Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse Unterwegs im schnellsten Roadster der Welt

Für zwei Millionen Euro könnte man 48 Goldbarren in den Tresor legen, eine schnittige Yacht kaufen – oder den neuen Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse in die Garage stellen, den schnellsten, exklusivsten und teuersten Roadster der Welt. Franz Rother erlebte das Wunder der Multimillionäre.

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Stille Andacht. Bugatti Vitesse mit Bewunderer in einem Bergdorf an der Costa Dorada Quelle: Pressebild

Mir bleibt die Luft weg, für einen Augenblick sehe ich nur den Himmel. Olivier hatte mich zwar vorgewarnt, dass die Beschleunigungswerte "exceptionnel" seien und er mich deshalb nicht sofort ans Steuer lassen könne. Aber als der ehemalige Rennfahrer und heutige "pilote officiel" von Bugatti S.A.S. zu Demonstrationszwecken auf einer einsamen Landstraße in den Bergen hinter Tarragona seinen rechten Fuß für ein paar Sekunden etwas kräftiger aufs Gaspedal drückt, kriege ich schon ein wenig Panik: Mein Kopf fliegt nach hinten, mit dem Anderthalbfachen der Erdbeschleunigung werde ich in den Ledersitz gepresst.

Um mich ist ein infernalisches Brüllen, als ob ich an der Spitze einer Rakete ins All starte. Während ich noch nach einem Griff taste und mich mit den Füßen gegen das Bodenblech stemme, um Halt zu finden, bricht Olivier das Beschleunigungsmanöver auch schon wieder ab: Dort, wo sich eben noch ein Hain aus Olivenbäumen bis zum Horizont zu strecken schien, sind nun Häuser einer kleinen Siedlung aufgetaucht, urplötzlich, wie eine Fata Morgana in der Wüste.

Der Name ist Programm

Vitesse, auf Deutsch: Geschwindigkeit, heißt die neueste Top-Ausführung des Bugatti Veyron 16.4 Grand Sport, des derzeit schnellsten, stärksten und auch teuersten Roadsters der Welt. Sein Name ist Programm: Tempo 100 erreicht er im ersten Gang schon nach 2,6 Sekunden, 300 km/h nach 16 Sekunden. Und die Höchstgeschwindigkeit ist, wenn man das Hardtop aufsetzt, erst bei 410 km/h erreicht. Soll das Dach offen bleiben, muss der Fahrer sich mit 375 km/h begnügen. Zum Vergleich: In der Formel-1-Weltmeisterschaft betrug die höchste jemals gefahrene Geschwindigkeit "nur" 369,9 km/h.

"Unserem Team ist es gelungen, den weltweit stärksten Pkw-Antrieb unter Berücksichtigung aller fahrdynamischen und aerodynamischen Parameter in einen offenen Sportwagen zu transferieren", freut sich Noch-Bugatti-Chef Wolfgang Dürheimer bei der Vorstellung des Vitesse. Die Leistungsdaten des Bugatti sind in der Tat eindrucksvoll bis atemraubend: 1200 Pferdestärken oder 882 Kilowatt Leistung haben die Ingenieure mobilisiert, um den trotz der Verwendung von reichlich Kohlefasern und anderen Leichtbauteilen immer noch knapp zwei Tonnen schweren Roadster zum allradgetriebenen Straßengeschoss werden zu lassen.

Genug Abwärme um Häuser zu heizen

50 000 Liter Luft pro Minute atmen die vier riesigen Turbolader unter Volllast ein, um die 16 Kolben des 490 Kilo schweren Motors zu befeuern. Vier Benzinpumpen saugen dabei pro Stunde 264 Liter des edelsten Kraftstoffs der Sorte Superplus in den Brennraum. Zumindest theoretisch. Praktisch müssen sie die Arbeit schon nach etwa 20 Minuten Vollgas einstellen – dann nämlich haben sie den 100 Liter fassenden Tank leergesoffen. Der Bugatti wird dabei zum Kraftwerk: Mit den über 800 Kilowatt Abwärme, die von den Hochleistungskühlern verarbeitet werden, könnte man angeblich 40 Einfamilienhäuser heizen.

Für Klimafreunde ein Graus

Steile Kurve. Das blaue Monster fliegt wie von selbst durch das Rund. Wer sich traut, kann das Lenkrad loslassen Quelle: Pressebild

Klimabesorgte Zeitgenossen werden sich spätestens hier mit Grausen abwenden. Allein, der Vitesse ist nicht mit heutigen Maßstäben zu messen und schon gar nicht mit den Maßstäben von Normalverdienern. Solche Traumwagen bewegt man nicht, um möglichst schnell, möglichst komfortabel von A nach B zu kommen – dafür sind Flieger und Schnellzug wesentlich besser geeignet. Sie zählen vielmehr zu jenen exklusiven Vehikeln, mit denen Menschen, die es sich leisten können, Breschen in den Alltag schlagen – und dem Augenblick besonderen Glanz verleihen. Jede Fahrt mit einem solchen Auto wird zu einer Erfahrung gesteigerter Lust, wird zu einem Fest des Lebens.

Extras treiben den Preis

Der Eintrittspreis zu dieser Party ist hoch: Unter 1,69 Millionen Euro netto geht gar nichts, nicht einmal mit VIP-Rabatt. Und mit ein paar Extras wie etwa Karosserieteilen aus blauem Sichtcarbon (Aufpreis 200 000 Euro), mit Horseshoe-Felgen, Bremssätteln, Tank- und Öldeckel in Wagenfarbe, Stepparbeiten in der Kopfstütze und noch ein paar anderen netten Sonderanfertigungen eilt der Preis rasch der Schwelle von zwei Millionen Euro entgegen. Zwei Millionen Euro! Für das Geld könnte man eine Villa am Starnberger See erwerben oder ein Apartment am Hyde Park, man könnte einen hübschen Lebensabend unter Palmen verbringen, Gold horten oder bei einer Kunstauktion das eine oder andere Meisterwerk ersteigern.

Der teuerste Roadster der Welt

Und der Kaufpreis ist noch nicht alles. Auch die Unterhaltskosten sind dazu angetan, Normalsterblichen den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben. Schon die Vollkaskoversicherung schlägt hierzu- lande je nach Schadensfreiheitsrabatt, Regionalklasse und Selbstbeteiligung mit Beträgen zwischen 25 000 und 35 000 Euro zu Buche. Und dann erst die Wartung: Ein Bugatti muss alle 4000 Kilometer zur Inspektion, alle 16 000 Kilometer wird der Wechsel sämtlicher Felgen empfohlen. Allein ein Satz der Spezialreifen von Michelin (mit einer Lebensdauer von gerade mal 10 000 Kilometern) kostet rund 25 000 Euro, die große Jahresinspektion mit rund 16 000 Euro hat das englische Magazin "Autocar" ermittelt. Inklusive Sprit kamen die Experten auf jährliche Kosten von umgerechnet rund 250 000 Euro. Da könnte aus einem Traum schnell ein Albtraum werden. Jedenfalls für mich.

Ein Auto pro Woche

Doch offenbar gibt es Menschen, die solche Summen nicht schrecken. Die Wirtschafts-, Banken- und Schuldenkrise wirft jedenfalls bislang noch keine Schatten auf die Absatzzahlen von Bugatti, im Gegenteil: Mit einem Auftragsbestand von 42 Fahrzeugen ist die Bugatti-Manufaktur im elsässischen Molsheim noch bis zum Mai 2013 gut ausgelastet – bei der Fertigstellung von einem Auto pro Woche.

Und die Nachfrage ist weiterhin groß, wie Vertriebschef Stefan Brungs erzählt: Von der auf 150 Exemplare limitierten Serie des offenen Bugatti Veyron seien schon 59 Exemplare verkauft. Seit der Vorstellung der Top-Version Vitesse im März auf dem Genfer Autosalon habe die Nachfrage sogar angezogen: "Für gewisse Menschen sind exklusive Autos eine besonders schöne Form der Geldanlage und Krisenwährung", glaubt der Marketingstratege.

Je teurer desto besser

Die schnellsten Serien-Sportwagen
Sie sind schnell und leistungsstark und lassen so manches Männerherz höher schlagen: die Supersportwagen. Sorgt ihr dynamisches Aussehen (wie bei diesem Koeniggsegg) bereits für Entzücken, versetzt der kernige Motorsound nach dem Start die Insassen in einen Rausch, der mit dem Ausreizen der Beschleunigungswerte und Geschwindigkeiten jenseits der 250 km/h entsprechend zunimmt. Doch wer ist der Schnellste im ganzen Land? ... Quelle: Pressefoto
Supersportwagen versprechen viel Exklusivität und noch mehr Leistung. Doch die Konkurrenz ist groß. Es kommt auf Zehntel- oder gar Hunderstelsekunden an, die über Ansehen und Beachtung entscheiden. Wir betrachten in diesem Ranking allerdings keine (werks-)getunten Modelle, Rennsport- und Kleinserienmodelle (wie diesen Panoz Abbruzzi) oder Einzelanfertigungen. Soviel sei vorab verraten: Unter die magische Marke von vier Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 Stundenkilometer schaffen es alle in der Top Ten ... Quelle: Pressefoto
Flott unterwegs im Sprint von 0 auf 100 km/h ist die Corvette ZR-1 mit 3,9 Sekunden. Schluss der Tempo-Orgie ist erst bei 330 km/h, damit ist die ZR-1 der leistungsstärkste Corvette-Serienwagen aller Zeiten. Ihr LS9-V8-Motor mit 6,2 Litern Hubraum leistet 647 PS, und die Startautomatik sowie das hervorragende Leistungs-Traktionsmanagement sorgen für optimale Eigenschaften bei Beschleunigung und Handling. Im direkten Vergleich reicht das für Platz 10 ... Quelle: Pressefoto
Platz 9: Der Lexus LFA ist mit 3,7 Sekunden für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h zweifelsohne ein schnelles Autos, er ist beispielsweise nur zwei Zehntel langsamer, als der wesentlich stärker motorisierte und limitierte Aston Martin One-77. Herzstück des LEXUS LFA ist ein mit Yamaha entwickelter 4,8-Liter V10-Motor mit 560, der sehr hoch dreht. Im großen Zirkus der allerschnellsten Seriensupersportwagen landet der Bolide der Toyota-Premiumtochter dennoch nur im (vorderen) Mittelfeld ... Quelle: Pressefoto
Der sprintstärkste Deutsche ist der Porsche 911 Turbo S. Auch wenn aus Zuffenhausen mittlerweile Modelle mit mehr als 530 PS kommen, sind sie nicht schneller. Der Sechszylinder-Heckmotor beschleunigt den Sportler in 3,3 Sekunden auf 100 km/h, um bei 315 km/h zum Ende zu kommen, das ist gut für Platz 5 in diesem Ranking. 173.214 Euro werden hierfür fällig. An solchen Werten wird sich auch die neue Generation des 911er, die bald Premiere feiert, messen lassen müssen. Quelle: Pressefoto
Der McLaren MP4-12C ist einen Wimpernschlag schneller. Die Formel 1-Erfahrung der Briten fließt in die flache Flunder mit ein, die Platz 4 erobert. 3,1 Sekunden zeigt die Stoppuhr nach dem Standardsprint, bei 330 km/h ist Schluss für die erste Generation, deren Power von 600 PS von einem Biturbo-V8-Mittelmotor stammt.Mittlerweile haben die Briten nachgelegt, der Motor leistet nun 625 PS , nach wie vor soll das Kraftpaket aber mit einem Verbrauch von 11,7 Litern pro 100 Kilometer auskommen. Spürbar soll die Mehrleistung nur bei der um drei km/h auf 333 km/h angehobenen Spitzengeschwindigkeit und den Spurts auf 200 km/h und 300 km/h sein. Der Zweisitzer schlägt preislich mit 209.000 Euro zu Buche. Quelle: Pressefoto
Auf exakt den gleichen Wert kommt der Ferrari F12 als Nachfolger des ebenfalls nicht langsamen 599 GTO. Der alte Ferrari-Tempokönig kam auf einen Sprintwert von 3,35 Sekunden, dank 5,99-Liter-Saugmotor und 670 PS (Spitze: 335 km/h). Der Nachfolger F12 kann das alles noch ein bisschen besser, und das macht ihn zum bislang stärksten Seriensportwagen der Marke. Der Rote aus Maranello verspricht - auch dank nur rund 1,5 Tonnen Gewicht - Fahrleistungen, die auf öffentlichen Straßen deplatziert sind. In 3,1 Sekunden vermag das Auto von 0 auf Tempo 100 zu beschleunigen; in 8,5 Sekunden rast das Auto bereits mit 200 km/h dahin. Als Höchstgeschwindigkeit gibt Ferrari 340 Sachen an. Quelle: Pressefoto

Bei der Frage nach Kunden wird Brungs freilich ganz schmallippig – Diskretion ist bei derlei Geschäften Ehrensache. So viel ist immerhin bekannt: Ursula Piëch, die Ehefrau des VW-Aufsichtsratschefs Ferdinand Piëch, besitzt den Bugatti Veyron mit der Fahrgestellnummer sieben. Und der russische Wodka-Oligarch und Privatbanker Roustan Tariko zahlte allein 200 000 Dollar, um auf der Warteliste nach oben zu rutschen und als erster Russe einen Bugatti in seine Garage stellen zu können. Formel-1-Weltmeister Jenson Button besitzt angeblich einen, Modedesigner Ralph Lauren ebenso wie Filmstar Tom Cruise. Auch Fußballkicker Tim Cahill vom FC Everton, Autosammler Jay Leno und US-Rapper Jay-Z sollen Bugatti-Besitzer sein – offizielle Bestätigungen für derlei Gerüchte gibt es in Molsheim freilich nicht.

Auch in Fernost wächst die Fangemeinde: Zwei der in diesem Jahr verkauften Grand Sport gingen nach China. Die Verkaufsgespräche dort, so lässt sich heraushören, machen den Bugatti-Repräsentanten viel Freude: "Chinesen und auch Inder gehen über den Preis – je teurer das Auto, desto besser."

Eine Gesellschaft gegen den Genuss

Die Sonderversion des Bugatti Veyron Grand Sport ist, so gesehen, ein bewusst platziertes Zuckerl für Leute, die eigentlich schon alles haben: Traumvilla, Motoryacht, Business-Jet und Kunstsammmlung, diverse andere Luxusautos – und die einen Bugatti "brauchen", um auf einsamen Landstraßen oder abgesperrten Rennstrecken mehr oder minder ungehemmt der Lust schneller Fortbewegung zu frönen.

Das Vermächtnis des legendären Ferrari-Designers
Der italienische Star-Autodesigner Sergio Pininfarina ist im Alter von 85 Jahren gestorben. Der Designer war verantwortlich für die schlanke Ferrari-Silhouette und die Designs von einer Reihe anderer Sportwagen. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete, verstarb der Designer in der Nacht zum Dienstag. Er sei seit längerem krank gewesen, hieß es. Sergio Farina wurde am 8. September 1926 in Turin geboren. Später übernahm er die von seinem Vater, dem Karrosseriebauer Battista „Pinin“ Farina, gegründete Designfirma. In den 1960er Jahren fügte Pininfarina den Spitznamen seines Vaters, „Pinin“, zu seinem Namen hinzu. Im Jahr 2005 ernannte Italiens Staatspräsident Pininfarina zum Senator auf Lebenszeit. Ein kleine Rückschau auf das Werk des Stardesigners. Quelle: dapd
Maserati Gran Turismo SZum Genfer Autosalon 2007 gestaltete Pininfarina den Maserati Gran Turismo S - das Auto bekam 30 internationale Preise, darunter auch den als "Best Car". Quelle: tmn
Maserati Quattroporte Quelle: REUTERS
"OSEE" Prototyp von CitroenDer Designer zeichnete aber nicht nur für Ferrari und Maserati: 2001 baute Pininfarina einen Sportwagen für Citroën mit Sechszylinder-Mittelmotor. Der OSEE-Prototyp hatte wegen des in der Mitte angebrachten Motors weit außenstehende Reifen. Das Auto bot Platz für drei Personen. Quelle: AP
Ferrari RossaFür den Ferrari Rossa bekam das italienische Designunternehmen Pininfarina sogar den red dot design award verliehen. Quelle: dpa
Ferrari 612 ScagliettiDieser von Pininfarina entworfene Ferrari 612 Scaglietti wurde im Jahr 2004 bei der North American International Auto Show in Detroit vorgestellt. Benannt ist das Auto nach Sergio Scaglietti, der einige der ersten Wagen für Ferrari entworfen hatte. Quelle: dpa/dpaweb
Peugeot 406Aus dem Mittelklassewagen Peugeot 406 zauberte Pininfarina 1997 ein schnittiges Coupé. Quelle: dapd

Zumindest in unseren Breiten brauchen solche Anhänger des postmodernen Hedonismus inzwischen eine Menge Mut, um die Maske der Bescheidenheit abzulegen und eine private Obsession auszuleben: Die Gesellschaft hat dafür gesorgt, dass Genüsse wie eine üppige Mahlzeit, eine Zigarre oder ein schnelles Auto inzwischen als unvernünftig, ungesund oder moralisch indiskutabel gelten. „Ein Auto mit mehr als 200 PS braucht kein Mensch“, hatte erst am Morgen ein Kommentator im Radio gepredigt und für ein neues Verkehrskonzept plädiert, das stärker auf Fahrräder, Leihwagen sowie Busse und Bahnen setzt. Tempo 400 ist bei ihm nicht mehr vorgesehen.

"Statt zu fragen, wofür wir leben, fragen wir uns nur noch, wie wir möglichst lange leben beziehungsweise überleben können – gemäß nunmehr völlig fraglos verabsolutierten Prinzipien wie Gesundheit, Sicherheit, Nachhaltigkeit und vor allem Kosteneffizienz", meint der Wiener Philosoph Robert Pfaller in seinem Buch "Wofür es sich zu leben lohnt".

Sensibles Gaspedal

Mit festem Griff. 1200 Pferdestärken wollen gebändigt sein, wenn sie losgelassen werden Quelle: Pressebild

Insofern ist wahrscheinlich schon eine Testfahrt mit dem Vitesse ein grober Verstoß gegen die guten Sitten, selbst wenn sie abseits des normalen Straßenverkehrs auf einem abgesperrten Hochgeschwindigkeitskurs stattfindet. Aber wenigstens einmal will ich es riskieren, einen Traum ausleben. Olivier, mein offizieller Beifahrer, hat mir nach der kurzen Einweisungsfahrt endlich den Platz hinterm Lenkrad überlassen. Auf der Fahrt über Landstraßen und die Autobahn kostet es mich einige Mühe, die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit einzuhalten – das Gaspedal reagiert extrem sensibel auf die Bewegungen meines rechten Fußes. Kurz angetippt – und schon scheint im Display des Drehzahlmessers des Tachometers das Wort "Handling" auf. Der Wagen, klärt mich Olivier auf, presst sich dann noch tiefer auf die Fahrbahn und stellt den Heckflügel steiler. Ganz automatisch, bei Tempo 180. 180 km/h auf der Landstraße? Lieber nicht. Also biegen wir mit unserem blauen Boliden auf ein gesichertes Gelände in der Nähe von Tarragona ab, wo die Autoindustrie normalerweise ihre neuen Autos testet.

Beste Voraussetzungen zum Vollgasfahren

Hier darf ich, soll ich den Bugatti endlich von der Leine lassen. Der 7560 Meter lange Hochgeschwindigkeitskurs, erfahre ich bei der Einweisung, verbindet zwei jeweils 2000 Meter lange Geraden durch zwei Steilkurven mit je 472 Meter Radius. Die Kurven sind so stark überhöht, dass bei Tempo 200 auf der äußersten Spur die Resultierende aus Flieh- und Normalkraft senkrecht zur Straße wirkt. Mit anderen Worten: beste Voraussetzungen zum Vollgasfahren. Olivier zeigt, wie es geht.

Dann bin ich dran. Ein Tritt aufs Gaspedal und der Vitesse saust unter Gebrüll davon. 250 km/h, 300 km/h, 325 km/h: Ein Jumbojet würde jetzt abheben, der Bugatti aber bleibt ruhig in der Spur. Kurz vor der Steilwandkurve heißt es Gas rausnehmen, mehr als 200 km/h sind hier nicht erlaubt. Aber ausgangs der Kurve stehe ich schon wieder voll auf dem Gaspedal. Jetzt will ich wissen, was geht. Doch mehr als 341 km/h erlaube ich mir dann doch nicht: Die Vernunft siegt. Die Piste wird bei dem Tempo schmal wie ein Strich und das Ende der Geraden ist nach einem Wimpernschlag erreicht. Aus der Traum, der Alltag hat mich wieder.

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