Polizeiwaffen Mit Hitze und Schall gegen Chaoten

Gegen die Gewalttäter während des G8-Gipfeltreffens in Heiligendamm ging die Polizei vor allem mit Schlagstock und Reizgas vor. Die Steine werfenden und mit Leuchtmunition um sich schießenden Chaoten beeindruckten die Mittel wenig, weshalb prompt die Forderung aufkam, die Polizei mit effektiveren, nicht-tödlichen Waffen auszurüsten, Gummigeschosse und Elektroschocker zum Beispiel.

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Sie dürfen nach gegenwärtiger Rechtslage allerdings in vielen Bundesländern nicht eingesetzt werden. Als letztes Mittel in einem Notfall bleibt dem Polizisten nur der Griff zur Schusswaffe. Ein Aufrüsten der Polizei wäre leicht möglich. Unternehmen halten weltweit ein ganzes Arsenal neuer Systeme auf Lager, die Angreifer außer Gefecht setzen sollen, ohne sie zu töten. In einigen Ländern wurden sie schon eingesetzt, um Aufstände und Gefängnisrevolten niederzuschlagen oder Geiseln zu befreien. Zum Repertoire der Ordnungskräfte gehören beispielsweise Projektile, die Reizstoffe gezielt über weite Distanzen versprühen können oder sogenannte Elektroschocker. Die Taser, so der englische Begriff, verschießen Pfeile, an denen dünne Elektrokabel hängen und deren Widerhaken sich in der Kleidung verhaken. Ein starker Stromstoß versetzt den Getroffenen für wenige Sekunden in eine Art Schockstarre. Eine andere Neuentwicklung sind Akustikkanonen. Sie traktieren heranrückende Angreifer mit einen extrem hohen Schalldruck, der dem eines in 30 Meter vorbeidonnernden Düsenjets entspricht. Der Höllenlärm löst Schmerzen, Durchfall und Erbrechen aus. Die US-Armee hat die Waffe, die mit einer Lautstärke von 150 Dezibel Hörschäden verursachen kann, bereits im Nahen Osten eingesetzt. In einem anderen Verfahren, das unter anderem von Rheinmetall entwickelt wurde, erhitzen Mikrowellenkanonen mit gebündelter elektromagnetischer Strahlung, ähnlich der einer Mikrowelle in der Küche, gezielt die Haut des Gegners. Dieser nimmt dann vor Schmerzen Reißaus – falls ihm eine in Panik geratene, drückende und schiebende Menschenmenge nicht den Fluchtweg versperrt. Andernfalls drohen schwere Verbrennungen. Damit wird das Dilemma dieses Waffenarsenals deutlich. Bei unsachgemäßem Gebrauch können die „nichttödlichen“ Waffen Menschenleben gefährden. So wurden nach Erhebungen von Amnesty International durch den Einsatz von Elektroschockern weltweit bereits über 200 Menschen getötet. Ähnlich katastrophal sieht die Statistik für Gummigeschosse aus. Das Fraunhofer Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal arbeitet deshalb an einem Werfer, mit dem sich Gummigeschosse auch über große Entfernungen treffsicher verschießen lassen sollen. „Damit könnte man beispielsweise einen Rädelsführer zielgenau ausschalten“, erläutert ICT-Chef Klaus-Dieter Thiel. In etwa fünf Jahren soll die Technologie einsatzbereit sein.

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