WirtschaftsWoche: Herr von Bohlen, die deutsche Biotechnik-Branche hat noch kein einziges bedeutendes Medikament auf den Markt gebracht. Ganz aktuell gab es die erste Zulassung - für ein echtes Nischenprodukt. Können es die Deutschen einfach nicht?
Von Bohlen: Nein, das ist nicht der Punkt. Deutschland ist nach vielen Debatten über die möglichen Risiken der Bio- und Gentechnik mit fast zwei Jahrzehnten Verspätung in diese Zukunftsbranche gestartet. Da hatten amerikanische Biotech-Unternehmen schon einen guten Vorsprung.
Warum meinten Sie vor einigen Jahren in der WirtschaftsWoche, dass die Deutschen in dieser Branche Erster werden könnten?
Erster vor den USA ist kaum möglich. Aber hinter den USA: Da sehe ich in und für Deutschland nach wie vor viel Potenzial. Und es gibt ja auch schon erfolgreiche deutsche Biotech-Produkte auf dem Markt, etwa Qiagens Produktpalette für molekulare Analysen.
Und warum noch keine Medikamente?
Weil es gut zehn Jahre oder mehr dauert, bis aus einem interessanten molekularen Ansatzpunkt oder biologischen Wirkstoff ein Arzneimittel wird. Und das klappt ja nicht immer: Statistisch gesehen scheitern 90 Prozent aller Arzneimittekandidaten, die in die klinische Prüfung gelangen.
Keine berauschende Erfolgsquote.
Aber so ist es in den Lebenswissenschaften nun einmal. Das geht Pharma-Konzernen nicht anders. Nur haben die im Gegensatz zu Startups schon Produkte und damit Umsatzbringer auf dem Markt. Große Konzerne können sich zudem viele Medikamenten-Studien gleichzeitig leisten, während ein junges Biotech-Unternehmen nur wenige solcher Entwicklungen finanzieren kann.
Wenn die dann abstürzen, geht das ganze Unternehmen baden, so wie Jerini aus Berlin oder die Münchner GPC?
Also: Jerinis Mittel Icatibant gegen eine seltene Erbkrankheit ist nun ja auf dem Markt. Es wurde mit dem Unternehmen für 370 Millionen Euro an die britische Shire verkauft. So etwas würde in den USA als Erfolg gefeiert. GPC...
...in die der SAP-Mitgründer Dietmar Hopp viel Geld investiert hat...
...hatte mit seinem Krebsmedikament Satraplatin reichlich Pech. Nach der nun geplanten Fusion mit dem US-Biotech-Unternehmen Agennix, das ein Krebsmittel in einer sehr fortgeschrittenen Entwicklungsphase hat, wird die neu fusionierte Gesellschaft in Deutschland ansässig sein.
Wird das mehr als eine Briefkastenfirma?
Ja, ganz sicher. Dietmar Hopp ist Deutschland sehr verbunden. Das Geld, das er jetzt in der Biotechnologie investiert, hat er im badischen Walldorf mit dem Sofware-Unternehmen SAP verdient. Und es ist ihm wichtig, dass Investitionen mit seinem Geld – wenn möglich und sinnvoll – in dieser Metropol-Region Rhein-Neckar oder in Deutschland getätigt werden, damit hier Neues entstehen und sich zukunftsweisende Unternehmen etablieren können. Mein Partner, Christof Hettich, und ich, finden das eine hoch anzurechnende Einstellung.