Auto-Chef Wolfgang Ziebart "Elektroauto als Drittwagen"

Wolfgang Ziebart führt den Sportwagenbauer Artega. Der ehemalige BMW-Entwicklungsvorstand und Infineon-Chef verrät, welche Chancen E-Autos haben und was sie wirklich können.

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Dr. Wolfgang Ziebart, ehem. Quelle: AP Photo/Infineon

WirtschaftsWoche: Herr Ziebart, fast jeder Hersteller zeigt auf der IAA in Frankfurt ein Elektroauto. Meint die Industrie es ernst mit der Elektromobilität oder dienen die Fahrzeuge nur der Imagepflege?

Ziebart: Elektrofahrzeuge werden schon in wenigen Jahren einen deutlichen Anteil am Automobilmarkt erobern. Denn die Vorräte an fossilen Energieträgern wie Öl oder Erdgas gehen langsam aber sicher zu Ende. Und für den Transport von Gütern und Menschen ist die Elektromobilität die beste derzeit erkennbare Alternative.

Müsste es nicht vorher noch deutliche Fortschritte in der Batterietechnik geben? Die Akkus heutiger Bauart sind teuer und speichern zu wenig Energie.

Ja und nein. Bei der Batterietechnologie sind in den kommenden Jahren sicher noch  Fortschritte in punkto Gewicht und Kosten zu erwarten, aber große Sprünge oder echte Revolutionen erwarte ich hier vorerst nicht. Damit ist klar, dass das Elektrofahrzeug ein konventionell angetriebenes Auto nicht in der gesamten Breite seiner Verwendungsmöglichkeiten ersetzen kann: Ein Elektromobil wird nicht gleichzeitig für den täglichen Weg zur Arbeit und für die Ferienreise der Familie nach Italien taugen.

Warum sollte man sich dann überhaupt ein Elektroauto kaufen?

Ein Elektromobil wird vor allem für Kurzsteckenfahrten oder Stadtfahrten wie etwa  den täglichen Weg zur Arbeit eingesetzt. Dafür sind die Batterien heutiger Bauart völlig ausreichend. Und solche Touren machen auch den weitaus größten Teil der Gesamtfahrleistung eines Autos aus. Der Haupteinsatzzweck eines Elektrofahrzeugs wird also der innerstädtische Transport von Personen oder Gütern sein. Hier kann das Elektromobil auch seine größte Stärke ausspielen – dass es vollständig emissionsfrei fährt. Denn ich erwarte, dass Großstädte früher oder später für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gesperrt oder mit einer Straßenmaut belegt werden.

Aber mit einem Elektromobil kommt man nur etwa 150 Kilometer weit.

In einer Familie wird deshalb das Erstfahrzeug noch viele Jahre einen konventionellen Antrieb haben. Vielleicht ist es auch ein Hybridauto sein, das alle Fahrzyklen abdecken kann. Das Zweit- oder Drittfahrzeug allerdings wird ein Elektrofahrzeug sein.

Wohl dem, der sich einen solchen Fuhrpark leisten kann. Gegen das Elektroauto spricht neben den Kosten noch ein anderer Punkt: Wirklich umweltfreundlich ist es nur, wenn der Fahrstrom regenerativ erzeugt wird, also mit Sonne, Wind oder Wasser. Das Elektroauto spart keine Ressourcen, wenn der Strom zum Laden wie in Deutschland hauptsächlich aus Kohle, Gas oder gar mit Atomkraft erzeugt wird. Kommt es also nicht viel zu früh?

Dies ist nur eine sehr oberflächliche Betrachtung. Ein Elektrofahrzeug wird man nur in Ausnahmefällen mit Strom nach dem heutigen Energiemix aufladen, vielmehr wird man es überwiegend nachts laden. Nachts aber ist der Anteil regenerativ erzeugter Energie, insbesondere der Windenergie, deutlich höher. Dies kann so weit gehen, dass Windenergieanlagen nachts abgeschaltet werden müssen, wenn sie mehr Strom erzeugen als im Netz benötigt wird. Damit würden bei Ladung über Nacht heute schon Elektrofahrzeuge überwiegend mit regenerativ erzeugtem Strom geladen werden und auch noch einen Beitrag zur Netzstabilisierung liefern.

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