Autonome Autos Ein Robo-Taxi kann zehn Privatautos ersetzen

Die Autobauer versuchen bei ihren Visionen für das autonome Fahren den Vorteil für den Fahrer ins Rampenlicht zu stellen. Eine neue Studie zeigt aber einen ganz anderen Nutzen autonomer Autos – als Robo-Taxen.

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Ein autonom fahrendes Taxi kann bis zu zehn Privatautos ersetzen. Quelle: REUTERS

Gleich zwei neue Studien aus dieser Woche mühen sich, den Nutzen und die Vorteile des selbstfahrenden Autos zu ermitteln. Mitte der Woche verkündete Bosch, größter Automobilzulieferer der Welt, in Kooperation mit Daimler eine neue Initiative zur Entwicklung autonomer Pkw.

Bosch und Daimler wollen bereits in fünf Jahren autonom fahrende Autos auf die Straße bringen. In die Forschung und Entwicklung stecken die Autokonzerne Milliarden. Anfang März stellte Konkurrenz Renault-Nissan in London einen Prototypen vor, der bereits ohne menschlichen Fahrer durch den real existierenden Londoner Berufsverkehr kurvte.

Wozu der ganze Aufwand? Bosch lieferte Mitte der Woche in seiner Connected Car Studie verlockende Zahlen: Experten sind sich einig, dass selbstfahrende Autos, so sie denn dereinst auch bei dichtem Nebel, schneebedeckten Fahrbahnen und in völliger Dunkelheit funktionieren, sehr viel weniger Unfälle bauen werden als menschliche Fahrer.

„Allein in den drei größten Autoländern USA, China und Deutschland würden vernetzte Systeme 2025 ungefähr 11.000 Menschenleben retten, Versicherungen würden um 4,43 Milliarden Euro Schadenskosten entlastet, vernetzte Parksysteme 480 Millionen unnötig gefahrene Kilometer Parkverkehr einsparen“, sagte ein Bosch-Sprecher der WirtschaftsWoche.

Nun legt eine Studie der TU München und der Beratungsgesellschaft Berylls nach: Je ein autonomes Taxi könnte demnach bald bis zu zehn Pendler-Autos ersetzen.

München ist Deutschlands Stau-Hauptstadt. Jede vierte Autofahrt im Stadtgebiet der Bayernmetropole endet im Stau. In Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, Köln und vielen anderen Metropolen ist die Lage kaum besser. Und es wird noch schlimmer werden: Neusten Studien zufolge gibt es in Deutschland derzeit so viele Pendler wie noch nie. Die Gründe (vereinfacht): Der anhaltende Wirtschaftsboom und damit starke Beschäftigung, und steigende Wohnungskosten in den Städten, wo die meisten Jobs entstehen.

Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens

Beispiel München: Trotz eines relativ gut ausgebauten ÖPNV sind in München derzeit fast eine Dreiviertelmillion private Pkw zugelassen. Sie und die täglich ins Stadtgebiet einpendelnden Menschen aus dem Umland, das inzwischen aufgrund hoher Mietpreise locker bis Landshut oder Augsburg reicht, verhelfen der Bayernmetropole zum zweifelhaften Titel „Stauhauptstadt Deutschlands“: Laut dem Verkehrsdatenanbieter INRIX beträgt die durchschnittliche Staurate am Gesamtverkehr 25 Prozent, pro Kopf liegt die Wartezeit in Staus in München pro Jahr bei 49 Stunden.

Die Beratungsgesellschaft Berylls hat zusammen mit der Technischen Universität München und der Stadt München untersucht, wie Lösungen für das Problem aussehen könnten. Denn dass es sich von alleine löst, muss als unrealistisch gelten: „Das Verkehrsaufkommen in den Ballungsräumen wird weiter wachsen, und es wird vor allem in den ohnehin schon staugeplagten Spitzenzeiten überproportional zulegen, also morgens und am frühen Abend“, sagt Thomas Ferrero, Geschäftsführer und Co-Gründer des auf Verkehrsthemen spezialisierten Karlsruher Thinktanks PTV.

Ein Teil der Antwort könnten autonome, selbstfahrende Autos sein. Besonders effektiv wären sie laut der neuen Studie nicht, wenn sie in Privatbesitz wären, sonders als ständig zirkulierende Taxen. Wie die Studie zeigt, könnten realistisch bereits 18.000 solche Robo-Taxen mehr als zehn Mal so viele Autos überflüssig machen – zumindest fürs tägliche Pendeln.

„Das Ziel der Studie war der Aufbau einer umfangreichen multidimensionalen Simulation für das Szenario einer Stadtflotte aus autonom fahrenden E-Fahrzeugen, die den gesamten innerstädtischen Pkw-Individualverkehr substituiert“, sagt Professor Markus Lienkamp vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der TUM.

Der Schlüssel ist die Auslastung

Um eine möglichst solide Datenbasis für die Studie zu erhalten, flossen langjährig aufgebaute Simulationen, etwa zum Aufbau einer Ladeinfrastruktur, und realitätsnahe Nachfragedaten aus dem vielschichtigen Verkehrsmodell der Stadt München in die Untersuchung ein. Aus dieser Datenbasis hat Berylls drei realistische Mobilitäts-Szenarien entwickelt, von denen eines auch den Pendlerverkehr berücksichtigt. Das Pendler-Szenario zeige, dass sich rund 200.000 private Pkw durch 18.000 autonom agierende Robotaxen ersetzen lassen, so Lienkamp.

Szenario ISzenario IISzenario III
Anzahl autonome Fahrzeuge10.30018.00034.000
Fahrten pro Tag372.000593.0001.060.000
Fahrtlänge5,07 km5,73 km6,47 km
Fahrten pro Fahrzeug am Tag363332
Lahrleistung pro Fahrzeug am Tag211 km211 km234 km
Anstieg Gesamtfahrleistung15%14%16%
Zeitliche Auslastung der Fahrzeuge51%51%55%

Denn die Robotaxen lassen sich vor allem effizienter auslasten als private Pkw, während privat gehaltene Pendlerautos mehr als 95 Prozent der Zeit ungenutzt parken, die Autos der innerstädtischen Bewohner gar 99 Prozent, sind elektrische Robotaxen bis zu 50 Prozent ihres Autolebens on the road. Das sind natürlich theoretische Annahmen, denn das Grundproblem, dass zu Spitzenzeiten mehr „Transportbehältnisse“ benötigt werden als den Rest des Tages, bleibt ja bestehen.

Der Schlüssel liegt daher in einer intelligenten Steuerung des Systems durch gute Nutzerdaten und schlaue Algorithmen, die die Zahl der Leerfahrten effektiv reduziert. Relativ einfach und naheliegend ist dagegen der Vorteil, dass der innerstädtische Parksuchverkehr entfällt, „der macht aktuell immerhin rund 30 Prozent der Verkehrsbelastung aus“, sagt Lienkamp, „er lässt sich praktisch eliminieren.“

In diesen Situationen möchten die Deutschen autonom fahren

Dabei sind keine enormen elektrischen Reichweiten pro Auto notwendig, 150 Kilometer genügen hier bereits. „Die Potenziale dieser neuen Mobilitätsform sind offensichtlich. Städte sind nun gefordert, zum einen eine Umgebung für eine nachhaltige Umsetzung zu schaffen, und andererseits das Verkehrsaufkommen von Robotaxen durch Pooling-Ansätze weiter zu vermindern. Und wenige Städte auf der Welt sind für effizientes Fahrgast-Pooling besser geeignet als München“, meint Matthias Kempf, Experte für innovative Mobilitätsdienstleistungen, Berylls Strategy Advisors.

Wie die Autoren weiter behaupten, würde das bereits für eine monatliche Mobilitätsflatrate von 99 Euro für die Nutzer erschwinglich. „Neben dem Praxisbezug war uns eine ganzheitliche Kostenbetrachtung wichtig“, sagt Kempf.

Um reale Preise für die potenziellen Kunden zu ermitteln, wurden zahlreiche Kostenfaktoren einbezogen. So flossen neben Fahrzeug- und Batterieherstellung, Energiekosten, Wartung und Betreuung der Fahrzeuge auch Reinigungs- und administrative Kosten in die Betrachtung mit ein. „Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren, könnte dem Nutzer in München eine Mobilitätsflatrate von 99 Euro pro Monat angeboten werden“, sagt Kempf. Pro Kilometer muss der Robotaxi-Nutzer etwa 16 Cent aufwenden, was auf dem aktuellen Niveau des ÖPNV liegt.

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