Auto Dem Elektroantrieb gehört die Zukunft

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Fiat Phylla

Selbst mit Startups und Bastelbuden schließen sich gestandene Konzerne plötzlich zusammen, wie man es eigentlich nur aus den wilden Dotcom-Zeiten kannte. Daimler verhandelt mit dem winzigen amerikanischen Batterieauto-Hersteller Tesla über Batterien für einen Elektro-Smart-Prototyp. Konkurrent Continental erwarb erst kürzlich eine 50-prozentige Beteiligung an dem britischen Unternehmen Zytek, das an der Entwicklung jenes batteriebetriebenen Smart beteiligt war, mit dem Daimler im Londoner Stadtverkehr Erfahrungen für die spätere Serienproduktion sammeln will. Darüber hinaus kaufte sich Conti mit 16 Prozent bei dem japanischen Batteriehersteller Enax ein. „Wir wollen nicht nur bei der Elektronik, sondern auch beim Design der Batteriezellen vorne mitspielen“, sagt Conti-Technologievorstand Neumann: „Das Thema Elektrifizierung des Antriebs wird für uns mittel- bis langfristig ein Milliardengeschäft, da bin ich mir sicher.“ Damit steht er nicht alleine da. Es herrscht eine kreativ-diffuse Mischung aus Verunsicherung und Goldgräberstimmung, in der alle Beteiligten versuchen, ihren Claim abzustecken.

Und die kommen aus den unterschiedlichsten Branchen – hinter Tesla etwa stecken prominente Finanziers wie die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page. In aller Munde ist auch die norwegische Batterieauto-Firma Think, die bereits seit diesem Sommer in Skandinavien einen Kleinwagen mit Elektroantrieb und einer Lithium-Ionen-Batterie im Heck anbietet. Rund 20.000 Euro kostet das Minigefährt, das im Idealfall bis zu 170 Kilometer weit fahren soll. Was wenig klingt, ist nahe an der Wirklichkeit: „In Europa fahren fast drei Viertel der Autofahrer weniger als 40 Kilometer am Tag“, sagt Jan Traenckner, ein auf Elektroautos spezialisierter Unternehmensberater und Investor: „Warum also nicht elektrisch zur Arbeit und zum Einkaufen fahren und für die Urlaubsreise einen Diesel oder ein Hybridauto mieten?“

Wo aber stehen die deutschen Autokonzerne bei den neuen Technologien im Vergleich zu ihren Konkurrenten? Auch, wenn es für eine exakte Einschätzung noch zu früh ist: Ganz vorne sieht Elektroauto-Experte Traenckner die deutschen Hersteller derzeit nicht: „Die asiatische Konkurrenz scheint da im Moment schon ein Stück weiter zu sein.“

So ist etwa der japanische Autobauer Mitsu-bishi mit seiner Tochter GS Yuasa seit Jahren selbst als Batteriehersteller aktiv. Der Hersteller, der sich zeitweise selbst mit Qualitätsproblemen und Absatzschwäche ins Abseits der Autoindustrie manövrierte, könnte durch die Elektro-Revolution also regelrecht aufblühen. Das Konzeptauto i-EV soll bereits 160 Kilometer rein elektrisch fahren und 2010 in Japan in Serie gehen. Erst vor wenigen Wochen haben Mitsubishi und der französische Konkurrent Peugeot eine Kooperation zum Bau eines elektrischen Stadtautos verkündet.

Daimler und BMW dagegen haben noch überhaupt keinen großen Partner, auch wenn Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber sich gelassen gibt. Die Münchner Konkurrenten haben zwar eigens ein sogenanntes I-Car Projekt gegründet, das sich auch mit dem Elektroauto beschäftigt. Doch die Indizien sprechen dafür, dass die Bayern sich beeilen müssen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Denn während Daimler und Opel über Jahre mit Brennstoffzellenautos experimentiert haben, die ja im Grunde auch nichts anderes als Elektroautos mit einem anderen Energiespeicher sind, und während VW sich mit den sogenannten „Citystromern“ mehrfach an Elektroauto-Kleinserien versucht hat, verfolgte BMW sein Elektroauto-Projekt E1 Anfang der Neunziger wegen der unbefriedigenden Leistung der damals verwendeten Natrium-Schwefel-Batterie nicht weiter.

Mythen rund um das Elektroauto

Die Entscheidung fiel damals mutmaßlich auch, weil eine andere wichtige Frage noch nicht beantwortet werden konnte: Wollen die Autofahrer wirklich elektrisch fahren? Frank Weber, der Mann hinter dem Chevy Volt, ist davon überzeugt: „Das hat nichts mit Nische zu tun. Für 10.000 Autos im Jahr würden wir den Aufwand nicht treiben. Wenn die Leute zum ersten mal ein Elektroauto fahren, werden sie begeistert sein.“

Noch allerdings ranken sich diverse Mythen um die Elektroautos, die der Begeisterung Abbruch tun könnten.

Mythos 1: Es gibt Alternativen zum Elektroantrieb. Stimmt nicht, jedenfalls nicht auf lange Sicht. Der Energieaufwand, um 100 Kilometer weit zu fahren, ist bei keinem Antriebskonzept geringer als bei einem batteriegetriebenen Elektroauto. Dazu kommt: Nur ein Elektroauto mit Batterie oder einer zusätzlichen, sogenannten Brennstoffzelle, die aus Wasserstoff Strom erzeugt, stößt auf der Straße selbst keinerlei schädliche Abgase aus. „Das Thema emissionsfreies Fahren in Innenstädten kommt, daran gibt es keinen Zweifel“, sagt Volkswagens Chef-Aggregateentwickler Hadler: „Ob wir dann alle nur noch rein elektrisch fahren oder ob es speziell für lange Strecken auch andere Konzepte gibt, steht auf einem anderen Blatt.“

Als größte Herausforderung betrachten die Entwickler derzeit noch die Reichweite der rein elektrischen Fahrzeuge. 100 Kilometer wären schon gut, maximal 200 Kilometer im rein elektrischen Betrieb halten die meisten derzeit für ein realistisches Ziel bis zum Jahr 2020. Aufgrund der geringen Energiedichte selbst von Lithium-Ionen-Akkus sind die Batterien entsprechend schwer. Zwischen 150 und 180 Kilo rechnen die Entwickler derzeit. Deshalb wird es noch einige Jahre lang einen Wettlauf unterschiedlichster Antriebssysteme geben. Neben Autos mit immer kleineren, hocheffizienten Verbrennungsmotoren und Elektroautos mit sogenannten Range-Extendern, kleinen Verbrennungsmotoren, die während der Fahrt die Batterie aufladen, können das zum Beispiel auch sogenannte leistungsverzweigte Hybride sein, wie sie derzeit etwa Toyota einsetzt und bei denen E- und Verbrennungsmotor sich die Antriebsarbeit teilen. Vorteil der Technik: Sie ist deutlich leichter und derzeit auch noch billiger als das Batterieauto mit Range-Extender, weil die Batterie nicht so groß sein muss. Mit sinkenden Batteriepreisen könnte sich das freilich ändern.

Mythos 2: Elektroautos sind träge. Das ist falsch. Elektroautos sind potenziell wahre Raketen. Der amerikanische Tüftler Scotty Pollacheck hat ein Elektromotorrad gebaut, das in 0,7 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt, fast viermal so schnell wie ein 1000 PS starker Bugatti Veyron. Der Grund für die überragenden Fahrleistungen ist, dass Elektromotoren schon von der ersten Umdrehung an ihre ganze Kraft aufbringen. Der auf dem Lotus-Sportwagen Elise basierende Tesla-Roadster beschleunigt so in weniger als vier Sekunden auf Tempo 100 – so schnell wie ein Porsche 911 Turbo. „Ich habe eine normale Elise und den Tesla gefahren, und ich würde den Tesla kaufen“, schwärmt Conti-Technologievorstand Neumann. „Damit fahren Sie in einer ganz eigenen Liga.“ Wenn auch zum Preis von 100.000 Dollar.

Mythos 3: Elektroautos sind teuer. Stimmt nur bedingt. Teuer sind die Batterien. Derzeit kostet eine Lithium-Ionen-Batterie bis zu 1000 Euro je Kilowattstunde Leistung. Um einen Kleinwagen 100 Kilometer rein elektrisch zu bewegen, sind etwa 18 bis 20 Kilowattstunden Batteriekapazität erforderlich. Doch der Preis für die Batterien dürfte mit fortschreitender Massenfertigung rasant sinken. Entwickler halten eine Halbierung der Batteriepreise schon binnen zwei Jahren für realistisch. Der Elektromotor selbst ist sogar günstiger als ein vergleichbar starker Verbrennungsmotor. Auch das teure, mehrstufige Getriebe fällt vollständig weg. Elektroauto-Experte Traenckner schätzt den Mehrpreis für Elektrofahrzeuge der ersten Generation gegenüber konventionellen Autos für einen Kleinwagen auf „etwa 5000 bis 6000 Euro“.

Die Gesamtbetrachtung der Betriebskosten lässt die Rechnung ohnehin schon jetzt ganz anders aussehen. Dem Elektroauto genügt für 100 Kilometer Fahrt Strom im Wert von etwa zwei Euro. Auch die Wartungskosten sind niedriger. Beim französischen Hersteller Renault ist man sich sicher, dass Elektroautos in der Gesamtkostenbilanz mehr als nur konkurrenzfähig sind. Die Franzosen wollen gemeinsam mit ihrem japanischen Allianzpartner Nissan das Elektroauto für jedermann, wie der verantwortliche Renault-Manager Serge Yoccoz beteuert.

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