerdings nicht nur in der Verantwortung der Chefs. Auch Arbeitnehmer können mit konkreten Maßnahmen akuter und dauerhafter Langeweile entgegentreten, rät wiederrum Robert Half-Experte Thomas Hoffmann:

  1. Jeder sollte sich fragen: Warum bin ich gelangweilt? Warum finde ich meine Arbeit nicht interessant? Liegt es an Unterforderung oder gibt es andere Gründe? Was fehlt mir, um eine spürbare Verbesserung herbeizuführen?

  2. Gelangweilte Mitarbeiter sollten das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen und den Wunsch nach Veränderung äußern. Dabei lösen konkrete Vorschläge für eine gezielte Weiterbildung, eine neue Herausforderung oder eine andere Tätigkeit innerhalb des Unternehmens am schnellsten das Problem.

  3. Finden sich keine Möglichkeiten, die Arbeit abwechslungsreicher zu gestalten oder sich intern neuen Herausforderungen stellen, sollte ein Jobwechsel in Betracht gezogen werden. Mitarbeiter sollten einen Jobwechsel nicht prinzipiell mit einem Denkverbot belegen, sondern – falls erforderlich – als gleichberechtigte Lösung in Betracht ziehen.

Unterfordert zu sein ist übrigens nicht gleichzusetzen mit Faulheit und Däumchen drehen. Denn: „Dauerhafte Langeweile kann genauso schädlich sein wie dauerhafter Stress“, erklärt Hoffmann. „Mitarbeiter, die sich langweiligen, empfinden Druck, den sie sich selbst auferlegen. Außerdem stellen sich Resignation und Lethargie ein, wenn Anerkennung und Wertschätzung ausbleiben. Im schlimmsten Fall sind das Bore-out-Syndrom und Depressionen die Folge.“

Dagegen könne eine professionelle Jobberatung und -vermittlung sehr schnell zu einer Lösung führen. „Viele Bewerber kommen mit dem Wunsch zu uns, eine abwechslungsreiche Arbeit zu finden, deren neuer Job den individuellen Qualifikationen und dem Wunsch nach sinnstiftenden Aufgaben viel eher entspricht“, so Hoffmann. Eine sinnvolle Tätigkeit und das Gefühl, im Beruf etwas zu leisten, seien wiederum zwei der wichtigsten Faktoren für das Glück am Arbeitsplatz, wie eine weitere Studie von Robert Half zeige. Hoffmann: „Hier wird ganz deutlich: Eine Veränderung kann viele Vorteile haben – für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer.“

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