BMW Active Tourer 225i In der falschen Haut

Den Active Tourer gibt es mit Diesel und als Benziner. Wer sich für das stärkste Modell entscheidet, erhält ein fast kompromissloses Fahrzeug. Und das fährt sich wie ein BMW, aber nicht wie ein Kompakt-Van.

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Test: BMW Active Tourer 225i - In der falschen Haut Quelle: BMW

Nichts bleibt so wie es war und selbst scheinbar in Blech gemeißelte Grundsätze sind heute nichts mehr wert. Gehen wir mal zehn Jahre zurück und stellen uns vor: Die Bayerischen Motoren-Werke bauen nicht nur Elektroautos, nein –viel schlimmer – sie produzieren auch Fahrzeuge mit Fronantrieb, Quereinbau und Motoren mit drei mickrigen Zylindern. Und dann gibt es auch neuerdings auch noch Vans im Angebot. Unvorstellbar. Vor zehn Jahren. Aber heute?

Okay, den X6 und dessen Brachialoptik haben wir so gerade noch verkraftet. Aber seit einigen Wochen begegnet man auf unseren Straßen auch Kompaktvans, die das BMW-Logo tragen. Kompaktvans! In dieser Fahrzeugklasse – die von einigen auch als Mum-Car bezeichnet wird, dabei fahren die Mütter doch heute SUV – erwarten wir doch eher ein Fahrzeug mit Stern (B-Klasse) oder sogar „Das Auto“ (als Sportsvan). Aber einen BMW?

Die Bayern wissen um die Gefahr und mildern sie schon mal, in dem sie das Fahrzeug einfach Active Tourer nennen, das klingt nach Jugend, Sport, Fun und nicht nach Nacken- und Rückenschonung. Wir bekämpften unsere Vorbehalte zusätzlich, indem wir nicht etwa die Version mit Dreizylinder (218i) zum Test bestellten, sondern gleich mit dem Spitzenmodell 225i auf dicke Hose machten. So viel BMW – Frontantrieb hin, Quereinbau her - muss dann in einem Kompaktvan schon sein.

Leider fällt das Ergebnis ein wenig zwiespältig aus. Der Active Tourer ist ein guter Kompaktvan mit zwar nicht übermäßig, aber ausreichend Platz für vier Erwachsene (und einem Kind hinten Mitte). Die Rückbank ist zudem um bis zu 13 Zentimeter verschiebbar (300 Euro) und der Beifahrersitz kann umgeklappt werden (190 Euro).

Damit ist dann auch der Transport von langen Gegenständen ein Kinderspiel, zumal wenn man die dreigeteilten Lehnen per Knopfdruck aus dem Kofferraum heraus entriegelt und sogar mit einer Fußbewegung unter dem Heck die rückwärtige Klappe elektrisch öffnet (450 Euro).

Auch der Antrieb ist als solcher eine Wucht. Der 2,0-Liter-Benziner leistet 170 kW/231 PS und hat mit dem 1,5-Tonner naturgemäß leichtes Spiel. Das liest sich an den Fahrleistungen ab: Nach 6,6 Sekunden ist Tempo 100 erreicht, bis zu 240 km/h sind auf der Autobahn drin.

Leider funktioniert die Kombination aus Van und sportlichem Motor nicht ganz so gut. Denn der Active Tourer ist damit schlicht übermotorisiert. Oder anders ausgedrückt: Der formidable Motor steckt in der falschen Haut.

Das wird besonders deutlich, wenn man den „Fahrerlebnisschalter“ auf „Sport“ gestellt hat. Dann wird der BMW derart scharf, dass er sich wie ein nervöses Rennpferd benimmt. Die Gasannahme ist so direkt, dass das häufig missbrauchte Bild vom „streichelnden“ Gasfuß hier mal stimmt.

Wer etwa in der Stadt vergisst, den Schalter wieder auf das empfehlenswertere Comfort-Programm zu stellen, muss aufpassen, dass er beim beherzten Anfahren dem Vordermann nicht schlicht und schnell ins Heck prescht.

Aber selbst im Normalmodus macht der Active Tourer seinem Namen allzu viel Ehre und wirkt wie ein Fahrzeug, bei dem Entwickler mit aller Gewalt keinen Kompromiss zwischen Bequemlichkeit und Sport eingehen wollten.

Das hat nicht nur Nachteile, denn tatsächlich lässt sich kein anderer Van derart handlich fahren. Das Thema Frontantrieb kann man an dieser Stelle zumindest getrost vergessen. Der Active Tourer fährt sich wie ein echter BMW, nur eben nicht wie ein Kompakt-Van.

Dass die Nutzung des verführerischen Leistungspotenzials zudem ins Geld geht, ist kein Wunder. Ein Wunder ist eher, dass wir trotzdem auf einen noch gerade annehmbaren Durchschnittsverbrauch von 7,2 Liter kamen.


Kein billiges Vergnügen

Ansonsten bietet der BMW alles, was sich das Autofahrerherz wünscht, aber fast alles davon gegen Aufpreis. Zu den knapp 38.000 Euro Grundpreis für das Spitzenmodell, allerdings ist die schon häufig zu recht gelobte Achtgangautomatik hier immer Serie, summieren sich Extras, von denen Lederausstattung, Navigation oder Xenonlicht zwar die teuersten, beileibe aber nicht die einzigen Punkte auf der langen Liste sind. Wir schätzen den Preis unseres Testwagens auf rund 55.000 Euro.

Soviel Geld muss man also schon investieren, wenn der Sportler und der Familienvater im Innersten miteinander gekämpft haben – und keiner gewonnen hat. Falls aber doch der Familienvater siegt, empfehlen wir den Active Tourer als tollen 218d mit 150 PS für vergleichsweise günstige 31.050 Euro. Und falls der Sportler den Sieg davonträgt empfehlen wir einen 428i. In beiden Fällen passen Funktion und Antrieb dann auch wieder perfekt zusammen.

Technische Daten:
Fünftüriger, fünfsitziger Van der Kompaktklasse; Länge: 4,34 Meter, Breite: 1,80 Meter, Höhe: 1,59 Meter, Radstand: 2,67 Meter, Kofferraumvolumen: 468 – 1.510 Liter. Motor: 2,0-Liter-Benzinmotor, Achtgang-Automatik, 170 kW/231 PS, maximales Drehmoment: 350 Nm bei 1.250 U/min, Beschleunigung: 0 - 100 km/h: 6,6 Sek., Vmax: 240 km/h, Durchschnittsverbrauch: 5,8 Liter je 100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 139 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: B, Testverbrauch: 7,2 Liter. Preis: ab 37.950 Euro.

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