Google-Entwicklungs-Chef Sam Schillace "Ich kann Computer nicht leiden"

Der Entwicklungschef von Googles Online-Diensten Google Apps und Gmail, Sam Schillace, über alten Wein in neuen Schläuchen, das Verhältnis zu Microsoft und das Geheimnis des Reichtums.

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Sam Shillace

WirtschaftsWoche: Herr Schillace, in der nächsten Office-Version 2010 will Microsoft Nutzern die Gelegenheit bieten, Word-Dokumente oder Excel-Tabellen nicht mehr nur am PC zu bearbeiten, sondern auch im Internet. Das war Ihre Vision bei der Gründung von Writely – und ist bei Googles Textverarbeitung und Tabellenkalkulation seit Langem Standard. Wie fühlt sich das an, Microsoft auf den eigenen Kurs zu zwingen?

Schillace: Ehrlich gesagt verwende ich darauf keine große Aufmerksamkeit. Es ist mir auch nicht so wichtig, was Microsoft tut oder lässt. Mir ist viel wichtiger, was unsere Nutzer im Web wollen – und wie wir das realisieren können. Wenn sie also im Netz möglichst bequem Texte oder Tabellen bearbeiten und diese mit Freunden, Kollegen oder Bekannten teilen wollen, dann machen wir das. Wenn andere dann auf unseren Kurs einschwenken, zeigt das doch bloß, dass wir mit der Einschätzung nicht so falsch liegen.

Trotzdem: Durchschnittliche PC-Nutzer können mit Ihrem Online-Paket „Google Apps“ Briefe schreiben, Berechnungen anstellen, Kontakte und E-Mails verwalten oder Kalender führen. Damit zielen Sie doch knallhart auf Microsofts Umsatz- und Gewinnmaschine Office.

Noch mal, Ziel meiner Arbeit ist nicht, einen Konkurrenten klein, sondern ein gute Idee möglichst groß zu machen. Und was Web-basierende Anwendungen angeht, so passt es jetzt einfach: Die technischen Voraussetzungen sind da. Und die Nutzer wollen die Dienste haben.

Dass PCs zu dummen Terminals verkümmern, während die Intelligenz der Anwendungen und die Daten im Internet liegen; die Idee verfolgte der Computerbauer Sun Microsystems schon 1995 – und ist gescheitert. Jetzt heißt das Ganze plötzlich „Cloud Computing“ und sieht aus wie alter Wein in neuen Schläuchen.

Ist es aber nicht. Die Rahmenbedingungen haben sich geändert: Nicht nur, dass selbst viele Privatleute heute schneller übers Internet auf Online-Angebote und Daten zugreifen können, als das vor 15 Jahren noch innerhalb von Unternehmen Standard war. Vor allem hat sich das Nutzerverhalten radikal verändert. Wenn ich meine Mobiltelefone dazu rechne, dann habe ich privat und im Büro vier Computer im Einsatz, mit vier Betriebssystemen, vier unterschiedlichen Programmpaketen und natürlich vier Datenbeständen bei Kontakten oder Kalendern.

Selbst Google bietet doch schon Software an, um mehrere PC-Kalender zu synchronisieren. So schlimm ist das nicht.

Mir ist das alles viel zu kompliziert. Das mag vielleicht etwas überraschend klingen, aber ich kann Computer nicht leiden. Ich nutze sie, um mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten, aber ich habe keine Lust, mich mit der Technik herumzuschlagen. Und so wie mir geht das vielen Leuten. Die finden es einfach toll, wenn sie von überall auf die gleichen Daten im Netz zugreifen können, egal, wo sie sind und mit welchem Endgerät sie es tun. Das ist, was Cloud Computing erfolgreich macht. Und das erkennen inzwischen immer mehr Anbieter und Nutzer – Unternehmen und Private.

Nur stehen viele Web-Dienste vor dem gleichen Problem: Die Nutzer finden das Angebot toll – aber dafür zahlen wollen sie nicht. Auch Googles Dienste gibt's gänzlich gratis im Netz. Wo ist da das Geschäftsmodell?

Wer seinen Geschäftserfolg zuerst bis auf die letzte Nachkommastelle durchrechnen will, kommt meines Erachtens nicht weit. Ich verfahre lieber nach der Devise: Entwickle großartige Angebote. Wenn die Leute sie haben wollen, mach ein Geschäft draus. Und schließlich werde unheimlich reich damit.

Mit Writely hat’s ja schon gut geklappt.

Jedenfalls die ersten beiden Stufen.

Klappt es denn bei Gmail und den Google Apps mit dem Reichwerden?

Wir sind noch nicht an dem Punkt, an dem sich die Angebote selbst tragen, aber auf einem sehr guten Weg dahin. Insofern kann ich damit leben, dass wir das finale Geschäftsmodell noch nicht haben.

Wie kann das denn aussehen? Selbstlosigkeit ist jedenfalls kein Modell, das zu börsennotierten Unternehmen passt.

Die Premiumversion der Programme verkaufen wir schon jetzt sehr erfolgreich. 50 Euro pro Jahr und Nutzer sind für viele Unternehmen viel preiswerter, als wenn sie die Anwendungen intern betreiben und verwalten würden.

Was heißt für Sie „sehr erfolgreich“?

Dass wir voraussichtlich in diesem, spätestens aber im nächsten Jahr mit den Apps die Gewinnschwelle erreichen. Ich darf keine genaueren Angaben machen. Aber wir haben schon mehr als eine Million zahlende Nutzer für unsere Premiumdienste – und gewinnen täglich rund 3000 Firmenkunden hinzu. Jeder Bereich verdoppelt pro Jahr mindestens seine Nutzerzahl – und einige schaffen noch bedeutend mehr. Das macht extrem viel Freude.

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