Erst rund 4000 Elektroautos sind in den letzten Jahren angemeldet worden. Irgendwie sollen es bis zum Jahr 2020 eine Million Stück werden. "Markthochlauf" lautet das Zauberwort der Autobranche. Doch die Zweifel wachsen, ob es den erhofften Durchbruch wirklich geben wird. Um Autos mit alternativen Antrieben voranzubringen, soll in Deutschland ein Netz von Wasserstoff-Tankstellen entstehen.
Bis 2015 soll es zunächst 50 Stationen an wichtigen Ballungsräumen und Autobahnen geben, wie Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) am Mittwoch sagte. Bund und Industrie teilen sich die Investitionen von 40 Millionen Euro. Dies soll gewährleisten, dass bis zu 50.000 Autos durchs ganze Land fahren können. Bisher gibt es 15 Tankstellen. Brennstoffzellen mit Wasserstoff gelten neben Elektro-Batterien als vielversprechende Technologie für neue Fahrzeugantriebe.
Wer 2014 ein Wasserstoff-Fahrzeug kaufen wolle, bekomme nunmehr Gewissheit, dass er damit überall in Deutschland fahren könne, sagte Ramsauer. Vorteil der Technologie sei ihre hohe Reichweite und dass das Tanken schnell gehe. Der Minister betonte, die Bundesregierung verfolge weiter eine „technologieoffene“ Förderung bei Alternativ-Antrieben. Niemand könne vorhersagen, welche Technik sich durchsetzen werde. Es dürfte aber auf einen Mix je nach Bedarf hinauslaufen.
Vorgesehen für das bundesweite Tankstellennetz sind elf Standorte in Baden-Württemberg, je sieben in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Berlin, vier in Bayern und Hamburg, drei in Sachsen und einer in Niedersachsen. Dazu kommen sechs Standorte an wichtigen Korridoren und Autobahnen. Für den Aufbau des Netzes schloss der Bund eine Vereinbarung mit dem Autobauer Daimler, dem Tankstellenbetreiber Total und den Gaseherstellern Linde, Air Liquide und Air Products. Ramsauer sagte, das Netz von 50 Tankstellen solle später weiter verdichtet werden. Am Ende könnte es bis zu 1000 Tankstellen geben, um eine völlige Abdeckung zu erreichen, sagte Linde-Experte Andreas Opfermann. Herkömmliche Tankstellen gibt es gut 14.000.
Nach Angaben der Industrie-Initiative für Wasserstoff werden für 2015 vorerst 5000 Brennstoffzellenfahrzeuge in Deutschland erwartet. Daimler-Vorstand Thomas Weber sagte, die neue Technik biete ein enormes Potenzial. Schon jetzt könnten die Autos 400 Kilometer weit fahren, das Tanken dauere drei bis vier Minuten. Firmenvertreter wiesen darauf hin, dass international einheitliche Standards für Tankstellen notwendig seien.
Trotz des schleppenden Absatzes von Elektroautos haben Autobranche und Bundesregierung vor Schwarzmalerei gewarnt. "Natürlich sind die Bäume nicht in den Himmel gewachsen", sagte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) am Mittwoch bei der Vorstellung des dritten Berichts der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) in Berlin. Man befinde sich aber wie geplant noch in der Vorbereitungsphase. Ab 2014 sei der Markthochlauf geplant, 2017 solle die Massenproduktion starten.
Ziel von einer Million E-Autos wird angezweifelt
Der Bericht geht davon aus, dass ohne weitere Förderung bis 2020 nur 600.000 statt einer Million E-Autos in Deutschland fahren werden. Dennoch will die Regierung den Absatz von Elektroautos nicht mit Kaufprämien anschieben. Das E-Auto müsse sich am Markt durchsetzen, es sei nicht Aufgabe der Bundesregierung, Ladestationen oder Autos zu bauen, sagte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Ramsauer sagte, auch die Mitbewerber im Ausland würden nur mit Wasser kochen. "Wir in Deutschland kochen aber mit dem Wasser wesentlich besser."
Seit 2008 sind rund 4000 Autos angemeldet worden, der Gesamtbestand beläuft sich auf etwa 4500 Stück. Bisher wurden rund 2200 Ladestation errichtet. "Ein realistischer Optimismus ist angezeigt", sagte Ramsauer. Große Hoffnung legen Industrie, Autobranche und Bundesregierung in die vier "Schaufensterregionen" Baden-Württemberg, Berlin/Brandenburg, Niedersachsen und Bayern/Sachsen, die Informationen über den Bedarf an Ladesäulen und das Ladeverhalten der Bürger bringen sollen. Die Autobranche betonte, statt sofort in die Massenproduktion einzusteigen, sei es wichtig, zunächst Forschung und Entwicklung voranzutreiben. Bisher gibt es Probleme vor allem noch beim Preis und der Reichweite der Batterien.
Der NPE-Vorsitzende Henning Kagermann lobte die Fortschritte im Bereich Elektromobilität. An den Hochschulen seien Lehrpläne mit Blick auf die Elektromobilität angepasst worden, die Forschung werde ausgeweitet. "Man ist eigentlich begeistert, wenn man in so einem Auto fährt." Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, sagte, bis 2014 solle es 15 E-Automodelle deutscher Hersteller geben. Insgesamt sollen zunächst 17 Milliarden Euro investiert werden.
Nach Meinung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer dagegen läuft die Startphase miserabel. "Die Elektromobilität ist in Deutschland dabei zu sterben", sagte der Direktor des Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen am Mittwoch der dpa. Die Pläne von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dass bis 2020 in Deutschland eine Million Elektroautos fahren würden, seien Makulatur. "So wie es derzeit aussieht wird man froh sein, wenn man 10 Prozent des Ziels, also 100.000 Fahrzeuge erreicht", so Dudenhöffer. Notwendig seien großangelegte Offensiven. Innenstadtzonen müssten zum Beispiel nur für E-Autos zugänglich sein und man brauche Car-Sharing-Angebote in Großstädten, damit man die Autos sehe.
Die Regierung hatte vor einem Jahr ein Paket zur besseren Förderung der Elektromobilität beschlossen. Elektroautos sollen zum Beispiel für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit werden. Und im Straßenverkehr könnte es neben speziellen Parkflächen auch Sonderfahrspuren geben - sofern Länder und Kommunen mitziehen. Für die Autokonzerne wäre ein Erfolg der Elektromobilität auch wichtig, um wegen strengerer CO2-Grenzwerte der EU in Zukunft hohe Strafzahlungen zu vermeiden.
Umweltverbände werfen der Autoindustrie vor, zu sehr auf höhere Subventionen für Elektro-Autos zu schielen statt intelligente Lösungen zu suchen. „Der Unterton ist ein wenig, wir haben entsprechende Gelder nicht bekommen, also kommen wir nicht so recht voran“, sagte Viviane Raddatz, Verkehrsexpertin des WWF, mit Blick auf NPE-Bericht. Der WWF ist wie andere Umweltorganisationen an der Plattform beteiligt. Bemängelt wird auch ein Kungeln der Industrie und zu wenig Transparenz in den NPE-Arbeitsgruppen.