Tankstellenwerbung im Wandel Vom Tiger im Tank zu Rewe to Go

Einst warben Aral, Shell und Esso mit der Treibstoff-Qualität, heute setzen sie auf Rabattaktionen. Eine Studie dokumentiert den Bedeutungsverlust der Zapfsäule anhand des Wandels der Imagekampagnen der Tankstellen.

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Historische Esso-Werbung. Quelle: PR

Düsseldorf Als Werbung noch Reklame hieß, waren Diesel und Benzin weit mehr als Treibstoff. „Pack den Tiger in den Tank“, forderte Esso seine Kunden Mitte der 60er Jahre erstmals auf. Denn wer einen tierischen Freund mit an Bord habe, so hieß es damals, profitiere in dreifacher Hinsicht – von erhöhter Kilometerleistung besserer Beschleunigung und einem ruhigeren Motorlauf. Das Fazit: Nur mit dem richtigen Sprit braust man spurtstark, temperamentvoll und geschmeidig wie ein Tiger durch die Gegend.

Bei der Esso-Konkurrenz gab es zwar keine wilden Tiere in der Werbung, aber die Botschaft war nahezu identisch. „Der billigste Kraftstoff ist manchmal der teuerste“, betitelte Aral etwa Anfang der 90er-Jahre ein Plakatsujet. Zu sehen war ein Anzugträger, der neben seinem Auto mit offener Motorhaube steht und ein Pannendreieck in der Hand hält. Der Subtext: Tankstelle ist nicht gleich Tankstelle und Benzin nicht gleich Benzin. Wer Sprit mit einer zu niedrigen Oktanzahl tankt, riskiert schwere Klopfschäden im Motor und damit eine Panne.

Noch bis vor einigen Jahren versuchten sich die großen Mineralölkonzerne vorwiegend über die Qualität des Sprits, den sie an ihren Tankstellen feilboten, zu unterscheiden. Heute werben die Ölmultis für ihre Stationen hingegen meist mit Rabattaktionen, Treuesystemen und Serviceleistungen. Eine neue Studie der Unternehmensberatung Ebiquity, die sich auf Media- und Marketing spezialisiert hat, dokumentiert nun anhand des Wandels der Imagekampagnen der Tankstellenketten den drastischen Bedeutungsverlust der Zapfsäule.

„Mineralölkonzerne setzen in der Werbung nicht mehr nur auf die Qualität ihrer Benzin- und Diesel-Kraftstoffe, sondern rücken den Fokus auf die stationären Mehrwerte in den Tankstellen wie Programme zur Kundenbindung, Bistro- und Shop-Systeme“, sagte Hellmut Fischer, General Manager von Ebiquity in Deutschland, Österreich und der Schweiz, dem Handelsblatt.

Laut Ebiquity haben sich die Werbeausgaben der fünf großen Tankstellenketten in Deutschland (Aral, Shell, Esso, Total, Jet) in den vergangenen sechs Jahren halbiert. Gab das Tankstellen-Quintett im Jahr 2010 noch mehr als 41 Millionen Euro aus, waren es 2016 nur noch 19 Millionen Euro. Bei den einzelnen Werbungen zeigt sich zudem: Diesel und Benzin werden zur Nebensache. Beim Marktführer Aral betrug der Anteil von Cafè- und Bistrowerbungen an den gesamten Werbeausgaben in den vergangenen Jahren beispielsweise teils schon mehr als 60 Prozent.

Aktuell preist Aral vor allem seine Kooperation mit dem Lebensmittelriesen Rewe an. „Frisch, schnell, neu: Rewe to Go. Jetzt auch bei Aral“, steht auf den aktuellen Plakatsujets. In der Werbung spiegelt sich damit so sichtbar wie nirgendwo sonst wider, womit die Tankstellen heute eigentlich ihr Geld verdienen. Vor 30 Jahren waren Kraft- und Schmierstoffe noch die wichtigste Einnahmequelle. Diesel und Benzin standen für 39 Prozent des Gewinns. Das Geschäft mit dem Shop (16 Prozent), Autowäsche (21 Prozent) und sonstigen Dienstleistungen (24 Prozent) war hingegen weit weniger bedeutend. In den vergangenen Jahren hat sich das Geschäftsmodell der Tankstellen komplett gedreht.


Tankstellen setzten auf Bonusprogramme

Heute ist der Shop der größte Gewinnbringer und steht etwa bei Aral für 61 Prozent des Ertrags. Die Zapfsäule mit ihren Kraftstoffen ist hingegen nur noch für elf Prozent des Gewinns an den Tankstellen verantwortlich, Autowäschen stehen für 19 Prozent des Ertrags und sonstige Dienstleistungen für neun Prozent. Die Tankstellenketten kooperieren in Folge dieser Entwicklung nicht nur zunehmend mit Einzelhändlern – sie setzen auch auf ähnliche Werbemethoden, um treue Kunden zu gewinnen.

„Der über viele Jahre kontinuierliche Anstieg der Benzinpreise hat die Verbraucher preissensibler gestimmt und Automobilkonzerne zum Umdenken gezwungen. Diese Entwicklung ist in der werblichen Positionierung erkennbar“, erklärt Ebiquity-Manager Fischer. In der Werbung der Tankstellenketten stünden ähnlich wie bei Einzelhändlern verstärkt Bonusprogramme für eine langfristige Kundenbindung im Vordergrund, analysiert Fischer.

Insbesondere Treuekarten zählen zu den wichtigsten Methoden der Tankstellen, um Kunden zu mehr Markentreue zu bewegen anstatt einfach jene Station anzusteuern, die den billigsten Sprit anbietet. „Das Leben ist zu kurz, um Benzinpreise zu vergleichen“, wirbt etwa Shell seit Mitte 2015 für seinen Club. Wer Mitglied ist, erhält Rabatte und eine Garantie auf niedrige Spritpreise. Gerade bei Geschäftskunden gewinnen Treuekarten wie jene von Shell an Bedeutung. Bis zu 80 Prozent des Verkaufs von Dieselkraftstoff hängt laut Ebiquity mittlerweile mit Treuekarten zusammen.

Wie wird aber die Werbung von Tankstellen in der Zukunft aussehen? Für Ebiquity ist klar: Die Nutzung von Kundendaten dürfte dabei eine deutlich größere Rolle spielen. Künftig könnten die Konzerne ihre Kunden etwa verstärkt über personalisierte Kommunikation ansprechen und Treuekarteninhaber gezielt auf Sonderangebote hinweisen.

Die Vermarktung der eigenen Aktivitäten über Social Media und auf eigenen Websites dürfte zudem zunehmen, große Imagekampagnen in Funk- und Fernsehen dagegen eher abnehmen. Das liegt auch daran, dass es immer weniger Tankstellen gibt. Die Anzahl der Tankstellen in Deutschland ist seit 1970 von mehr als 46.000 auf aktuell nur noch 14.500 Stationen gesunken.

Ebiquity erwartet, dass bald auch neue Mobilitätskonzepte wie Carsharing und der Vormarsch der Elektromobilität verstärkt in der Werbung der Tankstellen Einklang finden. Insgesamt sei absehbar, dass der Preis und die Produktqualität in der Werbung an Relevanz verlieren. Faktoren wie die Ladegeschwindigkeit bei Stromtankstellen, Kompetenz und Freundlichkeit sowie weitere Servicedienstleistungen werden dagegen an Bedeutung gewinnen.

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