Landwirtschaft Biosprit-Nachfrage verteuert Bier und Wein deutlich

Angetrieben von den Subventionen für Biosprit steigen die Preise für Brotgetreide und Braugerste. Brot und Bier werden teurer.

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Ernte von Gerste, dpa

Seit 1714 befindet sich die Große Mühle bei Hildesheim in Familienbesitz. In ihren Chroniken findet Christof Engelke, Betreiber in der zwölften Generation, jedoch keinen vergleichbaren Preissprung am deutschen Brotgetreidemarkt wie seit vergangenem August. Um 50 Prozent sind die Notierungen für Weizen und Roggen an den deutschen Rohstoffbörsen in die Höhe geschossen. „Unfaßbar!“, stöhnt der Betreiber der größten privaten Mühle. Zu seinem Ärger kann er die höheren Einstandspreise nur begrenzt an die Bäckereien weiterreichen. Für die Preissteigerungen sind, zur besonderen Empörung von Engelke, vor allem staatliche Wettbewerbsverzerrungen verantwortlich. Seit die Politik den Anbau von Energiepflanzen bezuschusst und Biosprit erst steuerlich begünstigt und nun die Mineralölkonzerne zu seiner Beimischung in Benzin und Diesel zwingt, wandert immer mehr Getreide in den Tank. Wegen der beschränkten Anbauflächen verknappt sich nun das Getreideangebot, das über Bäckereien oder Brauereien auf den Tischen der Bundesbürger landet. Am Ende werden auch die Verbraucher tiefer in die Tasche greifen müssen. Zwar hat der Einzelhandel wegen des scharfen Wettbewerbs am Lebensmittelmarkt Schwierigkeiten, höhere Preise beim Konsumenten durchzusetzen. Doch lässt sich der Preisdruck in der Wertschöpfungskette nur noch für begrenzte Zeit auf die vorgeschalteten Unternehmen aufrechterhalten. Der Verband Deutscher Großbäckereien und der Deutsche Brauerbund gehen jedenfalls davon aus, dass die Preise für Brot und Bier wegen der Biosprit-Konkurrenz bald anziehen werden. Bei Bier rechnet der Brauerbund mit einer Verteuerung um 1,6 Cent je Liter Gerstensaft. Der Anbau von Braugerste sei für Bauern nämlich nur noch interessant, wenn er pro Hektar den gleichen Ertrag abwirft wie der Anbau von Biosprit-Getreide. Dazu müsse der Preis für Braugerste 170 Euro pro Tonne betragen und damit 50 Prozent mehr als in den vergangenen Jahren. Derzeit notiert Braugerste sogar schon bei 240 Euro pro Tonne, was aber auch mit witterungsbedingten Ernteausfällen im vorigen Jahr zusammenhängt.

Bei Brot geht der Verband Deutscher Großbäckereien davon aus, dass die Preise „in nächster Zeit um rund zehn Prozent steigen“, prognostiziert Geschäftsführer Armin Juncker. Graubrot mit hohem Roggenanteil dürfte sich dabei tendenziell stärker verteuern, da die Preise für Roggen noch mehr als für Weizen angezogen sind. Eine erste Preiserhöhung musste Vorreiter Aldi allerdings gerade erst wieder zurücknehmen, da Konkurrenten wie Lidl nicht mitzogen. Auf Dauer werden jedoch die höheren Erzeugerpreise auf den Endverbraucher durchschlagen. An einen Rückgang der Getreidepreise auf den Stand der Vor-Biosprit-Zeit glaubt der Verband Deutscher Mühlen nicht. Geschäftsführer Manfred Weizbauer erwartet, dass sich der Bedarf an Energiegetreide in den nächsten beiden Jahren verdoppelt, weil die Bioethanol-Branche derzeit viele neue Anlagen errichtet. Zudem wächst weltweit die Getreidenachfrage, angetrieben durch steigenden Wohlstand in Russland, China und anderen Schwellenländern. Bereits in den vergangenen sieben Jahren lag die Weltgetreideernte nur einmal über dem Verbrauch, sodass die globalen Getreidevorräte kontinuierlich schrumpfen. Für Mühlenbesitzer wie den Hildesheimer Engelke ist die Lage besonders misslich. Zwar können sie theoretisch ohne Schwierigkeiten Brotgetreide auf den internationalen Märkten zukaufen; schließlich sind höhere Preise für Deutschland weniger ein Problem als für die armen Länder der Dritten Welt. Bedenken hat Engelke jedoch hinsichtlich der Qualität ausländischer Ware: „In Deutschland auditieren wir das Getreide durch die gesamte Lieferkette, sodass wir Pestizidrückstände ausschließen können.“ Im Ausland gebe es dagegen keine vergleichbare Rückverfolgbarkeit. Hinzu kommt ein weiteres Risiko bei Auslandsware, das deutsche Verbraucher besonders scheuen: Es könnten Körner von genveränderten Pflanzen dabei sein. Umso unbegreiflicher ist für Mühlenbesitzer Engelke die EU-Vorschrift, dass die Bauern generell zehn Prozent ihrer Anbaufläche stilllegen müssen, um Beihilfen zu bekommen – ein Relikt aus den Zeiten hoher Überschussproduktion. Nun droht eine Unterdeckung. Mühlenverband und Brauerbund fordern daher ein Ende der Flächenstilllegungen – genauso wie ein Ende der staatlichen Förderung von Biosprit.

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