Deutschland im Bio-Ölrausch Biosprit: Warum Ökonomen und Ökologen skeptisch sind

Biosprit, versprechen seine Befürworter, werde Deutschland von der Abhängigkeit vom fossilen Öl befreien und den Landwirten und der Umwelt nutzen. Ökonomen und Ökologen bezweifeln das.

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Ein Mähdrescher bringt am Freitag die Ernte auf einem Getreidefeld ein, dpa

Frankfurt: Auf dem Parkett der Alten Börse leuchtet am vergangenen Montagmorgen die erste Notierung des Börsenneulings BDI Biodiesel auf den Handelsbildschirmen auf. 58,50 Euro kostet das Papier des Anlagenbauers aus Graz. BDI Biodiesel nimmt 43 Millionen Euro ein. Vorstandschef Wilhelm Hammer selbst wird um zwölf Millionen Euro reicher, ein Börsenmanager überreicht ihm die obligatorische Bulle-und-Bär-Plastik. Neubrandenburg: Die Zukunft ist grün und verbirgt sich hinter den riesigen Silos der örtlichen Handelsgenossenschaft Hage Nordland. Hier stampft Bioverda, eine Tochter des irischen Unternehmens NTR, für 30 Millionen Euro eine Biodieselanlage aus dem Boden. Von November an soll das mecklenburgische Öl fließen, 40.000 Tonnen jährlich, hergestellt aus 120.000 Tonnen Raps, den die Bauern aus einem Umkreis von 100 Kilometern anliefern. Berlin: Im Bundestag winken die Abgeordneten in der vergangenen Woche das Biokraftstoffquotengesetz in erster Lesung durch. Eine ganz große Koalition setzt auf Zukunft von Biosprit im Rahmen einer „nationalen Kraftstoffstrategie“. Die Grünen sprechen von „Zukunftsinvestitionen“, die Linke freut sich über den „umweltfreundlichen Biokraftstoff“. Deutschland im Bio-Ölrausch: Mit dem jahrelangen Anstieg der Rohölpreise auf dem Weltmarkt steigern sich deutsche Politiker und Funktionäre, Unternehmer und Wissenschaftler in den Traum vom eigenen Öl, biologisch wertvoll, nachwachsend, klimaschonend. Auch der jüngste Verfall der Mineralölpreise um über zehn Dollar in die Gegend von 60 Dollar je Barrel (159 Liter) kann die Begeisterung nicht dämpfen. Die drohende Eskalation im Konflikt um die iranische Atompolitik, Chinas unersättlicher Energiehunger, das Ende der Mineralölreserven in wenigen Jahrzehnten – die Biosprit-Befürworter führen viele Argumente an. Auch eine Studie des renommierten Münchner Ifo-Instituts macht in diesen Tagen Stimmung für Biosprit: Durch den Aufbau einer neuen nationalen Wertschöpfungskette bei Bioethanol entstünden positive volkswirtschaftliche Effekte von mehr als einer Milliarde Euro. Die Ifo-Studie, in Auftrag gegeben von einer Landwirtschaftlichen Arbeitsgruppe Biokraftstoffe (LAB), hat indes einen Haken: Die Mehrkosten für die Verbraucher, die wegen des Beimischungszwangs von Bioethanol im nächsten Jahr fünf bis sieben Cent mehr pro Liter Benzin bezahlen müssen, belaufen sich allein 2007 auf mindestens 1,5 Milliarden Euro – und tauchen in der Ifo-Kalkulation gar nicht auf. Tatsächlich zeigen Wirtschaftlichkeitsrechnungen, dass die größere Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen teuer erkauft wird. Kein heimischer Biosprit reicht derzeit an die konventionellen Kraftstoffe heran, ermittelte die Beratungsgesellschaft Meó-Consulting, die das Bundeslandwirtschaftsministerium und die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe berät. Danach schneidet reines Rapsöl noch am günstigsten ab. Meó-Consulting kommt auf der Basis von Daten aus 2005 zu reinen Produktionskosten von 51 Cent je Liter Kraftstoffäquivalent. Da inzwischen die Rapspreise wegen der hohen Nachfrage innerhalb eines Jahres um fast 20 Prozent gestiegen sind, liegen die Produktionskosten von reinem Rapsöl heute jedoch eher bei 60 Cent je Liter. Rapsöl ist damit nicht wettbewerbsfähig im Vergleich zu Diesel, dessen Nettopreis beim derzeitigen Rohölpreis von 61 Dollar pro Barrel 47 Cent pro Liter beträgt. Erst wenn der Rohölpreis wieder auf 75 oder 80 Dollar steigt, würde Rapsöl laut Meó-Consulting von sich aus rentabel werden, das heißt ohne Subventionen in Form einer geringeren Besteuerung als Mineralöl oder von staatlich verordneten Zwangsbeimischungsquoten.

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