Diesel-Skandal Der schmutzige Adblue-Trick der Autobauer

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Argumente der Auto-Industrie sind schwer nachvollziehbar

Ob das so ist, ist fraglich. Denn Temperaturen von unter zehn Grad sind kein Extremwetter in Europa oder USA, sondern Alltag. Fest steht allerdings, was die Abschaltungen bei bestimmten Temperaturen bringen: Es wird beim SCR-Verfahren Adblue gespart.

Lars Mönch, Fachgebietsleiter Fahrzeugtechnik beim Umweltbundesamt, kann die Begründung der Hersteller nicht nachvollziehen. Der Bauteilschutz diente nur in den Anfängen der Technik dazu, den noch empfindlichen Katalysator zu schützen. „Heute ist das kein Problem“, sagt Mönch. „Wenn die Reinigungsanlage richtig ausgelegt ist, reicht schon eine Abgastemperatur von 180 Grad, damit der Katalysator funktioniert.“

Die erreichen die Motoren selbst bei niedrigen Außentemperaturen schon nach wenigen Minuten. Mönchs Forderung ist daher klar: „Die Abgasreinigung muss bei allen Temperaturen und Fahrzuständen funktionieren.“ In einem Gutachten von ICCT, das der WirtschaftsWoche vorliegt und das in diesen Tagen einem Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments vorgelegt werden soll, kommt die Organisation zu dem Schluss, dass „die öffentlichen Erklärungen von BMW, Renault und Daimler aus technischer Sicht schwer nachvollziehbar“ seien.

Ähnliche Folgen wie im VW-Abgasskandal drohen

„Wir können uns nicht vorstellen“, sagt ICCT-Europa-Chef Peter Mock, „dass dieses Betriebsverhalten der Fahrzeuge mit US-Recht vereinbar ist.“ Es waren schon ICCT-Nachforschungen im Jahr 2014, die den VW-Skandal rund um die manipulierte Testsoftware ins Rollen gebracht hatten. Die Organisation arbeitet auf das Engste mit der kalifornischen Behörde Carb zusammen. Sollten sich Carb und EPA dem ICCT anschließen, würde der Dieselskandal endgültig die weiteren deutschen Autokonzerne einholen. Mit möglicherweise ähnlichen Folgen wie für VW: Rückrufaktionen, Schadensersatzforderungen und Strafzahlungen.

von Jürgen Rees, Martin Seiwert, Rebecca Eisert

Die Hersteller geben sich auf Anfragen der WirtschaftsWoche bedeckt. Man lege die Abgasreinigung auf die jeweilige Gesetzgebung der Märkte aus, heißt es bei Audi und Daimler. BMW wähnt sich auf der sicheren Seite. Man habe in allen BMW bekannten Tests hervorragend abgeschnitten. Renault räumt Nachholbedarf ein. Nach der Veröffentlichung einer Vorabmeldung zu diesem Artikel hat Daimler mit einer Stellungnahme reagiert.

Man wolle mit einem zusätzlichen Budget von 50 Millionen Euro die Abweichung zwischen Realbetrieb und Testzyklus verringern. Opel sieht keine Probleme. Die Fahrer würden rechtzeitig auf zur Neige gehendes Adblue per Anzeige hingewiesen. Für die Hersteller ist das Adblue immer noch ein lästiger Fremdkörper. Die Entwickler kämpfen im Auto um jedes Kilogramm Gewicht und jeden Liter Bauraum. Ein zusätzlicher Tank mit 50 Liter oder mehr Inhalt passt da schlicht nicht ins Konzept. Zudem wollten die Hersteller ihren Kunden das unkomfortable und teure Nachtanken des Harnstoffes zwischen den Inspektionen ersparen.

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