Can-Am Spyder Roadster Hornisse auf drei Rädern

Der dreirädrige Can-Am Spyder Roadster, eine Kreuzung aus Motorrad und Auto, sieht aus wie eine Hornisse. Nach einer Eingewöhnungsphase wuchs bei Jürgen Rees der Spaß an dem High-Tech-Geschoss.

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Can-Am Spyder Roadster

Wen ständige Fragen wildfremder Menschen nerven und wer sich lieber unauffällig durch den Verkehr schlängelt, für den ist der dreirädrige Can-Am Spyder Roadster ein Albtraum. Mein leuchtend maisgelbes Testexemplar sieht jedenfalls aus wie die in 106 PS gegossene Aufforderung: „Redet mit dem Fahrer!“ Der erste Kommentar meiner motorradbegeisterten Beifahrerin Bettina: „Was ist denn das? Das sieht ja aus wie eine Hornisse? Kann sie auch fliegen?“ Auf einem Parkplatz in der Eifel bettelt ein 14-jähriger Junge: „Darf ich mal drauf sitzen?“ Ein Motorradfahrer lästert an einer Ampel in Bonn: „Hat das Ding auch einen Rückwärtsgang?“

Es hat. Und der bewahrt mich vor der Peinlichkeit, das 316 Kilogramm schwere Gefährt mit zwei Rädern vorne und einem fetten Reifen hinten nicht aus Parklücken rangieren zu können. Zugegeben, das Design ist ziemlich auffällig geraten, aber ich finde, es hat nichts Peinliches. Aber was ist der Can-Am denn nun? Eher ein Auto, ein Motorrad oder gar ein Quad? Schwer zu sagen. Er hat von allem etwas. Sitzposition, Lenker und Helm gehören in die Welt der Zweiräder. Und, man ahnt es, ich werde, wenn es regnet, auch genauso nass. Das Fahrverhalten dagegen ähnelt eher dem eines Autos. Und auch der Preis. 17.300 Euro kostet das Gefährt, das Bombardier Recreational Products (BRP) baut, ein Ableger des kanadischen Flugzeugbauers Bombardier. Zum BRP-Angebot gehören illustre Namen wie Rotax-Moto-ren, die Außenborder-Marken Evinrude und Johnson, Jet-Boote und Ski-Doo-Motorschlitten.

Schon lange haben die Kanadier überlegt, wie sie ihre Skischlitten so straßentauglich machen können, dass sie sportlich orientierte Schönwetterfahrer damit aus dem Cabrio auf ihr Gefährt locken. Die Antwort ist ein mit High Tech gespicktes Dreirad: Riemenantrieb, auf Wunsch gibt es für 1800 Euro eine Knopfdruckschaltung ohne Kupplung, serienmäßig eine geschwindigkeitsabhängige Servolenkung sowie ein Sicherheitspaket, bestehend aus einem elektronischen Stabilitätsprogramm von Bosch und einer Traktionskontrolle. Das ist einmalig unter allen Spaßgeräten, die nicht mit vier Rädern ausgestattet sind. Das Beste daran: Zum Fahren reicht der Auto-Führerschein.

Kurz gesagt: bestens!

Aber wie steht es mit dem Fahrspaß? Kurz gesagt: bestens! Ich musste mich als Motorradfahrer zwar erst auf das ungewöhnliche Fahrverhalten einstellen. Während das Motorrad auf jede Gewichtsverlagerung reagiert und fast von alleine in die Kurve fällt, muss ich das 2,67 Meter lange Can-Am-Dreirad mit Körpereinsatz in die Kurve zwingen. Schräglage geht also nicht, doch ich gewöhne mich schnell um. Am meisten beeindruckt mich der durchzugsstarke Motor. Quelle der Freude ist ein Ein-Liter-V2-Rotax-Motor, der mit etwas veränderter Leistungscharakteristik auch in Aprilia-Motorrädern arbeitet. 4,7 Sekunden braucht der Can-Am, um von 0 auf 100 zu beschleunigen – und kann damit mit jedem Sportwagen konkurrieren. Die Spitzengeschwindigkeit von knapp 190 Kilometer pro Stunde ist allerdings höher als dem Fahrspaß bei der aufrechten Sitzposition guttut. Denn jenseits einer Geschwindigkeit von 150 km/h blasen einem die Verwirbelungen hinter der sonst praktischen Frontscheibe so heftig ins Gesicht, dass ich schnell freiwillig vom Gas gehe. Aber für komfortable Touren bei entspanntem Tempo ist das Geschoss wie geschaffen. Auch meine Sozia hält es bequem längere Zeit aus. Einziges Manko: Als Motorradfahrer greife ich reflexhaft immer wieder zum Handbremshebel und damit ins Leere. Ich vermisse ihn, denn auf dem Can-Am sitze ich mit einer Größe von 1,85 Meter so stark angewinkelt, dass der rechte Fuß nicht auf die auf alle drei Räder wirkende Fußbremse passen will.

Alles in allem ist der Spyder Roadster ein technisch ausgereiftes Produkt, dem nichts von einer Bastellösung anhaftet. Selbst an einen kleinen Kofferraum mit 44 Liter im Frontbereich haben die Entwickler gedacht. Zwei Helme und der notwendige Kleinkram haben da locker Platz.

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