Zigaretten Blei im Rauch

Wie giftig von der Mafia gefälschte Zigaretten sind, die außer Billigtabak oft auch Kot oder Styropor enthalten.

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Die Fahnder staunten nicht schlecht. Mitten im Gewerbegebiet Köln-Ossendorf stießen sie auf eine illegale Zigarettenfabrik. Die Halle komplett von innen lärmisoliert, in der Mitte eine Produktionsstraße samt Notstromaggregat, im Nebenraum das Bettenlager für ein Dutzend osteuropäische Arbeiter. Eine ähnliche Fabrik fanden Ermittler in Koblenz. Zusammen hatten die Fälscher zwischen Mai 2004 und März 2005 fast 700 Millionen Kippen hergestellt. Ob in Deutschland, Großbritannien, Belgien oder osteuropäischen Ländern, überall stoßen die Fahnder auf illegale Fabriken, die unter primitiven Bedingungen Zigaretten fälschen. Die meisten „Fakes“ stammen indes aus China. In Deutschland waren im vorigen Jahr 63 Prozent der sichergestellten Zigaretten gefälscht. Womöglich liegen die wirklichen Zahlen höher, so das Zollkriminalamt, „da Fälschungen aufgrund ihrer teilweise hervorragenden Qualität vielfach nicht auf Anhieb als solche erkannt werden können“. Merken müssten es die Raucher. Die Fälschungen enthalten minderwertigere Mischungen als Originalkippen und sind noch schädlicher für die Gesundheit. Wie gefährlich die Falschware ist, zeigen Analysen von Zigaretten, die Ende 2006 in tschechischen Werkstätten beschlagnahmt wurden. Deren Teergehalt übertraf den in Deutschland zulässigen Höchstwert von 10 Milligramm um 60 bis 80 Prozent; bei Kohlenmonoxid wurde die Grenze um 30 bis 40 Prozent überschritten; allein beim Nikotingehalt wurde der Höchstwert unterschritten. Der Wiener Professor Michael Kunze vom Institut für Sozialmedizin urteilt, nachdem in Österreich sichergestellte „Tschicks“ analysiert wurden: „Gepanschte Zigaretten sind hochgiftig, weil sie oftmals Schwermetalle wie Blei, Quecksilber, Cadmium, Nickel oder Kupfer in vielfach höheren Konzentrationen enthalten als dies bei legalen Zigaretten der Fall ist.“ In Großbritannien ließ das Gesundheitsministerium ebenfalls gefälschte Zigaretten analysieren. Dort enthielten „Counterfeit Cigarettes“ im Durchschnitt dreimal so viel Arsen, fünfmal so viel Cadmium und fast sechsmal so viel Blei wie Originalware. Diese Stoffe sind besonders gefährlich, da sie eine Kettenreaktion an Gesundheitsschäden im Körper auslösen können. So lagern sich die Metalle in Knochen und Gewebe ab, schädigen das Nervensystem und erhöhen das Krebsrisiko dramatisch. Bei Cadmium steigt vor allem das Risiko von Nierenkrebs. Arsen stört die Produktion von roten und weißen Blutkörperchen und provoziert Lungen-, Haut-, Blasen-, Leber-, Nieren- und Prostatakrebs. Blei schädigt nahezu alle Organe, insbesondere das Nervensystem. Die Schwermetalle machen das Passivrauchen von „Fakes“ gerade für ungeborene und kleine Kinder gefährlich, warnt das britische Gesundheitsministerium. Offenbar schrecken die Fälscher vor nichts zurück, um ihre Papierhülsen aufzufüllen, denn nicht selten finden Chemiker bei Proben selbst Kot, Klärschlamm, Styropor und geschredderte CD-Teile. Der Rohtabak wird aus obskuren Quellen bezogen, oft sind es Reste, die wegen zu hoher Pestizidkonzentrationen nicht legal in den Verkehr gebracht werden dürfen. Schließlich sind die Filter minderwertige Fälschungen, so- dass das Gift kaum gehindert in die Lunge gesogen wird. Dass immer mehr Fälschungen auf den Markt kommen, liegt zum einen daran, dass es für die Banden schwieriger wird, in Osteuropa an un- oder niedrigversteuerte Originalware zu kommen. Seit die EU-Kommission vor amerikanischen Gerichten massiv gegen Tabakkonzerne vorgegangen ist, die offenbar allzu leichtfertig riesige Chargen an dubiose Abnehmer verkauft hatten, haben Philip Morris und Co. diese Verkäufe eingestellt. Zum anderen sind die Mafiabanden mit zunehmender Professionalisierung problemlos in der Lage, Werkstätten einzurichten, Mannschaften anzuheuern und Produktionsstraßen zu kaufen, die auf dem Markt schon für 500.000 Euro zu haben sind.

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