A380-Beinaheabsturz Triebwerke an den Grenzen des technisch Machbaren

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Easyjets Open-Rotor-Konzept Quelle: Pressebild Easyjet

Nun aber ist die Branche an einem Punkt, an dem es immer schwerer wird, die Technik zu verbessern: „Früher gab es Verbesserungen beim Verbrauch von einer Generation zur anderen von 30 Prozent, jetzt sind zweistellige Verbesserungen schwerer zu erreichen“, sagt Analyst Dimitroff. Die Hersteller setzen daher auf neue Konzepte: GE auf die besonders leichte Leap-X-Turbine, Pratt & Whitney mit MTU auf ein Getriebe und Rolls-Royce auf den offenen Rotor (siehe Kasten).

Bis die neuen Antriebe aber startklar sind, kann es noch bis zu 15 Jahre dauern. Die Airlines jedoch brauchen sofort effizientere Maschinen. Sie müssen daher mit bestehender Technik ans Limit gehen.

Wie groß das Risiko dieser Strategie ist, zeigt der Fall Qantas. Weil die Fluggesellschaft besonders weite Strecken zurücklegen muss und dabei trotzdem sparsam bleiben will, ließ das Management ihre A380-Flotte mit einer hochgezüchteten Variante des Trent-900-Triebwerks von Rolls-Royce ausrüsten, das bei gleicher Bauweise mit einer anderen Elektronik fast vier Prozent mehr Leistung bringt.

Noch schneller, noch sparsamer – und wie sich jetzt zeigt, möglicherweise noch weniger berechenbar.

Explodiert ein modernes Triebwerke bei Qantas, kommt jede Hilfe zu spät. Zwar stecken die Aggregate in einer dicken Außenhaut aus dem besonders zugfesten Kunststoff Kevlar, die im Notfall umherfliegende Metallteile wie eine schusssichere Weste abfangen soll.

Doch bei Flug QF 32 ist die sogenannte Turbinenscheibe gebrochen, die mit kleinen Schaufeln die einströmende Luft für die Brennkammer verdichtet. „Die Turbinenscheibe ist so schwer und dreht sich so schnell, dass kein Material der Welt verhindern kann, dass Teile nach außen fliegen“, sagt Anton Binder, Leiter des Zivilgeschäfts des Münchner Triebwerksbauers MTU. Nicht umsonst werde das Bauteil „während der Herstellung penibel per Ultraschall und Röntgenstrahlen auf Unebenheiten und Einschlüsse geprüft“.

Dabei reizen die Turbinen-Ingenieure die technischen Grenzen nicht ganz freiwillig aus. Weder die Techniker von Rolls-Royce noch deren Kollegen bei den wichtigsten Wettbewerber Pratt & Whitney und General Electric (GE), die gemeinsam den Markt der Flugzeugmotoren dominieren. „Unsere Kunden verlangen von uns immer effizientere und umweltfreundlichere Motoren“, sagt Deborah Case, Marketingmanagerin bei GE Aviation.

Größter Umbruch seit Jahren

Die Luftfahrtbranche steht vor dem größten Umbruch seit Jahren: Einerseits steigt der Preis des Flugbenzins. Zugleich drohen Airlines immer strengere Umweltauflagen. Es ist eine Zwickmühle aus Kostenvorgaben und Innovationszwang.

„Das droht uns zu erdrücken“, sagt Giovanni Bisignani, Chef des Weltluftfahrtverbandes Iata. Denn wer jetzt nicht sparsamer fliegt, ist in wenigen Jahren pleite.

Doch Lufthansa & Co. haben ihre Passagierzahlen jedes Jahr im Schnitt um fünf Prozent gesteigert. Weil aber dank besserer Technik der Spritverbrauch nur um gut ein Prozent pro Jahr sank, nehmen in Summe damit die von Fluggesellschaften verursachten Emissionen zu. Das wird teuer. 2012 startet der EU-Emissionshandel für den Flugverkehr, der den Ausstoß an klimaschädlichem CO2 reduzieren soll. Gleichzeitig versuchen immer mehr Flughäfen laute Maschinen durch Sonderabgaben zu vertreiben. Die Maschinen müssen also nicht nur sparsamer, sondern auch leiser werden.

Zwar will die Branche Kerosin durch Biosprit ersetzen und so die Nettobelastung für das Klima senken. Doch bis es genug grünes Benzin gibt, wird es Jahre dauern. Also muss die Technik die Einsparungen bringen. Und „weil bei der Aerodynamik die Grenzen allmählich erreicht sind“, sagt Luftfahrtexperte Grossbongardt, „müssen die Motoren rund zwei Drittel der Verbesserungen bringen“.

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