Abschied von der Legende Defender Letztes Tänzchen in Wülfrath

Für seine Fans ist der ursprüngliche, unverfälschte Land Rover die coolste Kiste seit 1948. Doch jetzt ist sein Ende besiegelt, die Produktion eingestellt. Wir nahmen standesgemäß Abschied, offroad in der Kiesgrube.

Mehr als zwei Millionen Defender hat Land Rover gebaut, doch Ende Januar ist Schluss. Am 29.01.2016 lief im britischen Werk Solihull der letzte der ikonischen Offroader vom Band, wo noch überwiegend von Hand montiert wurde. Während vom letzten Jahrgang in Deutschland so viele Defender verkauft wurden wie noch in keinem Jahr zuvor, muss das Modell doch den modernen Anforderungen an Umwelteigenschaften und Fußgängerschutz geopfert werden. Alle Bilder: Frank G. Heide Quelle: Handelsblatt
Eine letzte Ausfahrt mit einem Defender, hier der Station Wagon mit 110er Radstand, und zwar dort, wo er artgerecht gehalten wird, im richtigen Offroad-Parcours. Aber dafür war nicht nur das richtige Auto wichtig, sondern für uns Gelände-Greenhorns auch die richtige Anleitung durch einen erfahrenen Instruktor. Die automobile Legende Defender steckt ja schon einiges weg, aber schließlich wollten wir im vereisten Gelände nichts kaputt machen ... Quelle: Handelsblatt
Bevor Instruktor Dieter Neldner uns Laien die Feinheiten des Offroad-Fahren näher brachte war er schon rund 40 Jahre bei Land Rover, und barg unter anderem Land Rover bei den ersten Camel Trophys. Quelle: Handelsblatt
Wenn heute eine Automarke mit exotischen Abenteuern in Verbindung gebracht wird, dann ist es Land Rover. Früher stellte der britische Geländewagenhersteller die Fahrzeuge für die von Reynolds Tobacco erfundene „Camel Trophy“. Doch Machos, Matsch und Machete wurden irgendwann von Hipstern abgelöst, Zigarette und Lagerfeuer erloschen. Heute heißt die Veranstaltung „Land Rover Experience Tour“ und für sie trainieren die immer noch zahlreichen Bewerber unter anderem in dem Gelände in Wülfrath. Dort wird aber in absehbarer Zeit auch kein Defender mehr zum Fuhrpark gehören. Quelle: Handelsblatt
Doch die deutsche Fan-Gemeinde ist stark. Immerhin kam das automobile Relikt zuletzt noch auf eine Jahresproduktion von rund 16.000 Exemplaren. Kleiner Trost: Weltweit sollen noch zwischen 66 und 75 Prozent aller jemals gebauten Land Rover (Defender) im Einsatz sein. Quelle: Handelsblatt
Die kastige Schnauze mit genau dieser Anordnung von Scheinwerfern und Blinkern gibt es beim Defender schon seit 1971, als sein direkter Vorgänger Series III erschien. Und schon der hatte sich vom seit 1948 gebauten Ursprungsmodell Series I optisch nur wenig entfernt. Zu den auffälligsten Extras unseres Gelände-Testwagens zählen der Dachgepäckträger, der Schnorchel für tiefere Flussdurchquerungen, und die gewaltige Seilwinde samt Unterfahrschutz. Quelle: Handelsblatt
Das riesige und schlichte Lenkrad (ohne Airbag!) löst sofort den Impuls aus, dass der Fahrer mit dem Sitz weit zurückfahren möchte. Mehr als ein paar Zentimeter sind aber nicht drin. Das Vollplastik-Armaturenbrett wurde übrigens 1971 mit der Series III eingeführt, davor war alles aus Metall. Quelle: Handelsblatt
Bei diesem Fahrzeug ist es wichtiger auf die Durchfahrtshöhe zu achten, als auf die Ladungskapazität, die dank des quadratmetergroßen und per Leiter zu erreichenden Dachgepäckträgers gegen unendlich tendiert. Und den Titel Fünftürer trägt der Defender auch völlig zurecht, der Türgriff liegt links vom vollwertigen Ersatzrad. Quelle: Handelsblatt
Der breite Mitteltunnel nimmt viel Raum ein, Fahrer und Beifahrer haben zwar ausreichend Platz, werden aber etwas an die Türverkleidungen gequetscht. Statt eines Handschuhfachs gibt es eine offene Ablagefläche. Quelle: Handelsblatt
Ein rundes Dutzend Stufen sind für den Wagen kein Problem, für den Fahrer schon eher. Plötzlich liegt die Vorderkante der Motorhaube auf Augenhöhe und am Ende der Treppe liegen rechts und links schwere Felsblöcke. Da heißt es rechtzeitig einlenken und sich nicht von dem Geruckel und Geschaukel ablenken lassen. Aber Alex meistert das Hindernis spielend, und mehrfach. Quelle: Handelsblatt
Viel Übersicht, noch mehr innere Ruhe, voll konzentriert: Wenn Dieter Neldner das Gelände vorliest, dann ist Zuhören angesagt. Unbeherrschtheit und zu hohes Tempo gehen nur aufs Material. Quelle: Handelsblatt
Einer der beliebtesten Land-Rover-Aufkleber im Vereinigten Königreich lautet „You go fast, I go anywhere“. Dementsprechend muss die Kraft des aus dem Ford Transit stammenden Diesel-Vierzylinders auf alle Räder gelangen. Sprintvermögen und Höchstgeschwindigkeit sind für die zivilen Landy-Versionen nicht so wichtig, hohes Drehmoment bei niedrigen Touren schon. Quelle: Handelsblatt
Aus Beifahrerperspektive ist die Seitenlage nicht direkt beängstigend, aber ungewohnt. Man ahnt als Laie ja zunächst nicht, wie viel Grad Schräglage der Defender tatsächlich meistert. Mitten im Hindernis hätte ich jedenfalls Blümchen pflücken können, wenn Instruktor Dieter nicht bei Strafe verboten hätte, die Seitenfenster zu öffnen. Quelle: Handelsblatt
Langsam aber stetig geht es voran, wir fassen mit jedem Meter mehr Vertrauen zum Defender und lernen Lektion für Lektion, das Gelände zu „lesen“. Quelle: Handelsblatt
Langsam, aber gewaltig heißt das Motto. Breitreifen wären im Gelände hinderlich, hier ist Profil gefragt, Bodenfreiheit, Watttiefe, Allrad, Getriebeuntersetzung. Dass man im Defender zusätzlich zu zwei Schaltstöcken auch noch eine Kupplung betätigen muss, hat seinen eigenen Reiz. Macht aber auch so viel Arbeit, dass moderne SUCV-Fahrer seufzen: Das muss man schon unbedingt wollen. Quelle: Handelsblatt
Es wird im Auto alles anschaulich erklärt, was machbar ist. So legt man den etwas schlecht erreichbaren kurzen Hebel nach vorn für die Geländeuntersetzung (L = low). Nach links und unten gedrückt wird zusätzlich das Mittendifferential gesperrt. Quelle: Handelsblatt
Klar, dass sich ein solches Auto ein paar Kampfspuren leisten darf, das dokumentiert nur seinen unbeugsamen, robusten Charakter. Mit Chrom und Metallic dürfen gerne die Softe-SUV glänzen, der Macho-Defender zeigt seine Abschürfungen wie ein Kriegsheld seine Narben: Dahinter steckt immer eine persönliche Erfahrung, jede Beule hat ihre Story. Quelle: Handelsblatt
Mehreres fällt auf: Schlichtere Rück- und Außenspiegel sind nicht vorstellbar. Fahrer und Beifahrer sitzen weit auseinander. Und die Handbremse links vom Schalthebel hat eine ungewohnte Position. Sie wirkt nicht auf die Hinterräder sondern direkt aufs Mitteldifferential. Quelle: Handelsblatt
Dass dieser Wagen hauptsächlich fürs Grobe gedacht ist, zeigen auch Materialstärke und Gewicht der Fußmatten. Die Verarbeitung von harten Kunststoffen und schlichten Dichtungen ist solide, Hauptsache abwaschbar. Quelle: Handelsblatt
Jedes Teil am Defender hat eine Funktion, sonst wird es gar nicht erst angebaut. Und wie hier, beim Motorhaubenscharnier, tritt alles Moderne zurück hinters Zweckmäßige, Haltbare, leicht Austauschbare. Quelle: Handelsblatt
Auch nach fast sieben Jahrzehnten konnten in der Defendermontage im Werk Solihull kaum Arbeitsschritte von Robotern übernommen werden. Der Land Rover wurde 1948 entwickelt und seine Konstruktion erfordert es nach wie vor, dass er auch weitestgehend so zusammengebaut wird wie in seinem Geburtsjahr. So wurde beispielsweise zwar nahezu alle zehn Jahre die Fahrzeugtür leicht verändert (zuletzt 2003 mit dem Einbau elektrischer Fensterheber), aber auch eine Tür aus diesem Jahr kann theoretisch noch an einem Land Rover der Serie II (ab 1958) passen.  Quelle: Handelsblatt
Sieht auf dem Foto viel weniger spektakulär aus als in natura. Beim ersten Anlauf im zweiten Gang scheitern wir, zu wenig Schwung. Trotz Allradantrieb reicht die Traktion nicht bzw. wir haben zu viel Kraft auf stellenweise vereiste Flächen gebracht. Später holen wir früher mehr Schwung und nehmen die Kuppe im dritten Gang mit Schneckentempo. Quelle: Handelsblatt
Spätestens in den steilen Passagen machen die vielen stabilen Haltegriffe im Auto viel Sinn, damit man als Passagier einigermaßen die Haltung bewahrt. Quelle: Handelsblatt
In steilen Abhängen ist das Einlegen des ersten Ganges oberstes Gebot für den Fahrer, während sich die Passagiere gut festhalten. Bergabfahr-Kontrolle per Tastendruck gibt es im Defender natürlich nicht, er bleibt analog, verlangt seinem Fahrer auch Muskelkraft ab, wenn das knochige Sechsgang-Getriebe bedient wird will. Andererseits sind Klimaanlage und Sitzheizung an Bord, so wird uns bei der Schussfahrt nicht ums Herz richtig warm. Quelle: Handelsblatt
Der Vierzylinder-Turbodiesel beschleunigt den 110er Defender in rund 20 Sekunden fast auf Richtgeschwindigkeit. Aber das ist seinen Besitzers nicht wichtig, sie wissen das hohe Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen zu schätzen, die enorme Anhängelast und die Zuladungskapazität. Quelle: Handelsblatt
In den Defender, der übrigens erst seit Anfang der Neunziger so heißt und früher einfach nur „Land Rover“ plus Zahlenbezeichnung für den Radstand, hat sich langsam Modernität eingeschlichen. Aber ohne dass die äußere Erscheinung nennenswert berührt wurde. Aus den ursprünglichen Blattfedern wurden Schraubenfedern. In den letzten Jahren mussten die Europäer mit Dieseln Vorlieb nehmen und erlebten gar ein Downsizing vom 2,5-Liter-Fünfzylinder auf vier Töpfe mit 2,2 Liter Volumen. Die Leistung blieb aber konstant mit 122 PS (90 kW). Quelle: Handelsblatt
Hier bei der zweiten Durchfahrt. Der Defender hatte seine Aufgaben als Eisbrecher zuvor bereits bewältigt und im Zeitraffertempo die zentimeterdicke Eisdecke in Schollen zerbrochen. Der Fahrzeugunterboden blieb unbeschädigt, der Wattiefe sei Dank. Quelle: Handelsblatt
In Wüfrath ist nicht nur der Schotter besonders grob, hier sind auch die Löcher der Verschränkungsstrecke richtig tief. Für den Defender natürlich kein Problem. Quelle: Handelsblatt
In den 50er bis 70er Jahren, als die runden Blinkergläser und Rückleuchten noch vom britischen Zulieferer Lucas kamen, hatten sie die gleiche Form, die gleiche Verschraubung. Heute verblasst ihre Signalwirkung aber gegenüber dem Feuerwerk, das moderne Fahrzeuge bei der Beleuchtung abbrennen. Quasi unzerstörbare Relikte sind auch die Türscharniere. Und der Landy leistet sich einen echten Ersatzreifen, nicht diesen neumodischen Tire-Fit- oder Notlaufrad-Unsinn. Quelle: Handelsblatt
Defender-Details, wie man sie bei modernen Pkw wohl kaum findet: Klapptritt für den Einstieg durch die Hecktür, daneben kleiner Tritt als Beginn der schmalen Leiter hinauf zum Dachgepäckträger. Quelle: Handelsblatt
Noch immer sind beim Defender mehr Teile miteinander verschraubt und vernietet als verschweißt. Spaltmaßen wird keine übertriebene Aufmerksamkeit gewidmet. Und die weichen Duraluminiumbleche der Karosse sind immer ein bisschen wellig. Dicke Aluminium-Riffelbleche zur Verstärkung sensibler Außenbereiche sind Standard-Zubehör. Quelle: Handelsblatt
Früher gab es mal Land Rover, die das Ersatzrad sogar auf der Motorhaube spazieren fuhren, man konnte die abklappbare Frontscheibe darauf ablegen. Heutzutage ist zumindest die Formgebung der hinteren und der Dachfenster immer noch so wie früher. Die herausragenden Blinker und Rückleuchten werden vor Auffahrschäden durch eine Anhängerkupplung und das Ersatzrad geschützt. Quelle: Handelsblatt
Auch hier ein ungewöhnlicher Anblick: Die beiden Einzelstühle des Siebensitzers werden von der Seite aus in Position geschwenkt. Um hier überhaupt hinein zu kommen sollte man schon etwas Schwung holen und den Klapptritt neben dem Kennzeichen nutzen. Quelle: Handelsblatt
Diese Passage hat zwischen 65 und 75 Prozent Gefälle. Das heißt für Alex, Fuß vom Gas, Fuß von der Bremse. Einfach nur im 1. Gang mit Untersetzung rollen lassen, die Motorbremse des aufheulenden Defenders macht der Rest. Der Fahrer lenkt „nur“ noch. Das macht Spaß, strengt aber auch an. Quelle: Handelsblatt
Wer im Experience-Gelände unterwegs ist, wirkt auch glaubwürdig wenn er in der Kaffeepause mal eben nach dem Rechten schaut. Es gab unterwegs Steinschlag, Felsen, Wurzelwerk und zentimeterdicke Eisschollen aus der Bachdurchfahrt. Und einen öligen Stellplatzmarkierer möchte ja niemand. Quelle: Handelsblatt
Der Dachhimmel dämmt die enorme Geräuschkulisse innen ein wenig. Die Sonnenblende - natürlich ohne Beleuchtung oder Schminkspiegel - zeigt, wie einfach, aber solide man ein Auto konstruieren kann. Quelle: Handelsblatt
Während moderne softe SUV sich für den Massenmarkt an den Vorgaben und Ansprüchen von Pkw orientieren müssen, bleibt dem Land Rover das erspart. Er wendet sich an Fans des Ursprünglichen, Urtümlichen, und an Offroadfahrer, die keinen Firlefanz im Auto brauchen. So ist die Liste der abwesenden Extras im Defender gefühlte 35 Seiten lang. Quelle: Handelsblatt
Das gibt es nur bei Land Rover: Die kleine Blechlasche mit ihren beiden Schweißpunkten hält das Spannseil der Heckplane. Und zwar in dieser Form, an dieser Stelle, seit 1948. Quelle: Handelsblatt
Das Allradmodell, das ursprünglich auf dem Willys Jeep aus den USA aufbaute, ist längst Kult. Auch in Deutschland. In keinem anderen Land Europas, mit Ausnahme des Heimatmarktes Großbritannien, ist die Nachfrage zuletzt so groß gewesen wie hier. Der deutsche Importeur stand schon Ende 2015 mit leeren Händen da. Wer nicht spätestens im September einen Defender bestellte hat, kann einen neuen nur noch mit sehr viel Glück bei einem Händler finden, und teilweise auch gegen heftige Aufpreise. Quelle: Handelsblatt
Ein solches Auto entsorgt man nicht, man vererbt ihn. Auch deshalb leben angeblich noch dreiviertel aller Defender respektive Ur-Land Rover. Zwei Millionen Exemplare sind allein in Solihull montiert worden, wer weiß, wie viele es noch waren in den 45 weiteren Produktionsstätten auf dem gesamten Globus, zuzuglich zu den verschiedenen Lizenzbauten. Quelle: Handelsblatt
Statt Sandfarben gibt es ihn sogar in knalligen Orange-Tönen, die letzten Modelle rollten sogar teils mit edler Lederbestuhlung vom Händlerhof. Wir Europäer werden jedenfalls einen Ersatz bekommen. Eine futuristisch und zugleich ursprünglich anmutende Studie machte schon Appetit auf den potenzieller Nachfolger. Einziger Wermutstropfen: Sie könnte erst gegen Ende des Jahrzehnts in Serie gehen. Quelle: Handelsblatt
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