Autotest Iveco Campagnola: Arbeitstier für Offroad-Fans

Der Lkw-Bauer Iveco wagt sich auf neues Terrain vor: Mit seinem Geländewagen Campagnola will Iveco die Herzen der Offroad-Fans erobern. WirtschaftsWoche-Redakteur Wilfried Eckl-Dorna war bei der Vorstellung des Gelände-Kraxlers dabei – und entdeckte abseits von Trockeneisnebel und Marketing-Geschwafel ein grundsolides Arbeitstier.

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Iveco Campagnola Quelle: Foto: Wilfried Eckl-Dorna

Die Sonne strahlt, die Sonnenbrillen spiegeln. Unerbittlich laut bläst die Tonanlage Pink Floyds "The Wall" über den von Bergen umgebenen Helikopter-Landeplatz im Aostatal, rund eine Autostunde von Turin entfernt. Plötzlich zerhackt ein dumpfes Flattern die schweren Elektrogitarren-Akkorde. Knapp zwei Dutzend Journalisten sehen zu, wie ein schwerer Militär-Transporthubschrauber vorsichtig landet. Ein kleiner, olivgrüner Geländewagen fährt aus seinem Bauch. Die Beatles stimmen „Yesterday“ an, während der Moderator ins Mikrophon brüllt: „Das ist der legendäre Campagnola von 1951“.

Rasch füllt sich der Betonplatz vor der improvisierten Tribüne mit Fiat- Campagnola-Geländewagen unterschiedlicher Baujahre. Kunstnebel wabert aus einem Hangar, Stroboskopblitze zucken, die Musik wechselt ins Pompöse. „Willkommen, neuer Campagnola“, krächzt der Moderator, als sich ein Dutzend brandneuer Geländewagen gemächlich in die erste Reihe schieben.

Trockeneis, Testparcours, Trompetenstöße aus der Tonkonserve: Für die Präsentation ihres neuen Geländewagens hat die Fiat-Tochter Iveco keine Mühen gescheut. Seit langem baut Iveco Lastwagen, die mit schwierigem Terrain zurecht kommen. Mit diesem Know-How will Iveco nun im lukrativen Geländewagen-Segment punkten: Der vorerst auf 500 Stück limitierte Gelände-Kraxler Campagnola soll im Revier des Platzhirschen Land Rover Defender wildern.

Selbstbewusster Iveco-Auftritt

Obwohl der Campagnola nichts anderes als eine Sonderauflage des vor einem Jahr vorgestellten Geländewagen-Modells Massif ist, strotzen die Iveco-Leute vor Selbstbewusstsein. „Viele sind froh, dass die Quasi-Monopolstellung des Hauptmitbewerbers gebrochen wird“, behauptet Iveco-Sprecher Manfred Kuchlmayr. „Unsere Kunden wollen ein Auto haben, bei dem man in schwierigen Situationen keinen Stress hat“, formuliert es Henrik Starup, Marketing-Vorstand von Iveco Deutschland. Sein italienischer Kollege Alessandro Chicchetti sagt noch deutlicher: Der Campagnola atmet den Geist der Aufklärer, der Entdecker. Er ist einfach das beste Geländefahrzeug, das es am Markt gibt“.

Kraftvoller Geländewagen ohne Schnickschnack

In einem haben die Iveco-Leute recht: Wer einen waschechten Geländewagen sucht, wird mit dem rund 36.000 Euro teuren Campagnola gut bedient. Zwar hat der ab Anfang 2009 erhältliche Dreitürer elektrische Fensterheber, ein CD-Radio samt Navigationsgerät und Klimaanlage an Bord, auf Wunsch wird der Campagnola auch mit Lederpolstern ausgestattet. Doch sonst erinnert im Campagnola von den Ausstattungsmerkmalen nichts an die als Vorstadtpanzer verschrienen Allradler von Audi, Mercedes oder BMW. Das Armaturenbrett ist aus hellgrauem, abwaschbarem Plastik, das Lenkrad groß und nüchtern. Auf Teppichböden hat Iveco ebenfalls verzichtet – denn die lassen sich nicht gut reinigen, hieß es. Zudem ist der Campagnola nur in zwei Farben lieferbar: Elfenbein und Salbeigrün.

Ein bewährter Dreiliter-Motor von Iveco versorgt den 4,25 Meter langen Gelände-Kraxler mit 176 PS, dank 2,4 facher Untersetzung bezwingt der Campagnola auch Steigungen von 60 Grad mit Leichtigkeit. Iveco setzt dabei auf seit Jahrzehnten bewährte Offroad-Technik: Der Allradantrieb ist zuschaltbar, was für weniger Verschleiß bei Straßenfahrten sorgen soll. Blattfedern verhelfen zu mehr Traktion in hügeligem Gelände. ABS hat Iveco seinen Kunden zugestanden – Airbags oder ESP fehlen aber.

Iveco beschwört italienische Geländewagen-Legende

Iveco Campagnola Quelle: Foto: Wilfried Eckl-Dorna

Der Campagnola, das betonen die Iveco-Leute immer wieder, ist die Wiederbelebung einer Legende. Laut Iveco war Ur-Campagnola, der von 1951 bis 1987 von Fiat gebaut wurde, ein Symbol für den italienischen Wiederaufbau. Mit dem Campagnola fuhren italienische Abenteurer quer durch Afrika, er wurde vom italienischen Militär eingesetzt und hielt als Chassis für geländegängige Löschfahrzeuge her. Seinen wohl werbeträchtigsten Einsatz hatte der Campanola aber in Rom: Als speziell umgebautes „Pappamobil“, mit dem Päpste winkend durch Menschenmengen fuhren.

Für den Transport durch die Massen ist die Neuauflage des Campagnola allerdings nicht gedacht – sondern für die harten Hunde unter den Offroad-Fans. Damit das alle aus Deutschland eingeflogenen Journalisten verstehen, hat sich Ivecos Event-Agentur ordentlich ins Zeug gelegt: Notizblöcke, Presseunterlagen bis hin zur CD trugen das Campagnola-Schriftzug mit einem stilisierten Berg im Hintergrund. Die Pressekonferenz fand im Alpin-Trainingscenter des italienischen Militärs statt. Dutzende Iveco-Mitarbeiter trugen eigens angefertigte Campagnola-Kleidung: Sandfarbene Stoffhosen unten, olivgrüne Windjacken oben. Selbst vor den Hotelzimmern machte das Abenteurer-Feeling nicht halt. Auf den Betten der Hotelzimmer warteten Militärrucksäcke samt Presseunterlagen.

Arbeitstier für schwieriges Terrain

Abseits aller Marketing-Gimmicks stand eine ausführliche Probefahrt auf dem Programm. Rund um das Montblanc-Massiv konnte der Campagnola seine Stärken ausspielen. Matschige Wege rund um die Schipisten von Courmayeur meisterte der Campagnola mit Leichtigkeit. Das beachtliche Drehmoment 400 Nm wirkt bei Steilstücken Wunder: Auch mit Drehzahlen knapp oberhalb des Standgases klettert der Campagnola 60 Grad-Steigungen problemlos hoch. Selbst für ungeübte Geländefahrer ist der Wagen trotz gelegentlich ruckeliger Schaltung leicht zu beherrschen.

Vor Berghütten und Gipfeln macht der Campagnola eine gute Figur – auf der Straße allerdings weniger. Zwar schafft der Offroader bis zu 165 km/h Spitzengeschwindigkeit, doch die Plattenfedern geben jede kleine Straßenunebenheit unmittelbar an den Fahrer weiter.

Wiederauferstehung ohne Öffentlichkeit

Der Campagnola, so merkt Iveco-Sprecher Kuchlmayr an, ist eben „kein Auto, mit dem man die Münchner Leopoldstraße auf und ab fährt.“ Damit dürfte er auch angesichts der angepeilten Absatzzahlen recht haben. Zunächst will Iveco in Deutschland 200-300 Stück absetzen, als Zielgruppe haben sie Baufirmen und Forstbesitzer im Visier. Die breite Masse wird das Auto kaum zu sehen bekommen, denn vorerst wird der Campagnola nur über die Iveco-Lizenzhändler vertrieben. Dass der Geländewagen auch einmal in Fiat-Autohäusern stehen wird, konnten die Iveco-Leute nicht zusichern.

Die Wiederauferstehung des italienischen Geländewagen wird also großteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. So richtig passt der Campagnola auch nicht zum Anspruch Fiats, die strengen CO2-Vorgaben der EU für Fahrzeugbauer bereits jetzt zu erfüllen. Denn der Campanola bläst 294 Gramm CO2 pro Kilometer in die Luft, weitab vom EU-Richtwert von 130 Gramm CO2.

Zudem krankt die Wiederauferstehungslegende an einem wesentlichen Punkt. Der Campagnola wird von der Iveco-Tochter Santana in Andalusien produziert. Die wiederum erwarb sich ihr Geländewagen-Know-How als langjähriger Lizenzfertiger für Land Rover. Iveco versichert zwar, dass drei Viertel der Bauteile getauscht oder weiterentwickelt wurden. Einzig der Leiterrahmen, die Karosserie und das Kunststoffdach stammen noch vom Offroad-Briten.

Doch ein Auto, das in Spanien gebaut wird und auf einem englischen Allradler basiert, als Wiederauferstehung einer italienischen Geländewagen-Legende zu verkaufen - das dürfte selbst der Fiat-Marketingabteilung schwerfallen.

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