Comarch Die polnische Antwort auf SAP

Der polnische Software-Spezialist Comarch will den deutschen Markt aufrollen – mit der Übernahme eines deutschen Konkurrenten und dem Sponsoring von 1860 München. Doch die Fußballwerbung bereitet den Polen Sorgen.

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Janusz Filipiak

Jetzt beginnt das große Zittern. Wie alle anderen Erst- und Zweitligisten hat auch der Fußballclub TSV 1860 München bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) seinen Lizenzantrag für die kommende Saison eingereicht. Der Traditionsclub ist dabei wegen großer finanzieller Probleme einer der Wackelkandidaten, schon in der laufenden Saison werden ihm wegen Lizenzverstößen zwei Punkte abgezogen. Der polnische Softwarekonzern Comarch zittert mit. Das Unternehmen ist bislang Hauptsponsor, doch Comarch-Chef Janusz Filipiak hat den Vertrag vorzeitig gekündigt. „Ich sehe derzeit nicht, wie das Unternehmen funktionieren kann“, sagt Filipiak.

Mit 1,8 Millionen Euro ist der Werbevertrag für die Zweite Liga vergleichsweise hoch. „Doch es ist nicht genug, um die Probleme zu lösen“, sagt Filipiak. Er fürchtet das Geld könnte bei einer drohenden Insolvenz verloren sein und will negative Schlagzeilen vermeiden. Schon jetzt ist die Situation von Comarch äußerst unglücklich. Sollten die 60er keine Lizenz bekommen, könnte Comarch gar noch eine Mitschuld zugeschoben werden. Dabei war das Sponsoring eine der wichtigsten Maßnahmen, um in Deutschland bekannter zu werden und das Geschäft hierzulande anzukurbeln.

Comarch übernimmt deutsches Softwareunternehmen

Comarch wird oft als die polnische Antwort auf SAP bezeichnet. Coca Cola, Aral oder BNP Paribas zählen zu den Kunden. Der Schweizer-Armeemesser-Hersteller Victorinox entschied sich kürzlich dafür, bei seiner Expansion in Asien Comarch-Software einzusetzen.

Der deutsche Markt ist für Comarch besonders wichtig, immerhin erzielt das Unternehmen bereits 40 Prozent seines Umsatzes in deutschsprachigen Ländern. Und das Geschäft wächst schnell. Die Bestellungen aus Deutschland seien um 55 Prozent gestiegen, berichtet Filipiak, weltweit seien es „nur“ 18 Prozent.

Um das Geschäft in Deutschland auszubauen, übernahmen die Polen Ende 2008 die Mehrheit an der Münchner Softwarefirma SoftM, die sich auf Unternehmenssoftware für Mittelständler spezialisiert hat. Das Ergebnis konnte man auf der CeBIT besichtigen: Comarch hatte in seiner Halle einen der größten Stände aufgeboten. „Als rein polnische Firma wären wir nicht in der Lage, so viele potenzielle Kunden anzusprechen“, sagt Filipiak. Früher habe der wesentlich kleinere Messestand vergleichsweise wenig Besucher angelockt.

Vorurteile und skeptische Kunden

Doch ganz einfach hat es Comarch mit der erworbenen SoftM nicht. Fast ein Viertel der 400 SoftM-Stellen fielen weg – teils durch den Verkauf von Unternehmensteilen. Die Umstrukturierung und die Weiterentwicklung neuer Produkte verschlangen Geld und drückten den Umsatz um zwei Millionen Euro auf knapp 37 Millionen Euro. Die Münchner Tochter schrieb 2010 zudem einen Verlust von 1,7 Millionen Euro.

Auch für einige deutsche Kunden ist es ungewohnt, nun von einem polnischen Unternehmen betreut zu werden. „Natürlich gibt es Vorurteile, wir hatten Anfangs ja selbst welche“, sagt ein Mitarbeiter.

Skeptische Kunden können künftig damit beruhigt werden, dass die Daten auf Servern in Dresden gespeichert werden. Schon jetzt liegen sie teilweise auf Rechnern, die in deutschen Serverparks angemietet wurden. Doch ein neues Datencenter befindet sich im Bau. Das entscheidende Argument gegen die Vorurteile ist jedoch oft, dass ein großer polnischer IT-Konzern sogar mehr und dauerhafter in seine Produkte investieren könne, als manche mittelständische Softwarebude aus Deutschland.

Schließlich hat Comarch 3500 Mitarbeiter und konnte im Vorjahr seinen Umsatz von 168 auf 190 Millionen Euro steigern. Und im Bereich Telekommunikation gehören die Polen weltweit zu den Spezialisten. T-Mobile, Vodafone und O2 nutzen die Programme aus Krakau zur Abrechnung und der Verwaltung von Telekommunikationsnetzwerken.

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