Meeresforschung Standleitung zum Meeresgrund

Forscher aus aller Welt erhalten seit anderthalb Jahren Daten aus neunzig Meter Tiefe – ob Temperaturen, Salzgehalte oder Wasserdruck, im Saanich Inlet vor Vancouver Island sendet das weltweit modernste Unterwasserobservatorium in Echtzeit Daten ins Internet. Heute geht vor der kanadischen Küste ein neuer „Messkrake“ ans Netz.

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Der Lebensraum von Spezies wie dem Zwergwal soll durch die neue Technik besser erforscht werden. Fot

VANCOUVER. Das Ding erinnert an einen Raumgleiter von Playmobil oder an die Maske Darth Vaders aus Star Wars. Der Kunststoffkasten in der Lagerhalle von „Ocean Works International“, einer Entwicklungsfirma für Unterwassergerätschaften in Vancouver, ist allerdings mehr als einen Meter hoch und etwa zwei Meter lang. Im Inneren sitzen Steckplatinen mit bunten Bausteinen und Schlingen rot und schwarz ummantelter Drähte – das Herzstück modernster Meeresforschung: ein sogenanntes Node, ein Strom- und Datenverteiler für „Venus“, das „Victorian Experimental Network Under the Sea“, das am weitesten entwickelte verkabelte Unterwasserobservatorium der Welt. Seit anderthalb Jahren versorgt ein drei Kilometer langes Geflecht aus Instrumenten, Stromstation und Kabeln der Universität Victoria Forscher überall auf der Welt mit Daten aus neunzig Meter Tiefe am Meeresgrund im Saanich Inlet vor Vancouver Island. Ein neuer „Messkrake“ entsteht gerade in der Straße von Georgia, fast vierzig Kilometer vor der Küste. Am heutigen Donnerstag geht die Erweiterung ans Netz. Sekündlich messen die Venus-Sensoren im Saanich Inlet Temperaturen, Salzgehalte und Wasserdruck und senden die Werte und Bilder via Kabel in Echtzeit ins Internet. Wissenschaftler, Lehrer und die Öffentlichkeit – jeder, der will, hat freien Zugriff. „Freie Wissenschaft heißt für uns vor allem Datenfreiheit“, sagt Projektleiterin Verena Tunnicliffe. „Wir wollen unser Netzwerk teilen. Sonst macht es keinen Sinn.“ Wer sich registriert, kann Daten herunterladen oder in gebuchten Zeitfenstern die Instrumente vom Heimrechner aus steuern. Die Schaltzentrale ist ein Schiffscontainer am Strand hinter dem Universitätsgelände. „Hier wandeln die Rechner Messdaten und Befehle so um, dass entweder die Instrumente unter Wasser oder die Programme sie lesen und verarbeiten können“, erklärt Tunnicliffe. An ihrem Laptop überwacht die Meeresbiologin ihr Netzwerk. „Es wächst“, sagt sie liebevoll. Die vierzig Kilometer Kabel für den neuen Venus-Strang in der Straße von Georgia liegen bereits seit April. Die Computer an diesem Landanschluss am Rand von Vancouvers Flughafeninsel Sea Island wurden erst kürzlich konfiguriert. Jetzt sollen Stromplattform und Messgerät folgen. Das Achterdeck der „Vector“ aus der Flotte der kanadischen Küstenwache erscheint viel zu klein. Container mit Ausrüstung stehen gedrängt, daneben Plattformen mit Dutzenden Messsensoren. Noch aber fehlt das gigantische Node. Das Unternehmen bekommt buchstäblich Gegenwind. Immer wieder machen kräftige Böen das Beladen unmöglich. Keine Chance, den Zweieinhalb-Tonnen-Koloss sicher an Bord zu bringen. Es droht das Aus, zumindest für dieses Jahr. „Zwei Tage waren vorgesehen“, sagt Pressesprecher Nikolai Korniyuk. Ein Tag, um Stromversorger und Instrumente in dreihundert Meter Tiefe in der Straße von Georgia abzusetzen, der zweite Tag, um die Kabel anzuschließen. „Der nächste Schiffsmieter wartet schon, und bis Mitte 2008 ist die ,Vector’ möglicherweise ausgebucht.“ Der gebürtige Russe bleibt trotzdem gelassen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Verena Tunnicliffe telefoniert, organisiert und gewinnt Zeit, immerhin bis zum Wochenende.

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